Runterkommen und entschleunigen in Meck-Pomm: Mit dem Trecker über die Dörfer

In Lupendorf in Mecklenburg-Vorpommern kann man alte Trecker ausleihen und mit ihnen über die Dörfer tuckern, ein Ausflug mit Entspannungsgarantie.

Hier noch in vollem Einsatz: Ein Bauer mit seinem Trecker von Porsche (Symbolbild)
Hier noch in vollem Einsatz: Ein Bauer mit seinem Trecker von Porsche (Symbolbild)imago images

Es rattert, es knattert,  es spotzt und es klopft: Der Motor des Treckers ist angesprungen, und sofort hört man ihm sein Alter an. Dann geht es beim nächsten Trecker los: Dieselben Geräusche und doch anders, denn jeder Trecker hat seine eigene Melodie. Und es gibt genug Menschen, die sich für die alten Gefährte begeistern. An einem Sonntag im Juni stehen rund 20 Menschen vor der alten Scheune von Oliver Knittel in Lupendorf, einem kleinen Ort südlich des Malchiner Sees in der Mecklenburgischen Schweiz. Die Trecker sind fotogen aufgereiht auf dem grünen Rasen unter schattenspendenden Bäumen, alle sonntäglich herausgeputzt und vollgetankt. Um zehn Uhr fängt das „Check-in“ an, wobei sich immer zwei bis drei Personen einen Trecker teilen.

Da ist der hellgrüne Normag NG16 mit knallroten Radkappen, Baujahr 1952. Der Eicher Leopard aus dem Jahr 1962 daneben ist türkisfarben und fast grazil im Design. Es ist ein Diesel-Direkteinspritzer und luftgekühlt, ganze 15 PS schafft sein Motor. Im Gegensatz zu ähnlichen Traktoren dieser Zeit startet dieser Einzylinder sofort, ohne Vorglühen. Sogar zwei Porsche sind in der Flotte: Die Firma baute in den 1960er-Jahren auch Traktoren, sie haben die Typbezeichnung Porsche Diesel Junior 109.

Rotnasen treffen auf Haifischmäuler

Der Porsche-Traktor steht bei Sammlern hoch im Kurs, denn die Porsche-Traktoren, „Rotnasen“ genannt, wurden nur in kleiner Stückzahl produziert. Wesentlich massiver kommt der Traktor Güldner ADN-8 daher, deshalb auch „Haifischmaul“ genannt. Der Spitzname rührt von der markanten Kühlerverkleidung her, die tatsächlich an das Maul eines Hais erinnert. Der Güldner stammt aus dem Jahr 1957, von ihm wurden nur 7827 Exemplare hergestellt.

Alle Trecker lassen sich auf der Internetseite von treckerausflug.com ansehen und auch gleich reservieren. Es sind alles westdeutsche Fabrikate, die für relativ kleine Landwirtschaften gebaut wurden. „Die DDR hatte nur eine geringe Produktion von eigenen Traktoren, wie etwa den IFA Pionier, die Brockenhexe und den Famulus“, erzählt Knittel. In der DDR gab ab Mitte der 60er-Jahre nur einen einzigen Traktorenhersteller, das VEB Traktoren- und Dieselmotorenwerk Schönebeck, das 7300 Angestellte beschäftigte. Trotzdem konnte der Bedarf für die DDR nicht gedeckt werden. „Oft waren auf den riesigen Feldern Traktoren aus der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und anderen Ländern im Einsatz“, erzählt Knittel.

Pittoresk: Schloss Basedow ist Teil der Treckertour und sicherlich einen Besuch wert.
Pittoresk: Schloss Basedow ist Teil der Treckertour und sicherlich einen Besuch wert.imago images

Knittel bietet die Treckervermietung in zwei Varianten an: Die vierstündige Treckertour kostet 155 Euro (für bis zu drei Personen), die achtstündige Tour kostet 175 Euro, ebenfalls für bis zu drei Personen. Eine oder einer ist der Fahrer, die beiden anderen können auf den gepolsterten Sitzen auf dem Kotflügel Platz nehmen. Manche der Trecker haben aber eine Schaufel, die sich hydraulisch hoch und runter bewegen lässt. Sie wurde früher von den Bauern zum Steinesammeln auf den Feldern benutzt, heute werfen die Treckertouristen ihre Rucksäcke hinein.

Alte Trecker sammelte Knittel, der Maschinenbau studierte, schon, als er noch in Berlin lebte. Dort standen sie aber die meiste Zeit in der Garage und verstaubten. Irgendwann kam ihm dann, so erzählt er es, die Idee, sie in ihrer „natürlichen Umgebung“ fahren zu lassen. 2015 kaufte er einen alten, verfallenen Hof in Lupendorf, sanierte ihn aufwendig und machte die große Scheune zur Garage, die jetzt mehr als ein Dutzend historische Trecker beherbergt.

Päuschen auf dem Feld in Mecklenburg-Vorpommern
Päuschen auf dem Feld in Mecklenburg-Vorpommerntreckerausflug.de

„Die Treckervermietung ist etwas für Liebhaber“, kommt es warnend aus seinem Mund. Ersatzteile seien sehr teuer und schwer zu beschaffen, und wenn täglich Menschen mit den Treckern fahren, die wenig Ahnung davon haben, werden die Maschinen sehr strapaziert. Doch über Kundenmangel kann sich Knittel, der neuerdings auch ein Oldtimer-Mercedes-Cabrio vermietet, nicht beschweren. „Relativ oft kommen Landwirte, die früher selber solch einen Traktor gefahren haben, um nostalgische Gefühle auszuleben“, erzählt er. Und natürlich Großstadtbewohner, die das „heile Dorfleben anno dazumal“ erfahren möchten. So eine Fahrt mit dem Trecker ist eine Entschleunigung, eine Landpartie mit Anti-Stress-Garantie.

Schlössertour mit Höhepunkt

Die Route für die Tour ist vorgegeben, man fährt sozusagen von Schloss zu Schloss. Höhepunkt ist Schloss Basedow, ein in dieser menschenleeren Landschaft riesiges Gemäuer, gestaltet im 18. Jahrhundert von Friedrich August Stüler. Mit seinen vielen Flügeln, Türmchen, Erkern und Terrakotta-Medaillons an der Fassade können sich Touristen oft schwer entscheiden, was sie für Instagram ablichten – das Schloss oder die blank polierten Trecker, die auf dem Kopfsteinpflaster davor abgestellt sind.

Für die Einweisung in die technischen Finessen des Treckers nimmt Knittel sich ausreichend Zeit. „Das Schwierigste ist das Ausparken und die Ausfahrt aus dem Hof“, sagt er mehrmals. Dabei würden die meisten Unfälle passieren. Der Einfachheit halber übernimmt er bei jedem der zehn Trecker diese Fahrt und parkt alle in einer Schlange. 30 Meter Mindestabstand sollte man bei der Fahrt immer halten, denn eine Bremse bei solch einem Oldie funktioniert nicht so rapide wie bei einem modernen Auto.

Mit 15 Km/h immer der Sonne entgegen.
Mit 15 Km/h immer der Sonne entgegen.treckerausflug.de

Das Armaturenbrett ist sehr übersichtlich. Es gibt einen Schlüssel, der allerdings kein Zündschlüssel ist, den Knopf zum Vorglühen, Tachometer, das bis 25 km/h geht, und Bremspedal, Gaspedal und Kupplung. Und noch ein Handgas, das mit dem Gaspedal verbunden ist und dessen Bedienung Fingerspitzengefühl erfordert. Genau wie das Vorglühen, wobei der Fahrer oder die Fahrerin abschätzen muss, wann genug „geglüht“ ist.

„Gangschaltung nur im Stand schalten, am besten aber gar nicht“, ruft Knittel bei der Einweisung. Die Tour ist nur wenig hügelig, deshalb rät der Verleiher, immer im fünften Gang zu fahren. Auch beim Anfahren!

Der Fahrer darf nicht mehr als 120 Kilogramm wiegen

Dann setzt sich die Kolonne in Bewegung, mehr als 10 km/h sollte man den alten Arbeitstieren nicht zumuten. So bleibt viel Zeit, um über die grünen Felder zu schauen oder Dorfbewohnern zuzuwinken, die gerade aus dem Hühnerstall kommen. Lupendorf ist noch sehr ländlich, in Schwinkendorf gibt es sogar noch einen Tante-Emma-Laden.

Im nächsten Dorf, in Liepen, haben zwei Treckerfahrer den Anschluss verpasst und rätseln an der Kreuzung, ob die Tour nach links oder rechts weitergeht. Das sollte allerdings die größte Panne des Tages werden, der Rest der Tour verläuft nach Plan. In Basedow ist Zeit für ein Mittagessen, hier gibt es zwei Restaurants. Und sogar eine waschechte Diskothek namens Kleiner Lord, gelegen in einem alten Pferdestall.

Nach der Mittagsrast zuckelt die Kolonne weiter zum Schloss Ulrichshusen, malerisch in eine riesige Parkanlage eingebettet und von einem Schlossgraben umgeben. Ulrichshusen wurde zum Leben erweckt von Alla und Helmuth von Maltzahn, bekannt ist das Schloss als Austragungsort der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. In den späten Jahren der DDR war das Schloss nahe dem Verfall, bis Familie von Maltzahn nach dem Mauerfall die Ruine kaufte und mit Fördergeldern piekfein restaurierte und ein schickes Restaurant in den Pferdestall baute. Ulrichshusen ist vorgesehen für die Kaffeepause am Nachmittag, danach heißt es für die Treckerfahrer und -fahrerinnen: aufsatteln für die letzte Etappe zurück zur Scheune!

Zwei Gäste musste Knittel übrigens an diesem Tag abweisen: Personen, die mehr als 120 Kilogramm wiegen, dürfen die Trecker nicht fahren. „Damals, zur Bauzeit dieser Trecker, waren die Menschen ja im allgemeinen kleiner und leichter als heute. Und für Schwergewichtige sind diese kleinen Trecker nicht ausgelegt, die würden bei einer längeren Fahrt Schaden nehmen“, gibt Knittel zur Auskunft. Das ist auch in den AGB festgehalten: Der Fahrer darf nicht mehr als 120 Kilogramm wiegen, der Beifahrer nicht mehr als 80 Kilogramm.