Slim, slimmer, Slimane: Trotz aller Kritik ist Hedi Slimane ein Superstar

Hedi Slimane wird oft vorgeworfen, er mache immer das Gleiche – ob für Saint Laurent, Dior oder Celine. Dabei bleibt er doch nur seiner (schmalen) Linie treu.

Typischer Look: Celine-Kreativdirektor Hedi Slimane in enger Jeans, gestreiftem Shirt und Biker-Jacke. 
Typischer Look: Celine-Kreativdirektor Hedi Slimane in enger Jeans, gestreiftem Shirt und Biker-Jacke. Y.R.

„Manche sind sich ihrer Sache sehr früh sicher“, dachte ich, als ich im Frühjahr 1993 bei einem Presseempfang in der berühmten Pariser PR-Agentur von Jean Jacques Picart das erste Mal dem Designer Hedi Slimane begegnete. Ich erinnere mich noch an seine schmale, fast dürre Erscheinung, als er schüchtern seinen Kopf zur Tür reinsteckte. Ein Eindruck, der immer bleiben wird, auch nachdem er eine in der schnelllebigen Modebranche schon knapp drei Jahrzehnte andauernde Karriere hingelegt hat. Nach dem Journalismus-Studium und einem Model-Scouting-Job bei dem Designer José Levy war er in der Agentur von Picart als Praktikant gelandet. Picart, der immer ein Auge für große Talente hatte, wusste sofort, was in Slimane steckt.

In dem Gespräch, das wir damals führten, lehnte er es bereits strikt ab, eines Tages eine eigene Marke zu gründen. Der 1968 in Paris geborene Sohn einer Italienerin und eines Tunesiers wollte lieber für andere Labels arbeiten. Wie Karl Lagerfeld, dessen Protegé er später wurde, war Slimane nie auf einer Modeschule gewesen. Anders als Lagerfeld jedoch interessierte sich Slimane zunächst vor allem für die Männermode. Dabei ist er weniger Designer, sondern eher ein Stylist, der Elemente aus den Jugendkulturen der 50er-Jahre, College-Look, amerikanische Basics und messerscharfe französische Schnitte zusammenführt. So kreierte er seinen ganz eigenen Hedi-Stil. Einen Size-Zero-Stil, der, vorwiegend in Schwarz, sofort auch die Kleiderschränke der Frauen eroberte.

Hedi Slimane wurde Kreativchef bei Saint Laurent, dann bei Dior Homme

Etwas, das Ende der 90er-Jahre total neu war und nach Tom Fords sexy „Studio 54“-Linie für Gucci noch mal radikaler, jünger und neuartiger erschien. Seine ersten Kollektionen als Kreativchef für die Männerlinie des in die Jahre gekommenen und leicht veraltet wirkenden Hauses Yves Saint Laurent zeigten Niemalsdagewesenes und ließen ihn schnell zum jugendlichen Superstar der schmalen Silhouette werden. Sein bisher größtes Verdienst: Er holte die Slim Jeans nach jahrzehntelanger Abstinenz aus der Versenkung. Die Pause nach dem Verkauf von Yves Saint Laurents Haus nutze er, um  sich in Berlin der Fotografie, Musik und multikulturellen Projekten wie Buchveröffentlichungen zu widmen.

Der Eintritt bei Dior als Design-Kopf für die Männerkollektionen festigte seinen Stil nicht nur, sondern brachte ihm auch die ersten Kritiken. Nach der Model-Magersucht-Debatte und einer anscheinend immer gleichen Zielgruppe wurde der Vorwurf laut, er würde stets dasselbe machen. Aber kann man es nicht auch anders sehen? Nämlich: Slimane ist immer Slimane. Er passt sich keiner Marke an, sondern die Marke wird „slimanisiert“. Seine Codes funktionieren durch ihre Zeitlosigkeit und durch ihre Hommage an die Jugendkulturen. Auch nachdem er zu Saint Laurent zurückgekehrt war und 2012 auch für die Damenkollektionen verantwortlich zeichnete, schnellten die Umsätze in die Höhe. Er, der seine Person immer in den Hintergrund stellt, wirkt durch seinen Spirit, der an jedem Teil ablesbar ist. Seine Grundlinie verändert er nie. Auch das Verlassen der Kering-Marke Saint Laurent und der Eintritt bei Céline 2018 in den Gegenspieler-Konzern LVMH funktionierte ganz nach seinem Rezept.

Hedi Slimane hat die ewige Jugend gepachtet (ohne das negativ zu meinen) – deswegen vermochte er es, jede Generation mit seiner Arbeit aufs Neue einzufangen. Sein Werk durchzieht eine Modernität, die stets nur ganz weniger, behutsamer Veränderungen und Anpassungen bedurfte, denn eine sexy wirkenden Silhouette ist über jeden Trend erhaben. Scharfe Klassik, ohne das Risiko einer eigenen Marke, die sich vielleicht schon in Wohlgefallen aufgelöst hätte. Und ganz nebenbei geht Hedi Slimane auch seiner Leidenschaft als Fotograf nach. Für Céline fotografiert er seine Kampagnen selbst, neben anderen Projekten. Auch hier gibt es eine Linie, die sich nie verwischt: Alle Fotos sind stets schwarz-weiß.

Bilder aus einer von Hedi Slimane fotografierten Serie anlässlich seines 50. Geburtstages, den er 2018 im Le Palace in Paris feierte:

Die Models Grace Hartzel und Helena Severin auf dem Teppich des ikonischen Pariser Clubs „Le Palace“.
Die Models Grace Hartzel und Helena Severin auf dem Teppich des ikonischen Pariser Clubs „Le Palace“.Courtesy of Hedi Slimane
Von links: der Musiker Lauren Auder, Armand Penicaut von der Band Papooz und Lewis Lazar von den Oracle Sisters.
Von links: der Musiker Lauren Auder, Armand Penicaut von der Band Papooz und Lewis Lazar von den Oracle Sisters.Courtesy of Hedi Slimane
Hier posiert Marlon Magnée von der Band La Femme.
Hier posiert Marlon Magnée von der Band La Femme.Courtesy of Hedi Slimane
Stilleben: Tablett mit Sektgläsern auf einem Schlagzeug.
Stilleben: Tablett mit Sektgläsern auf einem Schlagzeug.Courtesy of Hedi Slimane
Model oder Gast? Wir wissen nur: Ihr Name war Marion.
Model oder Gast? Wir wissen nur: Ihr Name war Marion.Courtesy of Hedi Slimane