Der neue Chic aus Mailand und Paris: 5 aktuelle Trends aus den Modehauptstädten
Die Ära der großen Logos und Hoodies ist vorbei. Seriosität und Eleganz beherrschen jetzt die Runways auf den internationalen Modewochen. Ein Zwischenstand.

Okay, seien wir mal ehrlich, wir haben das alles wirklich genossen: die abgedrehten Shows und die extremen bis skandalösen Entwürfe der Designer im vergangenen Jahr. Aber so anregend eine exzessive Party sein kann, so sehr braucht man danach die Ruhe. Es ist Zeit für die Teatime und ein paar gepflegte Häppchen – und danach scheint auch den großen Modemachern der Sinn zu stehen. Die überraschende Einigkeit der Luxusmarken diesbezüglich fällt auf, schaut man sich die eleganten Herbst-Winter-Kollektionen an, die derzeit auf den Runways in Mailand und Paris gezeigt werden.
Der neue Chic orientiert sich mehr an der Couture als an der Streetwear. Alles dreht sich ums Tailoring – Blazer, Anzüge und Mäntel sind die Key-Pieces. Zurückhaltung ist wieder gefragt, aber ein bisschen funkeln und glitzern darf es trotzdem!
1. Der Lagen-Kragen
Die neue Sachlichkeit verlangt nach Reduktion. Ein schönes Detail, mit dem Individualität und Fashion-Verständnis demonstriert werden kann, ist das Kragen-Areal. Miuccia Prada und Raf Simons zeigten hier erneut besonders virtuos gelayerte Ausschnitte. An Blazern mit Reverskragen sind offene Cardigans simuliert, darunter lugen überlange Hemdkrägen im Seventies-Style hervor. Nicht nur das Formenspiel ist meisterhaft, auch mit den traditionellen Materialien der unterschiedlichen Kleidungsstücke wie Wolle und Baumwolle wird der klassische Business-Look genial zitiert und neu aufgemischt. Auch der Bottega-Veneta-Kreativdirektor Matthieu Blazy spielt mit gelayerten Kragen durch übereinandergeschichtete und miteinander verquickte Kleidungsstücke aus unterschiedlichen Materialien.


2. Stilvolle Blüten
Blumen sind zart und zerbrechlich – und eine wunderschöne Laune der Natur. Florale Designs tragen diesen Vibe in sich, auf Kleidung unterstreichen sie das Feminine. Vor allem, wenn es sich um kleine Meisterwerke wie das bodenlange Kleid von Dries Van Noten handelt, das sich aus einem halb durchsichtigen Seidenschlauch um den Körper des Models wickelt. Ein Jäckchen aus dem gleichen Material vervollständigt den Look. Ebenfalls zart und halb durchsichtig ist das raffinierte weiße, mit Blüten bestickte Ensemble von Bottega Veneta. Bei Acne Studios kommt das Pflanzenkleid etwas exaltierter daher, sowohl der rötliche Farbton als auch die extremen Cut-Outs sorgen für eine gewisse Dominanz. Der Kreativdirektor Jonny Johansson ließ sich für seine neue Kollektion von den Wäldern Schwedens inspirieren. Bei Bottega Veneta hingegen sind die Blüten auf Top und Rock auf festes, pastellgelbes Leder geprägt.



3. Zwischen Federn und Flokati
Für den nächsten Herbst sehen wir viele stattliche Mäntel, Capes und Hemdjacken. Die meisten Modehäuser verzichten inzwischen auf Pelz, zum Wohl der Tiere. Der Vorteil: Die falschen Felle können vollkommen frei gestaltet werden. Farben, Haarlänge, Struktur – der Fantasie scheinen kaum Grenzen gesetzt. Einen besonders glamourösen Fake-Fur-Mantel in pastelligem Mint gab es bei Bottega Veneta zu bewundern, während viele Marken wie Max Mara, Sportmax oder Ferrari auf den immer noch angesagten Teddy-Flausch setzen. Anders als Echtfell sind Leder und Federn derzeit noch erlaubt. Ergo umschwebt ein wuscheliges Cape aus weißem Straußenflaum, appliziert auf Seide, die Celine-Frau – während eine Bottega-Veneta-Hemdjacke aus Ziegenleder den Straußenlook mit einer Prägung lediglich imitiert. Pelznot macht erfinderisch; diese Experimente zeigen, wie etwas Innovatives daraus erwachsen kann.




4. Sexy-Office und Neo-Disco
Ein bisschen Glam muss sein. Bekanntlich wird auch bei der englischen Teatime der ein oder andere Cocktail gekippt. Unterhaltung ist natürlich auch in der neuen Sachlichkeit erlaubt, sie muss nur gehoben sein – und weit weg von billigem Blingbling. Die Kollektion von Anthony Vaccarello für Saint Laurent brachte auf meisterhafte Weise den klassichen Chic des Hauses auf den Laufsteg zurück. Die Powerfrauen-Silhouette, gebaut aus Blazer mit superbreiten Schultern und sexy Top, dazu Bleistiftrock oder Anzughose plus himmelhohen Highheels. Das hat Anklänge von Büro, tendiert aber eher auf den Feierabend zu – wenn die Hotelbar für einen Happen Essen und einen fancy Drink aufgesucht wird. Musik: George Michaels „Kissing a Fool“. Metallic-Töne spielen dabei (und insgesamt bei vielen Kollektionen) eine große Rolle, die 80er lassen wieder grüßen. Auch Dries Van Notens güldene Brokathose kann was. Und die Neo-Disco wartet schon auf die Couture-Jacke von Hedi Slimane. Das silbern funkelnde Prachtstück wurde mehrere Wochen lang von Hand mit Pailletten und Ketten bestickt – für das Berghain ist dieses Exemplar also nicht geeignet. Für einen Dancefloor mit Diskokugel indes sehr!


5. Schnelle Brillen, zarte Highheels
Accessoires sind ein wichtiger Bestandteil jeder neuen Kollektion, da sie sich sehr gut verkaufen. Neben Taschen sind das auch die Brillen. Davon gab es auf den Schauen viele zu bestaunen, die Sonnenbrille war der Star auf den Nasen. Die Gestelle bleiben auch in der nächsten Saison groß, oft scheinen sportliche Schutzbrillen beim Gestalten Pate gestanden zu haben. Bei Ferrari beispielsweise die Rennfahrermodelle oder bei Max Mara die Skibrille. An den Füßen indes wird es wieder zarter, spitzer und höher. Die Higheels verdrängen langsam die derben Boots und lassen die Damen wieder tippeln. Und auch wenn sie so avantgardistisch gestaltet sind wie bei Prada, heißt es hier Obacht – lassen Sie sich nicht vom Schuhwerk bremsen und behalten Sie die derzeit noch angesagten derben Stiefel im Schrank. Manchmal muss es schnell gehen und kein stützender Begleiter oder ein Taxi sind in Sicht.


