Noch immer geben sich die Stars im Hotel Zoo Berlin die Klinke in die Hand. Beziehungsweise: Schreiten reihenweise durch die elektrischen Schiebetüren. Brad Pitt, Bruce Willis und Kate Hudson, Tom Holland, Orlando Bloom und Tilda Swinton, Robert Pattinson, Mark Wahlberg: Alle schon mal da gewesen – ob für den mehrtägigen Aufenthalt im Boutique Hotel oder für ein Dinner im integrierten Grace Restaurant. Der Service ist großartig, die Ausstattung kunstvoll und kreativ, das cremig aufgeschlagene Rührei zum Frühstück ein Gedicht. Und: „Als erste Adresse für berühmte Berlingäste hat unser Hotel ohnehin eine lange Tradition“, wie Karolin Brückner sagt.
Brückner ist Hauptgeschäftsführerin des Hotels und kennt mithin all die glänzenden Promi-Anekdoten ihres Hauses, die von früher, die von heute. Schon Jahrzehnte bevor das Hotel 2005 von seinen jetzigen Besitzern übernommen und zwischen 2012 und 2014 eingehend renoviert und modernisiert wurde, war es als „erstes Haus am Platz“ Anlaufpunkt für zahllose Gäste aus Film und Fernsehen, Poesie und Politik. „Erich Kästner und Thomas Mann sind hier gewesen, auch Helmut Kohl und Helmut Schmidt, Konrad Adenauer, der ein privates Frühstück auf seinem Zimmer dem im Speiseraum vorgezogen haben soll“, erzählt Brückner. „In einem unserer Konferenzzimmer wurde sogar die Einführung der D-Mark beschlossen.“
Meistgelesene Artikel

Und dann waren da ja noch die Filmfestspiele. Dessen Hauptspielstätte war vor dem Cinemaxx am Potsdamer Platz viele Jahre das Kino Zoo Palast gewesen, nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt. Im erst fünften Jahr der Berlinale war das Hotel Zoo Berlin 1955 offizieller Partner des Filmpreises, beherbergte Gina Lollobrigida, Zarah Leander, Grace Kelly. Und Romy Schneider, wie ein kurzes Schwarzweiß-Video beweist: In dem Clip erklimmt ein Bäcker die schmuckvolle Fassade des Hauses, zieht sich am O des Hotel-Schriftzuges hoch und überreicht der Schauspielerin eine Bretzel. Es ist das Zimmer Nummer 410, an dessen Fenster die junge Romy damals nebst ihrer ebenso schauspielernden Mutter Magda Schneider steht, eine heute luxuriös ausgestattete Suite mit urbanem Ambiente und offen gestaltetem Badezimmer. Wenige Jahre später lebt Romy Schneider auch dauerhaft in der Stadt – eine wirkliche Berliner Ikone ist sie trotzdem nie geworden.

„Zum einen ist Romy Schneider eben nicht in Berlin geboren, wie Marlene Dietrich oder Hildegard Knef“, sagt Ariane Rykov. „Und zum anderen ist sie hier generell nur wenig öffentlich gewesen, sie hat die Stadt auch nie besungen wie die anderen beiden.“ Rykov ist Vorstandsmitglied des Institut Romy Schneider Archiv und Museum e.V., der das Andenken an die 1938 in Wien geborene Schauspielerin wahren will und überdies einen entsprechenden Ausstellungsort im Brandenburgischen Felixsee betreibt. In West-Berlin, so Rykov, sei Romy Schneider endlich nicht mehr nur die Schauspielerin gewesen, der Star des deutschen Heimatfilms, die pausbäckige Sissi mit adrett zurechtgeleckter Lockenfrisur und bravem Kleinmädchen-Lächeln. „In Berlin hat Romy Schneider ihre glücklichsten Jahre verbracht – eben weil sie hier privat sein konnte.“

Für Engagements und Dreharbeiten war Schneider schon öfter in West-Berlin gewesen; auch die Probeaufnahmen für ihren ersten Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ führten sie 1953 in die Stadt – „Romy, das hast du fein gemacht“, soll Regisseur Hans Deppe der damals 15-Jährigen nach nur zehn Minuten versichert haben. Aber tatsächlich war es erst das private Glück, das Schneider auch dauerhaft hierherbrachte. Bei der Eröffnung des Europa-Centers in der Tauentzienstraße, in dem auch Schneiders Stiefvater Hans Herbert Blatzheim mehrere Restaurants betrieb, lernte Romy Schneider 1965 den Theaterregisseur Harry Meyen kennen – kaum ein Jahr später heirateten die beiden.
Rund 60 Filme drehte Schneider in nur 28 Jahren Schaffensphase
Dementsprechend macht Martin Sauter mit seinen Gruppen stets vor dem Europa-Center Halt, gelegentlich auch vor dem nahen Hotel Zoo Berlin: Der Stadtführer bietet Berlin-Touren unterschiedlichster Couleur an; Geschichts-Touren, Architektur-Touren, Promi-Touren, Zweiter Weltkrieg, Deutsche Teilung, Marlene Dietrich, David Bowie – und eben Romy Schneider. „Die wird allerdings sehr selten gebucht“, sagt Sauter – „leider.“ Er selbst ist von Schneider schwer begeistert, hat Europäische Filmwissenschaften studiert, ist bestens vertraut mit den rund 60 Filmen, die die Schauspielerin in ihrer nur 28 Jahre dauernden Schaffensphase gedreht hat. Dass seine Romy-Tour trotz dieser imposanten Karriere und Schneiders tiefer Beziehung zu Berlin relativ unpopulär ist, erklärt sich auch Martin Sauter damit, dass die Schauspielerin nie mit Berlin in Verbindung gebracht wird – dass sie in den zwei Jahren, in denen sie in der Stadt gelebt hat, nicht das Rampenlicht, sondern die Ruhe gesucht hat.

Das zeigt ja auch ein weiterer Stopp auf Sauters Romy-Route, das nächste Hotel: Seine Gruppen leitet der Stadtführer immer zum Savoy in der Fasanenstraße, das derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist und in dem Schneider früher oft nächtigte. „Vor einigen Jahren zeigte mir der Concierge mal das Gästebuch mit einem interessanten Eintrag“, erzählt Sauter und holt sein Smartphone aus der Hosentasche hervor: „Gott sei Dank ruhig“, ist auf der abfotografierten Gästebuchseite zu lesen, unterschrieben von Romy Schneider. Schon einige Jahre bevor sie in die Stadt gezogen war, schlussfolgert Sauter, habe sie sich offenbar in der ruhigeren Seitenstraße des Kudamms besonders wohlgefühlt. Genau wie im Grunewald, wo sie Jahre später mit ihrem Mann Harry Meyen eine Vierzimmerwohnung bezog.

Sie sollte der Dreh- und Angelpunkt dieser schönen, dieser glücklichsten Jahren Romy Schneiders werden, von denen heute in vielen Artikeln, Büchern und Biografien zu lesen ist. Mit Harry Meyen und dem gemeinsamen Sohn David, der 1966 im Berliner Virchow-Klinikum zur Welt gekommen war, verbrachte sie hier zwei beschauliche Jahre; „Trautes Heim, Glück allein“, sagt Martin Sauter. Ihren Sohn, der mit 14 Jahren bei einem tragischen Unfall starb, soll Romy Schneider abgöttisch geliebt haben; oft war sie mit dem Kinderwagen beim Spaziergang am Dianasee gesehen worden, nur wenige Meter von der Familienwohnung entfernt.

„Aber nach Filmstar sieht das ja nun wirklich nicht aus“, kommentiert Sauter später, angekommen vor dem schlichten weißen Mehrfamilienhaus in der Winkler Straße 22. Eine der umliegenden Gründerzeit-Villen, ein riesiges Haus mit riesigem Garten – „das hätte auch gar nicht zu Romy Schneider gepasst“, meint er. Sie habe sich „aus solchen Dingen“ nur wenig gemacht, sei nicht für einen flamboyanten Stil bekannt gewesen, selbst ihre zweite Hochzeit in einem nahen Hotel sei verhältnismäßig bescheiden ausgefallen. Nachdem Schneiders Ehe mit Harry Meyen in die Brüche gegangen war, kehrte die Schauspielerin, die mittlerweile in Frankreich lebte, abermals nach Berlin zurück: Im heutigen Schlosshotel Berlin in der Brahmsstraße heiratete sie 1975 ihren deutlich jüngeren Privatsekretär Daniel Biasini, mit dem sie zwei Jahre später ihr zweites Kind bekommt, eine Tochter, Sarah Biasini. „Diese Berliner Hochzeit war aber keine rauschende Ballnacht, eher eine Formalität mit wenigen Gästen“, erzählt Martin Sauter, der seine Tour-Gruppen natürlich trotzdem gern vor den imposanten Hotelbau führt.
Eine Gedenktafel für Romy Schneider gibt es in der Stadt nicht
Die aber, Sauters Romy-begeisterte Gäste, interessierten sich vor allem für das ehemalige Wohnhaus der Schauspielerin. Sie stellten Fragen, wie es in der Vierzimmerwohnung wohl ausgesehen haben mag, machten Fotos, von dem Haus, von sich selbst vor dem Haus, von der Hausnummer. Dass es hier keinen richtigen Hinweis auf Romy Schneider gibt, den Fans gleich noch mitfotografieren könnten, eine Plakette, eine Gedenktafel, das kann Martin Sauter nicht verstehen. „Ich habe in Berlin schon Tafeln für Leute gesehen, die viel weniger bekannt waren“, sagt er. Bisher aber macht der zuständige Berliner Senat keine Anstalten, abgesehen von der recht kurzen Romy-Schneider-Straße in Haselhorst, irgendwo in der Stadt offiziell an die Schauspielerin zu erinnern.

Das stört auch Ariane Rykov vom Romy Schneider Archiv und Museum. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern ihres Vereins habe sie just in diesem Jahr einen entsprechenden Antrag an die Stadt gestellt, dem allerdings nicht stattgegeben wurde. „Dabei“, so Rykov, „hat sich Romy Schneider hier später auch sozial engagiert.“ 1976 war sie an der Gründung des Schutzkomitees Freiheit und Sozialismus in der Berliner Universität der Künste beteiligt, in dem sich viele weitere prominente Mitglieder wie Heinrich Böll oder Otto Schily engagierten. Die Organisation setzte sich unter anderem für die Freilassung von politischen Häftlingen und inhaftierten Intellektuellen in der DDR ein.

Schnell wurde das Schutzkomitee von der Staatssicherheit in Ost-Berlin als Feindorganisation eingestuft – auch über Romy Schneider wurde eine umfassende Stasi-Akte angelegt, die heute im Romy Schneider Museum in Felixsee zur Besichtigung bereitliegt. Bis zu ihrem Tod durch Herzversagen im Mai 1982 wurden systematisch Informationen über die Schauspielerin gesammelt; die Staatssicherheit ordnete sie als „negativ-feindliche Person“ ein, die das Komitee nicht nur finanziell unterstützte, sondern mit dem Künstlerpaar Yves Montand und Simone Signoret auch „weitere korrespondierende Mitglieder“ von der Arbeit der Organisation überzeugte. „Dass sich Romy Schneider in einem Berliner Komitee organisierte, das Menschen geholfen und Künstler gefördert hat, ist heute kaum noch bekannt“, sagt Ariane Rykov.

Rykovs Verein jedenfalls hat eine ganz eigene Reaktion auf die Absage des Senats an eine Romy-Schneider-Gedenktafel in Berlin gefunden: Er lässt kurzerhand vor dem eigenen Museum in Felixsee eine Statue aufbauen – ein Abbild, das die Schauspielerin ausgerechnet in ihrer Rolle der Kaiserin Elisabeth zeigt. „Wir wollen die Leute zu dem Menschen Romy Schneider und zu ihrem großartigen künstlerischen Werk bringen, dafür müssen wir sie aber irgendwo abholen“, erklärt Rykov. „Und weil es in der deutschen Wahrnehmung Romy Schneiders bisher nichts vor und nichts nach Sissi gibt, ist diese Rolle nun mal der Schlüssel dazu.“
Unklar bleibt, ob Romy Schneider auch Berlin an sich gefallen hat
Martin Sauter schwärmt indes besonders für das, was nach Schneiders Paraderolle in der dreiteiligen Adels-Schmonzette, auch nach ihren Berliner Jahren kam. „Die großen französischen Filme“, sagt er, „Das alte Gewehr“, „Le Train“, „Das Mädchen und der Kommissar“. Ihn fasziniere der Facettenreichtum dieser Schauspielerin – vor und hinter der Kamera. „Auch nach all den Jahren, in denen ich mich mit ihr und ihrer Karriere auseinandersetze, habe ich vieles nie richtig verstehen können“, sagt Sauter. „Romy Schneider zerrinnt einem zwischen den Fingern, sobald man glaubt, sie greifen zu können.“

Also sei es auch gar nicht so einfach, herauszufinden, was die Schauspielerin eigentlich von Berlin gehalten hat – ob „die glücklichsten Jahre ihres Lebens“ nur mit der errungenen Privatsphäre, oder auch mit der Stadt an sich zu tun gehabt haben. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ihr Berlin selbst besonders viel bedeutet hätte, sie hat einfach die Ruhe im abgelegenen Grunewald genossen, die Seen, das viele Grün, und vor allem die Zeit mit ihrem Sohn David“, glaubt Sauter. „Sie hat sich immer gewünscht, einmal unbehelligt und in aller Seelenruhe den Kurfürstendamm herunterspazieren und einkaufen gehen zu können“, meint indes Ariane Rykov vom Romy Schneider Museum.

Dort übrigens, auf dem Kudamm, im Hotel Zoo Berlin erinnert immerhin noch die Atmosphäre an die großen Zeiten des Films, an Diven, Dramen, Drehbücher. Das Interieur des Hotels wurde von Dayna Lee entworfen, die auch für das Set-Design zahlreicher Filmproduktionen verantwortlich zeichnete; verschiedene Restaurationen in dem Gründerzeitbau, in dem schon seit 1911 Hotels betrieben werden, hat ein Team der Filmstudios Babelsberg übernommen. Die schweren Vorhänge in dunklem Lila, die mit feinem Blattgold überzogenen freigelegten Backsteinmauern, edle Möbel, noble Gesten – „bei der Renovierung unseres Hauses vor ein paar Jahren wurde vieles durchaus in Anlehnung an den Glamour des Films gestaltet“, sagt Karolin Brückner, die Geschäftsführerin.
Im Zimmer 410 jedenfalls, jener Suite, in der Romy Schneider 1955 die Bretzel des kletternden Bäckers entgegennahm, ist es trotz der besten Lage direkt am Kudamm auffallend ruhig. Der Lärm des Verkehrs dringt kaum durch die geschlossenen Fenster, wie stumme Statisten ziehen die Passantinnen und Passanten unten auf dem Charlottenburger Prachtboulevard am Eingang des Hotels vorbei. „Gott sei dank ruhig“ – Romy Schneider hätte das wahrscheinlich gefallen.