Modestadt Berlin? Dafür fehlt es an Emotion, Leidenschaft – und Drama
Berlin hat viele Qualitäten, aber als Modestadt kaum eine Chance: Darüber sind sich einige der erfolgreichsten deutschen Modemacher und Nachwuchstalente einig.

Deutschland bringt viele erfolgreiche Modemarken und Fashiondesigner hervor: Lutz Huelle, GmbH, Ottolinger, 032c, die 44 Label Group oder Ximon Lee. Ganz zu schweigen von Berühmtheiten wie Karl Lagerfeld oder Jil Sander. Aber warum gehen nur alle nach Paris oder Mailand?
Wir haben einige der zur Zeit wichtigsten deutschen Modemacher gefragt, weshalb um alles in der Welt sie ihre Mode nicht auf der Berlin Fashion Week präsentieren. Manche wollten dazu schweigen, andere indes waren zu einem Statement bereit.

Die Berliner Fashion Week war für mich von Anfang an eine super Idee – Berlin ist eine der aufregendsten und inspirierenden Städte der Welt, darüber sind sich auch in Paris alle einig. Es ist schade und schwer zu verstehen, dass diese einzigartige Energie sich nie auf die Modewoche übertragen konnte. Eine Erklärung für mich wäre, dass die Mode als kreative Industrie nach wie vor nicht wirklich ernst genommen wird in Deutschland. Man hat Angst vor den kreativen Risiken, im Gegensatz zu London oder Paris. Das Wort ‚Bekleidungsindustrie‘ drückt das ganz gut aus für mich. Es fehlt vielleicht einfach ein bisschen an Emotion, Leidenschaft, Drama, Überraschung oder wie man es auch immer nennen möchte. Das Potenzial ist absolut da in Berlin. Es gibt viele tolle und aufregende Marken und Designer, es muss nur dran geglaubt werden, nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem aus kreativer Sicht.“

Die Berlin Fashion Week unternimmt schon viel, um Talent aus Deutschland gezielt zu fördern. Davon gibt es auch nicht wenig. Für mich und meine Marke No/Faith Studios ist aber das Umfeld entscheidend. Die Dichte an relevanten Brands ist anderswo einfach höher und so muss ich mich natürlich auch positionieren. Wir wachsen wahnsinnig schnell und mit uns das Niveau der Marke selbst.“

Eigentlich habe ich damit abgeschlossen: Berlin bemüht sich schon seit 40 Jahren, eine Bedeutung in der internationalen Fashion-World zu erlangen. Bisher ist es nicht gelungen. An Talenten fehlt es nicht. Alle großen Städte haben ja eine Fashion Week, Toronto, Tel Aviv, Kopenhagen und so weiter – mit regionaler Bedeutung. Berlin reiht sich da ein. Deutschland steht nun mal für Konfektion und nicht für Mode. Wenn ein Talent aus Berlin herausragen will, muss es nach Paris, London, N.Y., Mailand. Hier wird das nichts.“

Als Neueinsteiger in der Mode zeige ich in Mailand und Paris. Dabei bin ich Berliner. 44 Label Group hat hier ihren Ursprung, positioniert sich aber international. Das Umfeld, das Publikum und eben die internationale Presse, die für mich zählt, ist in den klassischen Modemetropolen. Für den Erfolg meiner Brand richte ich mich also danach.“

Für mich persönlich ist Deutschland kein großer Markt, wodurch eine Berlin Fashion Week, die sich meist nur an deutsche Presse richtet, schon immer unattraktiv war. Was ich mir mehr wünschen würde, ist eine konkrete Unterstützung durch die Stadt und das Fashion Council in Dingen wie Produktion, Vertragsrecht, Image Rights, Cash Flow und so weiter. Deutschland hat viele angesehene Unternehmen, in denen es viel Know-how gibt. Es wäre hilfreich, wenn diese Beziehungen zu uns von der Modekammer gefördert würden, statt sinnlos zu versuchen, aus Berlin eine Modehauptstadt zu machen. Es gibt schon vier internationale Modehauptstädte und meiner Meinung wäre Berlin besser damit bedient, die heimischen Designer dort beim Zeigen und Verkaufen zu unterstützen.“

Berlin ist mein Zuhause und Berlin ist eine Gemeinschaft, der ich viel Respekt und Inspiration entgegenbringe. Was die Präsentation angeht, habe ich mich für Paris entschieden, weil es ein breites Publikum und eine globale Perspektive bietet. Ich denke jedoch, dass eine andere Form der Veranstaltung in Berlin großartig wäre, um die Gemeinschaft miteinander zu verbinden. Für mich macht es mehr Sinn, eine Party, eine Live-Show oder ein Screening in Berlin zu veranstalten, als eine Laufstegshow.“