Svetislav Pesic (Berlin) und Bruno Soce (Bonn) im Gespräch über Ping-Pong-Basketball, Zirkusnummern und den Stellenwert von Übungsleitern: "Diese oberflächlichen Manager zerstören die Zukunft"
Zum Abschluß der Hauptrunde haben Sie gegen Alba eine deftige Niederlage erlitten, Herr Soce. Wie groß ist die Chance, daß Bonn im Mai im Finale gegen Berlin spielt?Soce: Wenn wir daran glauben, haben wir auch eine Chance. Pesic: Mich interessiert nicht, wer ins Finale kommt. Hauptsache, wir schaffen es. Aber wenn ich mir einen Gegner wünsche, dann natürlich Bonn. Wegen der Atmosphäre. Dann wird das Endspiel vor 9 000 Zuschauern in Berlin gespielt und vor 5 000 in Bonn, das ist gut für den Basketball.Was fehlt Bonn noch, um dorthin zu kommen, wo Alba schon ist?Soce: Wenn wir gesund sind, können wir mithalten. Berlin hat ein junges Team, das sich im Laufe der Saison sehr verbessert hat. Zuerst hatte es kein Europaliganiveau, aber mein Freund Pesic hat ein Wunder vollbracht. Unser Ziel war in dieser Spielzeit nur, in der Bundesliga zu überleben. Trotz aller Krankheiten und Verletzungen geht Bonn als Zweiter in die Play-offs. Spricht das nur für die Arbeit von Soce in Bonn oder auch gegen das Niveau der Liga?Pesic: Soce will nicht zu euphorisch sein. Aber er hat zwei gute Dinge vollbracht: Die Mannschaft hat sich geändert, aber nicht das Konzept. Wenn ein Spieler nach dem Training müde ist, kaputt, aber er weiß, daß er an diesem Tag etwas gelernt hat, ist das sehr wichtig. Die Bonner Spieler haben Vertrauen in Soces Konzept. Und er hat ein gutes Auge bewiesen. Er hat gezeigt, daß er in der Lage ist, gute Spieler auszusuchen. Das Konzept der ersten Vier in der Bundesliga bestimmen ausländische Trainer. Gibt es keine guten deutschen Basketball-Lehrer? Oder fehlt den Verantwortlichen das Vertrauen?Pesic: Wir sind in einer Situation, in der die Manager die Politik bestimmen, das ist nicht gut für den Basketball in Deutschland.Wer sollte statt dessen bestimmen?Pesic (lacht): Die Trainer. Nein. Aber die Manager vertrauen deutschen Trainern nicht. Ich persönlich schon. Viele, die jetzt keinen Job haben, sind in der Lage, eine gute Mannschaft zu führen. Die brauchen auf jeden Fall mehr Vertrauen. Beispiel Peter Krüsmann. Er hört in Ulm auf und geht wieder in den Schuldienst. Was ist da schiefgelaufen?Pesic: Die wollten ihn nicht mehr. Natürlich hatte er Probleme mit seiner Beurlaubung vom Schuldienst, aber das ist lösbar.Soce: Es ist egal, wer Trainer ist, Hauptsache, er ist gut. Er muß ein guter Pädagoge sein, sich auskennen und auch den Verein entwickeln wollen, nicht nur sich. Nicht einfach einen Erfolg feiern und dann dahin gehen, wo es das meiste Geld gibt. Pesic: Das ist der Unterschied bei Soce und bei mir.Soce: Ich bekomme zum Beispiel in diesem Jahr weniger als im vergangenen, weil ich gesagt habe, ich will mehr Geld für eine bessere Mannschaft. Ein amerikanischer Trainer hätte das vielleicht nicht gesagt.Woher kommt diese Mentalität?Pesic: Leidenschaft spielt eine große Rolle. Heute zu gewinnen und morgen einen anderen Verein zu suchen, ist nicht mein Lebensprinzip. Aber die Manager in Deutschland meinen, daß ein Trainer ein Übungsleiter ist, der seinen Job von zehn bis zwölf und von sechs bis acht machen soll. Und alles andere machen sie. Dabei steht der Trainer im Mittelpunkt jedes Vereins, er bestimmt die Identifikation. Spitzenresultate ohne Identifikation mit den Spielern, mit dem Verein, mit der Stadt sind nicht möglich. Ein Klub, der keinen solchen Trainer hat, darf nicht viel erwarten. Das macht den Unterschied.Soce: Der Trainer ist nur ein Glied in einer Kette, aber ein sehr wichtiges. Wir haben unsere Erfahrung aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir wissen, daß wir so das Team, den Verein, die Umgebung, eben alles entwickeln können. Wenn Pesic oder ich morgen gehen, wird etwas zurückbleiben. Wir haben alles von uns gegeben. Die Bundesliga soll in der kommenden Saison von 14 auf 16 Mannschaften aufgestockt werden. Ein guter Plan?Pesic: Das ist eine oberflächliche Entscheidung, die einige Manager nach einer einstündigen Überlegung getroffen haben. Das kann ich nicht ernst nehmen, so etwas zerstört die Zukunft des Basketballs in Deutschland. Der Spielmodus ist ein sehr sensibles Thema. Er muß den sportlichen Kriterien standhalten und für unsere Kunden gemacht werden, für die Zuschauer, die Öffentlichkeit.Gibt es nicht genug erstligareife Teams?Pesic: Die Frage ist, wer zwei Jahre in einer Halle mit 4 000 Zuschauern spielen kann. Daran müssen wir uns orientieren. Heutzutage haben wir keine 16 Mannschaften, die in der Lage sind, das Produkt Basketball auf diesem Niveau zu verkaufen. Soce: Wo bleibt die Qualität? Wir müssen dann wieder in Oberelchingen antreten, vor 500 Fans. Daß Johanneum Hamburg erste Liga spielt, wäre wichtig. Aber dafür brauchen wir keine 16 Teams.Pesic: Die sollen Erster werden und aufsteigen. Oder eine Wild card bekommen, wenn sie 5 000 Zuschauer anlocken.Es gibt den Vorschlag, in der nächsten Saison die Abstiegsregelung aufzuheben. Manche fürchten, daß das Niveau verflacht, wenn für einige Teams der Wettbewerb fehlt.Soce: Und wer hat mich gefragt? Nur Journalisten. Ich denke, wir müssen uns zusammensetzen und sprechen. Wenn ich etwas will, rede ich mit meinen Leuten aus dem Verein. Von dem neuen Modus habe ich nur in der Zeitung gelesen Pesic: Die behandeln dich wie einen Übungsleiter. Du sollst nicht deine Meinung sagen, du sollst die Mannschaft trainieren, alles andere sagen die Manager. Was passiert, wenn wir in Berlin plötzlich nur noch vor 2 000 Zuschauern spielen? Dann sind die Manager nicht mehr Manager. Sie hören mit dem Basketball auf, sie gehen in einen anderen Verein. Diese oberflächlichen Manager sollen ruhig sein.Wie werden Sie reagieren, falls die Änderungen tatsächlich beschlossen werden?Pesic: Fünf oder sechs Vereine lehnen sie strikt ab, so wie Alba und Bonn. Aber Oberelchingen will das. Das Ziel der Bundesliga wäre dann, wie Oberelchingen zu werden. Soce: Die Folgen sind offensichtlich: Wir werden viele mittelmäßige Mannschaften haben. Aber ein Team braucht nicht nur fünf gute Spieler, damit es die nächsten zehn, 20, 30 Jahre überlebt. Vor fünf Jahren hat mich ein Manager angesprochen, ob ich zu ihm kommen will. Ich habe gefragt, was sein Ziel ist. Er sagte, erste Liga. Haben Sie Spieler? Nein, wir haben keine Spieler, wir haben Geld. Das war in Bonn anders. Deshalb habe ich mich für die Baskets entschieden. Jetzt sind wir da, wo wir hinwollten. Das ist die normale Arbeit.Eine mühsame und langwierige Angelegenheit.Soce: Einige meinen, sie brauchen nur fünf Millionen Mark oder Dollar, um Amerikaner zu kaufen. Wir haben ein paar Vereine in Deutschland, die das machen. Das sieht dann so aus: Der Ball geht zum einen Ausländer, der Ball geht zum zweiten Ausländer. Das ist wie Ping-Pong: Jetzt ist der Ball da da da da. Zwei Ausländer spielen, und das reicht.Was muß also geschehen, damit die gesamte Basketball-Bundesliga vorankommt?Pesic: Das Produkt Basketball ist nicht nur die Bundesliga. Die Nationalmannschaft muß alles unternehmen, damit sie 2000 in Sydney spielt. Wir müssen uns mit den Präsidenten, allen Trainern und Managern zusammensetzen und erst einmal die Ziele definieren. Und in einer demokratischen Diskussion Entscheidungen treffen. Über den Fernsehvertrag, der Ende des Jahres ausläuft, und über das Nationalteam. Herr Soce, Ihr Nachbar Rhöndorf zieht nach Frankfurt am Main um. Ist das in Ihren Augen ein richtiger Schritt?Soce: Sie haben den Kampf mit uns verloren. Wir haben besser gearbeitet, wir haben die bessere Atmosphäre, bei uns ist alles besser. Warum? Seit ich in Bonn bin, hat Rhöndorf fünf verschiedene Trainer gehabt.Kann Rhöndorf in Frankfurt überleben?Soce: In Europa werden demnächst alle Ausländerbeschränkungen fallen. Niemand wird mehr fragen, wie viele Ausländer ein Team anstellt. Wenn Rhöndorf oder Johanneum Hamburg eine falsche Politik machen, kaufen sie sieben Amerikaner. Und dann? Wir werden einen Zirkus bekommen.Pesic: Globetrotter.Kann Rhöndorf eine ernsthafte Konkurrenz für Alba werden, Herr Pesic?Pesic: Daß Rhöndorf umzieht, ist eine positive Entscheidung. Aber damit ist nicht alles gelöst.Soce: Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, daß nur eine Mannschaft in dieser Region überleben wird. Wir haben überlebt, Rhöndorf nicht. Obwohl sie auf dem Papier vielleicht besser sind als wir. Sie können im Finale spielen Pesic: die Meisterschaft gewinnen.Soce: Aber es ist kein Umfeld da. Pesic: Das ist der Punkt, das ist das, was du geschafft hast.Soce: Wenn wir uns morgen entscheiden, in die Arena nach Köln zu gehen, weil unsere Fans das wollen, werden alle mitkommen. Es sind nur zwanzig Kilometer von Bonn nach Köln. Wie weit ist es von Bonn nach Berlin?650 Kilometer.Soce: Und? Wie viele unserer Zuschauer sind mitgefahren nach Berlin? 1 500. Soviel, wie in Rhöndorf zu den Heimspielen kommen. Wenn überhaupt. Pesic: Man muß eine Basis schaffen, bevor man umzieht. Die Entscheidung von Rhöndorf ist mutig und gut für den Basketball. Nur, wo ist die Basis? Die Halle ist super. Aber das Team muß 5 000 anlocken können, wenn es nicht nur ein Jahr überleben will und dann sagen muß: Ach, das war eine falsche Entscheidung. Das wäre schlecht für den Basketball.Genau das ist geschehen, als Herten nach Oberhausen umzog und bald pleite ging.Soce: Zuerst muß man Erfolg haben. Dann kann man sagen, die Halle ist zu klein, wir gehen woanders hin. Pesic: Erfolg heißt nicht nur zu gewinnen. Erfolg ist das, was wir haben. Wenn Bonn morgen sagt, wir spielen Europaliga, dann kommen 6 000. Wie damals bei Saturn Köln. Die haben zuerst in einer kleinen Halle gespielt. Aber als die Europameisterschaft der Klubteams kam, sind sie in die Messehalle gegangen sie war ausverkauft. Rhöndorf schafft das nicht. Oder schwer.Warum?Soce: Rhöndorf ist zu klein. Ein schöner Ort, um dort zu leben. Aber die Leute haben zu wenig Interesse. Wir hatten in der zweiten Liga genauso viele Zuschauer. Nach dem Aufstieg sind wir dann in die Hardtberghalle gegangen.Inzwischen sind die 4 000 Tickets oft weg.Soce: Aber wir mußten zuerst kämpfen, wir haben kostenlos Karten verteilt und viel Werbung gemacht. Und wir würden eine Umfrage starten, bevor wir nach Köln gehen. Wenn die Fans nein sagen, bleiben wir.Pesic: Automatisch funktioniert nichts.Wann also spielen Bonn und Berlin in der Europaliga gegeneinander?Pesic: Das wird eines Tages passieren. Wann, ist sehr schwer zu sagen. Alles ist möglich.Soce: Ich glaube an Wunder.