Wenn einen die Eltern der Freundin nur noch nerven

Sie fragen, unser Mann für die Liebe antwortet. Heute geht es um den allzu engen Kontakt der Partnerin zu ihren Eltern und wie man damit umgeht.

Ist es für eine Beziehung gesund, wenn die Freundin einen guten Kontakt zu ihren Eltern hat?
Ist es für eine Beziehung gesund, wenn die Freundin einen guten Kontakt zu ihren Eltern hat?IMAGO / Westend61

Peter, 32: Ich liebe meine Freundin, aber ich finde, dass sie zu viel Kontakt mit ihren Eltern hat. Mich nervt das. Darf ich das ansprechen und genervt sein, oder sollte ich mich ändern? Woher kommt der Zorn?

Lieber Peter, nein, natürlich darfst du das nicht ansprechen, musst alles aushalten und dich ändern. Spaß beiseite! Ich denke andersherum wird ein Schuh draus – vielleicht sogar ein Hochzeitsschuh: Du musst es ansprechen. Wenn du Dinge, die dich so stören, dass du zornig wirst, zu wenig ansprichst, bastelst du schon am Niedergang eurer Liebe.

Liebe sollte zu tiefem Vertrauen führen. Manche sagen, ohne tiefes Vertrauen sei es gar keine richtige Liebe. Aber wie das Leben so ist – es ist immer etwas komplizierter und mit einem Entweder-oder kommen wir meist nicht sehr weit. Wir beginnen die Liebe immer mit dem uns in der aktuellen Verfassung größtmöglichen Vertrauen. Wir beginnen sie auch mit den Wünschen, unser Vertrauen solle etwa gleichwertig erwidert werden und es solle sich über die Zeit vertiefen. Ich schreibe über Vertrauen, weil ich es für die hintergründigste und größte Macht in der Liebe halte.

Warum zögerst du, dein Problem bei deiner Freundin anzusprechen? Was könnte passieren? Würde sie aufstehen und sagen: „Wie kannst du so etwas zu mir sagen und vielleicht noch verlangen, dass ich mich weniger meinen Eltern zuwende?“ Würde sie zutiefst beleidigt sein, dich sogar verlassen, weil du mit etwas von ihr nicht zurechtkommst? Wahrscheinlich nicht. Und wenn doch, dann erspart sie dir damit eine Menge Beziehungsstress.

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Deine Sorge, es nicht ansprechen zu dürfen, kommt wahrscheinlich (hoffentlich) nicht aus den realen Erfahrungen mit deiner Freundin. In der Liebesbeziehung leben wir in zwei Zeiten gleichzeitig: im Hier und Jetzt und in den Gefühlen und Bewertungen der frühen Kindheit mit unseren Eltern. In der fernen Vergangenheit haben wir unseren Vertrauenskompass erstmals geeicht. Mit den Daten von damals bewerten wir im Jetzt die Möglichkeit zu Offenheit und Vertrauen. Leider fühlen sich unserer Bewertungen und Reaktionen oft wie festgeschraubt an. Sie kommen automatisch, auch wenn wir es anders machen wollten.

Nimm deinen Mut und dein Herz fest in deine Hände und sprich sie an. Überlege dir, wie du es möglichst anschlussfähig formulierst. Es ist ein Vertrauensbeweis von dir, ihr deine Gefühle und Ansichten anzuvertrauen. Ihr habt so eine gute Chance, euch ein Stück näherzukommen, auch wenn sie eventuell immer noch genauso viel Kontakt zu ihren Eltern hat.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.