Studie des Familienministeriums: „Familien sind nicht die Sparschweine der Nation“

Eigentlich hatte Manuela Schwesigs Amtsvorgängerin schon vor einem Jahr die „Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen“ präsentiert. Damals waren allerdings noch gar nicht alle Studien fertig, und die CDU-Politikerin hatte die Ergebnisse auch noch als Beleg dafür interpretiert, dass ein Kurswechsel in der Familienpolitik nicht nötig sei.

Die betroffenen Wissenschaftler, die seit 2009 die Effizienz der Leistungen untersucht hatten, protestierten lautstark. Von einem pauschalen Weiter so könne keine Rede sein, widersprachen sie Kristina Schröder. Deren Nachfolgerin im Amt kamen die Schlussfolgerungen der Forschungsinstitute dagegen wie gerufen. Nicht nur kritisierten diese das Ehegattensplitting als kontraproduktiv, wenn es um die Vermeidung von Armutsrisiken und die Berufstätigkeit der Frauen geht.

Folgen der Steuererleichterung

Die Wissenschaftler lobten auch die öffentlichen Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung und nannten als eine Haupterwartung an die Familienpolitik die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Es wird sie nicht überraschen, mir gefallen die Ergebnisse sehr gut. Sie unterstützen meinen Ansatz“, sagte Schwesig bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin.

Rund 70 Wissenschaftler hatten im Auftrag des Ministeriums zwischen 2009 und 2013 die rund 150 verschiedenen ehe- und familienpolitischen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Das erst seit August 2013 gezahlte Betreuungsgeld wurde nicht berücksichtigt.

Das Resümee der noch von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Auftrag gegebenen Studie: Es gibt nicht zu viele familienpolitischen Leistungen. Die Forscher sprechen sich auch nicht für die Abschaffung einzelner Maßnahmen aus. „Wir haben nur bei einer einzigen Leistung festgestellt, dass sie so gut wie keine familienpolitische Wirkung hat: Beim ermäßigten Beitragssatz in der Pflegeversicherung“, sagte Michael Böhmer, Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen und Steuerpolitik des Wirtschaftsunternehmens Prognos.

Ehegattensplitting soll sich weiter entwickeln

Im Gesamttableau der Leistungen sei diese allerdings zu vernachlässigen und könne aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht so einfach abgeschafft werden. Der Ministerin kam die Absage an Einsparungen gelegen: „Die Familien sind nicht die Sparschweine der Nation. Die Evaluation kann nicht dazu dienen, Leistungen zu kürzen“, betonte die sie. Einige Maßnahmen müssten aber weiterentwickelt werden, da sie nicht bei allen ankommen.

Dazu zählte Schwesig das Ehegattensplitting, von dem auch viele Paare profitierten, die keine Kinder hätten, während es viele Familien mit Kindern nicht erreiche. Die SPD war mit der Forderung in den Wahlkampf gezogen, das Ehegattensplitting für künftige Ehen abzuschaffen, die Union wollte das Splitting auf Familien mit Kindern erweitern. Nach der Kritik der Forscher an den negativen Folgen der Steuererleichterung forderte die Ministerin nun an die Adresse der Union gewandt: „Ich erwarte, dass die Studie nicht in der Schublade verschwindet. Alle Fachpolitiker sollten sie sich durchlesen.“

Nach den Vorgaben des Familienministeriums untersuchten die Wissenschaftler die Leistungen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Förderung und das Wohlergehen von Kindern, die wirtschaftliche Stabilität von Familien sowie die grundsätzliche Erfüllung von Kinderwünschen.

Das Elterngeld wirkt

Danach gehören die subventionierte Kinderbetreuung sowie das Elterngeld zu den Leistungen mit den besten Wirkungen für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ohne diese Maßnahmen wären 100.000 Mütter mit Kindern zwischen einem und drei Jahren nicht erwerbstätig, so die Wissenschaftler.

Ein ziemlich schlechtes Zeugnis stellten sie dagegen der beitragsfreien Versicherung von Ehepartnern in der Gesetzlichen Krankenversicherung aus. Die Leistung schlug 2012 immerhin mit zehn Milliarden Euro zu Buche, führe aber langfristig zu Einkommensminderungen, da sie Frauen dazu ermutigen, nicht zu arbeiten.

Katharina Spieß vom DIW sprach deshalb von einer besonders ineffizienten Maßnahme und wies darauf hin: „Bei ihrem Wegfall würde die Beschäftigungsquote um 1,1 Prozentpunkte steigen.“ Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ergänzte, nicht das Ehegattensplitting, sondern die beitragsfreie Mitversicherung verdiene die größere Aufmerksamkeit der Politik.