Mr. Talleys Nachlass: Koffer von Louis Vuitton und Lagerfeld-Zeichnungen

André Leon Talley war der erste schwarze Kreativdirektor der amerikanischen Vogue. Nun wird sein Nachlass bei Christie’s für einen guten Zweck versteigert.

André Leon Talley und Anna Wintour 2007 bei einer Modenschau. Ein Kamerateam begleitete die beiden damals für die Doku „The September Issue“ (Regie: R.J. Cutler, 2009).
André Leon Talley und Anna Wintour 2007 bei einer Modenschau. Ein Kamerateam begleitete die beiden damals für die Doku „The September Issue“ (Regie: R.J. Cutler, 2009).Mary Evans/AF Archive/Roadside Attractions/Imago

Als ich einmal für das ARD-Frühstücksfernsehen von den Haute-Couture-Schauen in Paris berichtete, half mir ein ganz besonderer Mann aus der Verlegenheit. Es war im Jahr 2001, und wir wollten die Vorbereitungen hinter den Kulissen live übertragen. Unglücklicherweise begannen die Übertragungen um 5 Uhr morgens, und sämtliche Modedesigner, Presseleute oder Kreativen waren nicht verfügbar. „Zu früh“, hagelte es eine Absage nach der anderen.

Als ich den großen amerikanischen Moderedakteur André Leon Talley in letzter Minute anrief, zögerte er mit seiner Zusage nicht eine Sekunde. Er hätte zwar einen vollen Terminkalender, wäre aber noch auf New Yorker Zeit, weil er gerade von dort eingeflogen sei. Im Tiroler Trachtenanzug, maßgefertigt in der Savile Row, stieg er in die morgendliche Metro und absolvierte das Interview auf den Champs Élysées mit mir im Morgengrauen. Der harte Fels von einem Mann war ein eloquenter Gesprächspartner, ohne Murren ob der frühen Stunde. 

André Leon Talley, ein Mann von Format

Der vor einem Jahr, am 18. Januar 2022, verstorbene André Leon Talley war schon zu Lebzeiten eine Ikone des Modejournalismus. Als erster Schwarzer, der den Titel des „Creative Director“ der US-Vogue innehatte, hatte Mr. Talley einen seltenen Status in der Modebranche. Eigentlich war er nicht greifbar, weil er kein klassisch produzierender Fashion Editor war, obwohl er Vogue-Cover stylte und Texte schrieb. Auch seine Auftritte in der Öffentlichkeit, die allein schon durch seine Größe von über zwei Meter meist recht laut und amerikanisch wirkten, zeigten kaum seinen wahren Charakter.

Diven unter sich: Renée Zellweger und André Leon Talley bei der Met-Gala 2004 in New York. 
Diven unter sich: Renée Zellweger und André Leon Talley bei der Met-Gala 2004 in New York. Matthew Peyton/Everett Collection/Imago

Die 2021 erschienene Autobiografie „The Chiffon Trenches“ spiegelte neben seinen Erlebnissen als Fashion Editor und Muse von Modeschöpfern wie Yves Saint Laurent oder Karl Lagerfeld erstmalig auch seine fragilen Seiten wider. Er beschreibt darin seinen Aufstieg in einer Welt, in der Schwarze Models erst Ende der 60er-Jahre und nur vereinzelt in Modemagazinen vorkamen. Auch die Redaktionen waren von Weißen bestimmt. Die Steine, die ihm in den Weg gelegt wurden, räumte Talley durch Mut und Kreativität weg – wenn er dabei als Person auch oft umstritten war. Doch trotz seiner körperlichen Präsenz und seines oft verstörend forschen Auftretens war er kein Schaumschläger. Fleiß und Disziplin dominierten sein Leben, gepaart mit einem Spürsinn für den Zeitgeist und einer großen Leidenschaft für die Schönheit. 

Talleys Modesammlung gibt es im Februar bei Christie’s

Während seiner über 50-jährigen Karriere sammelte sich bei Mr. Talley ein beträchtlicher Fashion-Fundus an, von Haute Couture über Handtaschen bis hin zu Schmuck. Unter den Objekten, in denen sich die Mode mit der bildenden Kunst, der Literatur oder Innenarchitektur verquickt, sind Zeichnungen von Karl Lagerfeld, mit Talleys Namen versehene Louis-Vuitton-Koffer und Hermès-Taschen, seine legendären Kreissägen-Hüte und weiten Kimonoroben sowie signierte Fotos großer Fotografen.

Insgesamt 68 dieser Kostbarkeiten kommen nun am 15. Februar bei Christie’s als „The Collection of André Leon Talley“ für gute Zwecke unter den Hammer. Mitgesteigert werden kann vor Ort in New York oder online. Der Erlös kommt der Abyssinian Baptist Church in der Stadt New York und der Mt. Sinai Missionary Baptist Church in Durham zugute, die der legendäre Mode-Mann beide zu Lebzeiten unterstützt hat.