Syrien: Siege für Assad

Beirut - Ein paar Hundert Menschen sind in der Innenstadt von Beirut zusammengekommen: Mit Kerzen und traurigen Liedern gedenken sie der Toten im Nachbarland Syrien. Die Stimmung der Demonstranten, die meisten sind geflohene syrische Aktivisten, schwankt zwischen Verzweiflung und Trotz. Vor drei Jahren hat der Aufstand begonnen, und es ist kein Ende in Sicht. „Die Welt hat uns im Stich gelassen“, sagt Maged Schurbagi. Sie leitete eine Hilfsorganisation für Flüchtlinge: „Das syrische Regime ist auf dem Vormarsch, aber es kann nicht gewinnen. Egal, wie viele Waffen und wie viel Unterstützung aus dem Ausland Assad hat, er kann nicht gegen sein Volk regieren“, sagt sie.

Aber ist das nicht naiv? Schließlich hat sich das militärische Kräfteverhältnis in Syrien in den vergangenen Monaten verschoben. Am vergangenen Wochenende hat die syrische Armee die Stadt Jabrud an der Grenze zum Libanon erobert. Auch die umliegenden Dörfer sind wieder unter Regierungskontrolle. Damit ist eine wichtige Bastion der Opposition in Syrien gefallen, denn über Jabrud kamen in den vergangenen zwei Jahren – so lange hatten Rebellen die Stadt beherrscht – Nachschublieferungen für die Aufständischen ins Land. Wochenlang verteidigten die Oppositionskämpfer die Stadt gegen die von Hisbollah-Einheiten unterstützten Regierungstruppen.

Auch aus anderen Landesteilen meldet die Armeeführung Erfolge und versucht, die Rebellen in den Libanon zurückzudrängen. So beschoss sie beispielsweise am Donnerstag Gebiete nahe der Grenzstadt Arsal im Norden des Libanons mit Raketen. Die Bevölkerung der Gegend besteht aus libanesischen Sunniten, die den Aufstand gegen Assad unterstützen, Rebellen nutzten auch dieses Gebiet, um sich neu zu gruppieren und um den Nachschub zu organisieren.

Opposition kämpft gegeneinander

Auf der anderen Seite verstricken sich die Oppositionskämpfer immer mehr in Kämpfe untereinander: Syrische Opposition gegen extrem islamistische ausländische Al-Kaida-Kämpfer, deren Stärke und Aktivität auch der Westen höchst alarmiert beobachtet. Mehr als hundert verschiedene Gruppen sollen derzeit auf syrischem Gebiet aktiv sein. Auch das stärkt die Regierung.

Ist Assad also dabei, den Konflikt militärisch für sich zu entscheiden? Bente Scheller zeigt sich skeptisch. Die Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut hat seit Jahren die Strategie des syrischen Präsidenten beobachtet und über seine „Weisheit des Abwartens“ ein Buch geschrieben: „Zwar hat Assad an einigen Fronten gewonnen, aber an anderen auch verloren. Die Erfolge an der Grenze zum Libanon sind vor allem auf die Unterstützung durch die Hisbollah zurückzuführen, doch die wird nicht ewig andauern. Und was nutzen Landgewinne, wenn man die Gebiete nicht dauerhaft regieren kann?“, sagt sie.

Zudem sei klar, dass sich die Erfolge nicht im ganzen Land wiederholen lassen, da die Hisbollah nur in Grenznähe und rund um schiitische Heiligtümer operiert. Den Einsatz von Streu- und Kanister-Bomben wie auch den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas in den Vororten von Damaskus im Herbst sieht Scheller als weiteres Zeichen, dass sich Assad in der Defensive fühlt. „Dass er Giftgas einsetzte, als gerade UN-Inspektoren im Land waren, belegt, dass er die Situation als sehr ernst eingeschätzt hat“, sagt sie. Schließlich musste er damit rechnen, dass die USA mit einem Militärschlag antworteten würden.

Allerdings zeigt sich womöglich genau darin die Stärke der Regierung Assad und seine lange Erfahrung mit den USA: „Er ist immer gut damit gefahren, einfach abzuwarten. In den meisten Fällen ließ der Druck schnell nach, weil die andere Seite nicht konsequent genug war oder durch andere Ereignisse abgelenkt wurde“, sagt Bente Scheller. Tatsächlich geht Assad auch aus der Giftgas-Krise als Sieger hervor: Es gab keinen Militärschlag, und es wird auch erst einmal keinen geben, egal, was er tut. Also setzte er Kanister- und Streubomben ein, die darauf abzielen, eine möglichst große Zahl von Zivilisten zu töten.

Am wichtigsten ist Damaskus

Und welches Ziel verfolgt Assad? Auch ihm muss klar sein, dass er nicht das ganze Land unter seine Kontrolle bringen kann; schon gar nicht, wenn er es so zerstört. Ihm geht es ums Überleben. Das kann nur gelingen, wenn er Damaskus verteidigt. Die Offensive im Norden und die Kämpfe im Rest des Landes sollen die Gegner schwächen, die ihm gefährlich werden könnten.

So kann der Konflikt noch lange weitergehen. Beendet werden kann er nur durch eine politische Lösung, die Assad schließlich ins Exil schickt. Diese Lösung, so Scheller, sei aber nur zu erreichen, wenn Assad keinen anderen Ausweg sehe. „Sein Umgang mit Krisen belegt genau dies: Nur wenn er sich wirklich bedroht sieht, macht er etwas“, so Scheller. Nur wenn der Westen bereit sei, militärisch einzugreifen und glaubhaft drohe, werde Assad einlenken. Bloß: Dazu ist derzeit kaum jemand bereit. Zudem richtet sich die Aufmerksamkeit der Welt auf die Krim. Und die bislang wichtige Rolle Russlands in den Syrien-Vermittlungen steht dahin.