Warum es okay ist, dass sich die Selenskyjs für die Vogue fotografieren lassen

Fotos der ukrainischen Präsidentengattin und ihres Mannes sorgen für Aufruhr auf Social Media. Die Modewelt sei zu oberflächlich für ernste Themen. Unsinn!

Eine Fotografie von Annie Leibovitz erzeugt Unmut in der Bubble: Olena Selenska vor einer zerstörten Antonow AN-225 in Hostomel, umringt von ukrainischen Soldatinnen.
Eine Fotografie von Annie Leibovitz erzeugt Unmut in der Bubble: Olena Selenska vor einer zerstörten Antonow AN-225 in Hostomel, umringt von ukrainischen Soldatinnen.Annie Leibovitz/Vogue

Eine Fotostrecke der berühmten Fotografin Annie Leibovitz für eine gerade veröffentlichte Vogue-Reportage über Olena Selenska und ihren Mann, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sorgt für Diskussionen. Vor allem eins der Bilder löst bei vielen Kommentatoren Unbehagen aus.

Auf ihm ist Selenska in einem elegant wehenden, dunkelblauen Mantel zu sehen. In der Bildunterschrift heißt es: „Selenska am Flughafen Antonov in Hostomel, mit einer Gruppe ukrainischer Soldatinnen“. Das Bild sieht schön aus, und genau das ist das Problem. Ein Kriegsbild darf das nicht. Aber wenn eine Künstlerin wie Annie Leibovitz ein Porträt fotografiert, dann wird es immer schön aussehen. Und auch extrem, weil sie eine große Künstlerin ist.

Doch nicht nur das Foto selbst stört die Menschen, sie verbinden die Vogue vor allem mit Mode. Das Magazin gehört damit einer oberflächlichen Welt an, der man Tiefe und politisches Engagement per se abspricht. Und das, obwohl die Autoren der Vogue von Haus aus Journalisten sind. Genauso wie auch Modedesigner Künstler sind, die als Kreativschaffende gar nicht anders können, als gesellschaftliche Strömungen und den Zeitgeist in ihrer Arbeit zu reflektieren.

Ein gutes Beispiel für die Kunst, politische Ereignisse in die Mode aufzunehmen, gibt Demna Gvasalia. Der Kreativdirektor von Balenciaga reicherte seine Pariser Show Anfang März spontan mit neuen Details und Bezügen zum Ukraine-Krieg an, womit ihm ein glaubwürdiges Plädoyer für den Frieden gelang.

Auf der einen Seite das teure Kleid, auf der anderen die Bomben. Geht das?

Dafür gab es viel Lob, aber auch Kritik. Ihm wurde in den sozialen Medien ebenfalls vorgeworfen, dass eine Fashionshow und Kriegskritik nicht zusammenpassen würden. Auf der einen Seite das teure Kleid und auf der anderen die Bomben. Anderen Designern wiederum wurde vorgeworfen, sich nicht zum Krieg geäußert zu haben und das, was um sie herum geschehe, zu ignorieren. Ja, was denn nun?

Am Beispiel Balenciaga und den Leibovitz-Fotos für die Vogue zeigt sich das Dilemma der Mode. Ihr haftet der Stempel des Oberflächlichen an. Aber wer sind eigentlich die Kritiker, die sich auf Twitter über die Selenska echauffieren? Haben sie überhaupt den Vogue-Artikel der ehemaligen New York Times-Korrespondentin Rachel Donadio gelesen? Dort findet sich nämlich genau das, was sie in ihrer Kritik zu vermissen vorgeben: eine Kriegsreportage.