Stilkritik der Woche: Dschungel-Königin Djamila Rowe hat das Zeug zur Stilikone

Die Lippen zu üppig, die Kleider zu eng? Sei’s drum, Deutschlands neue Dschungel-Königin Djamila Rowe sollte einigen als Vorbild dienen.

So sehen Sieger aus: Mit Rowes Optik hatte die Wahl zur Dschungelkönigin aber nichts zu tun.
So sehen Sieger aus: Mit Rowes Optik hatte die Wahl zur Dschungelkönigin aber nichts zu tun.RTL

Deutschland hat wieder eine Dschungelkönigin. Und darüber darf man sich ruhig ein bisschen freuen. Denn mit Djamila Rowe ziehen im australischen Dickicht nun sozusagen die weiblichen mit den männlichen Siegesmächten gleich: Nach 16 Staffeln „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ gibt es seit dem gestrigen Abend acht Könige und acht Königinnen – wenigsten im Dschungel klappt’s also mit der paritätischen Besetzung.

Rowe nun als emanzipatorische Gallionsfigur aus der Trash-Kiste hervorzukramen, wäre wohl trotzdem ein wenig euphemistisch. Ist die Berlinerin doch für mächtig aufgesexte Engagements bei allerlei Trash-TV-Formaten bekannt; auch der Pornomesse Venus lieh Djamila Rowe immer mal wieder ihr schmollmundiges Werbegesicht.

Und dennoch kann sich der Beobachter einer aufbauenden Erkenntnis des gestrigen Dschungel-Finalabends kaum erwehren: Selbst bei einer Djamila Rowe, die ja sichtlich viel Zeit, Geld und Risiko in ihr Erscheinungsbild investiert, war am Ende eben nicht das Aussehen entscheidend. Die Frau wurde aus Sympathie zur Dschungelkönigin gewählt – wegen ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit, ihrem trockenen Witz, einer gehörigen Portion Selbstironie.

Immerhin bleibt sie sich treu: Tiefe Ausschnitte sind Rowes Markenzeichen.
Immerhin bleibt sie sich treu: Tiefe Ausschnitte sind Rowes Markenzeichen.Imago

Ja, sie habe es mit den Hyaluron-Fillern gut und gerne übertrieben, flötete sie im Dschungelcamp, „zwischenzeitlich konnte ich auf meinen aufgespritzten Wangen eine Tasse Kaffee abstellen.“ Eine Lust auf, womöglich eine Sucht nach Schönheitsoperationen, für die sie spätestens in ihrer finalen Dschungelprüfung bitter bezahlen musste. Rowe hatte ihren Kopf in einen Wassertank mit Krabbeltieren stecken sollen, das Mundstück eines Atemschlauchs wollte aber nicht so richtig halten zwischen den üppigen Lippen. „Das konnte ich gar nicht richtig umschließen“, stellte sie später dröge fest, „da ist ja gar kein Gefühl mehr drin, is‘ ja alles totes Material.“

Was hat Jean-Jacques Rousseau mit Djamila Rowe zu tun?

Im übertragenen Sinn, aufs Charakterliche übertragen nämlich, darf durchaus als guter Stil bezeichnet werden, wenn jemand über sich selber lachen kann. Wenngleich Djamila Rowe Schlauchbootlippen-abwärts stets doch eher auf ernst macht: Es sind zu kurze, zu enge, zu tief ausgeschnittene Minikleider, in die sich die frisch Gekrönte gerne zwängt. Mal in schwarz, mal in weiß, oft in schreienden Knallbonbonfarben. Immerhin: Eine gewisse Stringenz lässt dieser Modestil erkennen.

Es darf ein bisschen mehr sein: Rowes Stil ist nichts für schwache Nerven.
Es darf ein bisschen mehr sein: Rowes Stil ist nichts für schwache Nerven.Imago

Aber ist das eigentlich interessant, was eine Djamila Rowe trägt? Ist die Garderobe einer Reality-Darstellerin einer näheren Betrachtung überhaupt wert? Es wäre töricht, zu glauben, dass nicht auch das Trash-TV einen Einfluss auf den gesamtgesellschaftlichen Modegeschmack hätte. Das hat selbst die Wissenschaftlerin Ingrid Loschek vor Jahren schon erkannt. Zumindest geringfügig, so schrieb sie 2007 in „Wann ist Mode?“, einem Standardwerk der Modetheorie, habe das Reality-TV die Grenzen zwischen der privaten und der öffentlichen Mode verwischt. Dass zum Beispiel Jogginghosen und Schlappen heute auf der Straße getragen würden, so ihre Theorie, hänge auch mit dem erstarken voyeuristischer Fernsehformate zusammen, die die Privatsphäre zum öffentlichen Gut verklären.

„Zu einem geringen Teil wird die ‚private Raum-Kleidung‘ durch ‚Container-TV‘ zur öffentlichen Kleidung, doch wird hier die ‚abgefuckte‘ Schlabberkleidung als ‚Natürlichkeit‘ (…) und damit auch als ‚natürliche Erotik‘ inszeniert“, schrieb Loschek – „bis hin zum Rousseauschen Anspruch ‚Zurück zur Natur‘, das heißt in den ‚Urwald-Container‘“. Nun ja, Jean-Jacques Rousseau möchte man für eine Stilkritik an Djamila Rowe nun wirklich nicht bequemen.

Eine Erkenntnis aber bleibt interessant: Durchs Trash-TV kann jede und jeder irgendwie zum Vorbild werden – manchmal durch aufregende Mode, andere Male durch einen attraktiven Charakter. Hoffen wir nun, dass in Bezug auf Deutschlands neue Dschungelkönigin eher Zweiteres stilgebend wirkt. Denn zu enge, zu kurze Kleider mögen Geschmackssache sein - aber ein starker Charakter ist eine Frage des guten Stils.