Modestadt Berlin? Dafür fehlt es an Emotion, Leidenschaft – und Drama

Berlin hat viele Qualitäten, aber als Modestadt kaum eine Chance: Darüber sind sich einige der erfolgreichsten deutschen Modemacher und Nachwuchstalente einig.

Eine Show der 44 Label Group auf der Milan Fashion Week: Das junge Label hätte in Berlin nicht durchstarten können. Nur weil der Mailänder Modemäzen Claudio Antonioli das Talent des Kreativdirektors Max Kobosil erkannte, konnte sich die Modemarke erst gründen.
Eine Show der 44 Label Group auf der Milan Fashion Week: Das junge Label hätte in Berlin nicht durchstarten können. Nur weil der Mailänder Modemäzen Claudio Antonioli das Talent des Kreativdirektors Max Kobosil erkannte, konnte sich die Modemarke erst gründen.Valerio Mezzanotti

Deutschland bringt viele erfolgreiche Modemarken und Fashiondesigner hervor: Lutz Huelle, GmbH, Ottolinger, 032c, die 44 Label Group oder Ximon Lee. Ganz zu schweigen von Berühmtheiten wie Karl Lagerfeld oder Jil Sander. Aber warum gehen nur alle nach Paris oder Mailand?

Wir haben einige der zur Zeit wichtigsten deutschen Modemacher gefragt, weshalb um alles in der Welt sie ihre Mode nicht auf der Berlin Fashion Week präsentieren. Manche wollten dazu schweigen, andere indes waren zu einem Statement bereit.

<strong>Lutz Huelle</strong> ist einer der erfolgreichsten deutschen Modedesigner. Er ging bereits vor vielen Jahren aus Deutschland nach Paris und zeigt Mode regelmäßig mit seinem gleichnamigen Label auf der Paris Fashion Week.&nbsp;
Lutz Huelle ist einer der erfolgreichsten deutschen Modedesigner. Er ging bereits vor vielen Jahren aus Deutschland nach Paris und zeigt Mode regelmäßig mit seinem gleichnamigen Label auf der Paris Fashion Week. SHOWstudio

Die Berliner Fashion Week war für mich von Anfang an eine super Idee – Berlin ist eine der aufregendsten und inspirierenden Städte der Welt, darüber sind sich auch in Paris alle einig. Es ist schade und schwer zu verstehen, dass diese einzigartige Energie sich nie auf die Modewoche übertragen konnte. Eine Erklärung für mich wäre, dass die Mode als kreative Industrie nach wie vor nicht wirklich ernst genommen wird in Deutschland. Man hat Angst vor den kreativen Risiken, im Gegensatz zu London oder Paris. Das Wort ‚Bekleidungsindustrie‘ drückt das ganz gut aus für mich. Es fehlt vielleicht einfach ein bisschen an Emotion, Leidenschaft, Drama, Überraschung oder wie man es auch immer nennen möchte. Das Potenzial ist absolut da in Berlin. Es gibt viele tolle und aufregende Marken und Designer, es muss nur dran geglaubt werden, nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem aus kreativer Sicht.“

Lutz Huelle

Mit seinen 22 Jahren ist <strong>Luis Dobbelgarten</strong> Gründer und Creative Director der rasant wachsenden Marke No/Faith Studios in der Eifel. Er sieht in Berlin keine Zukunft für sein Label.
Mit seinen 22 Jahren ist Luis Dobbelgarten Gründer und Creative Director der rasant wachsenden Marke No/Faith Studios in der Eifel. Er sieht in Berlin keine Zukunft für sein Label.NO/FAITH STUDIOS

Die Berlin Fashion Week unternimmt schon viel, um Talent aus Deutschland gezielt zu fördern. Davon gibt es auch nicht wenig. Für mich und meine Marke No/Faith Studios ist aber das Umfeld entscheidend. Die Dichte an relevanten Brands ist anderswo einfach höher und so muss ich mich natürlich auch positionieren. Wir wachsen wahnsinnig schnell und mit uns das Niveau der Marke selbst.“

Luis Dobbelgarten

Die Strickdesignerin <strong>Claudia Skoda</strong>&nbsp; ist international als Ikone der Berliner Underground-Szene bekannt. Mit enger Anbindung an die Kunst- und Musikszene zeigte sie Fashionshows unter anderem in New York.
Die Strickdesignerin Claudia Skoda ist international als Ikone der Berliner Underground-Szene bekannt. Mit enger Anbindung an die Kunst- und Musikszene zeigte sie Fashionshows unter anderem in New York.Berliner Zeitung/Paulus Ponizak

Eigentlich habe ich damit abgeschlossen: Berlin bemüht sich schon seit 40 Jahren, eine Bedeutung in der internationalen Fashion-World zu erlangen. Bisher ist es nicht gelungen. An Talenten fehlt es nicht. Alle großen Städte haben ja eine Fashion Week, Toronto, Tel Aviv, Kopenhagen und so weiter – mit regionaler Bedeutung. Berlin reiht sich da ein. Deutschland steht nun mal für Konfektion und nicht für Mode. Wenn ein Talent aus Berlin herausragen will, muss es nach Paris, London, N.Y., Mailand. Hier wird das nichts.“

Claudia Skoda


<strong>Max Kobosil</strong> ist Gründer und Kreativdirektor der aufstrebenden 44 Label Group – und einer der gefragtesten Techno-DJs der Welt. Er präsentiert seine Kollektionen seit 2021 auf der Milan Fashion Week.
Max Kobosil ist Gründer und Kreativdirektor der aufstrebenden 44 Label Group – und einer der gefragtesten Techno-DJs der Welt. Er präsentiert seine Kollektionen seit 2021 auf der Milan Fashion Week.Nicolò Parsenziani/WWD

Als Neueinsteiger in der Mode zeige ich in Mailand und Paris. Dabei bin ich Berliner. 44 Label Group hat hier ihren Ursprung, positioniert sich aber international. Das Umfeld, das Publikum und eben die internationale Presse, die für mich zählt, ist in den klassischen Modemetropolen. Für den Erfolg meiner Brand richte ich mich also danach.“

Max Kobosil



Der gebürtige Hamburger <strong>Gerrit Jaco</strong><strong>b</strong> hat seinen Master an der renommierten Central Saint Martins University of the Arts in London gemacht. Sein junges, gleichnamiges Label führt er derzeit aus Berlin heraus.
Der gebürtige Hamburger Gerrit Jacob hat seinen Master an der renommierten Central Saint Martins University of the Arts in London gemacht. Sein junges, gleichnamiges Label führt er derzeit aus Berlin heraus.Chris Lensz

Für mich persönlich ist Deutschland kein großer Markt, wodurch eine Berlin Fashion Week, die sich meist nur an deutsche Presse richtet, schon immer unattraktiv war. Was ich mir mehr wünschen würde, ist eine konkrete Unterstützung durch die Stadt und das Fashion Council in Dingen wie Produktion, Vertragsrecht, Image Rights, Cash Flow und so weiter. Deutschland hat viele angesehene Unternehmen, in denen es viel Know-how gibt. Es wäre hilfreich, wenn diese Beziehungen zu uns von der Modekammer gefördert würden, statt sinnlos zu versuchen, aus Berlin eine Modehauptstadt zu machen. Es gibt schon vier internationale Modehauptstädte und meiner Meinung wäre Berlin besser damit bedient, die heimischen Designer dort beim Zeigen und Verkaufen zu unterstützen.“

Gerrit Jacob




Der chinesische Modedesigner <strong>Ximon Lee</strong> lebt zwar in Berlin, präsentiert seine Mode jedoch nicht auf der Berlin Fashion Week. Er wurde 2016, bereits ein Jahr nach der Einführung seines gleichnamigen Labels, in die Forbes „30 Under 30“-Liste aufgenommen.
Der chinesische Modedesigner Ximon Lee lebt zwar in Berlin, präsentiert seine Mode jedoch nicht auf der Berlin Fashion Week. Er wurde 2016, bereits ein Jahr nach der Einführung seines gleichnamigen Labels, in die Forbes „30 Under 30“-Liste aufgenommen.Yan Yufon

Berlin ist mein Zuhause und Berlin ist eine Gemeinschaft, der ich viel Respekt und Inspiration entgegenbringe. Was die Präsentation angeht, habe ich mich für Paris entschieden, weil es ein breites Publikum und eine globale Perspektive bietet. Ich denke jedoch, dass eine andere Form der Veranstaltung in Berlin großartig wäre, um die Gemeinschaft miteinander zu verbinden. Für mich macht es mehr Sinn, eine Party, eine Live-Show oder ein Screening in Berlin zu veranstalten, als eine Laufstegshow.“

Ximon Lee