Tauts Gebäude am Oranienplatz zieht kreative Köpfe an: Im alten Warenhaus entsteht die Architektur von morgen

In einem Architekturbüro lässt sich kein Kaufhaus einrichten, aber in einem Kaufhaus ein Architekturbüro. Zum Beispiel am Oranienplatz 4 -10 in Kreuzberg. In dem von 1930 bis 1932 errichteten "Warenhaus der Konsumgenossenschaft" arbeitet heute auf 800 Quadratmetern im vierten Stockwerk der Schweizer Architekt Max Dudler - zusammen mit seinen 20 Beschäftigten. Für den 50-jährigen Dudler ist das Gebäude der ideale Ort, um kreativ zu sein. "Früher haben die Architekten ihre Büros in den Bürgerwohnungen gehabt, diese Wohnungsidylle wollte ich nicht, sondern eine offene Situation." Das Haus am Oranienplatz ist kein herkömmliches Warenhaus, sondern ein Vorzeigeprojekt der Architekten Max Taut und Franz Hoffmann. Sie haben es mit glatter Muschelkalkfassade und großen Fenstern errichtet. Max Taut gehörte zusammen mit seinem Bruder Bruno sowie mit Mendelsohn, Gropius und Mies van der Rohe zu jenen Baumeistern des 20. Jahrhunderts, die sich einer klaren und sachlichen Architektur verpflichtet fühlten. Das Haus am Oranienplatz, das aus zwei siebengeschossigen Gebäudeflügeln und einem neungeschossigen Turm besteht, gilt als ein "Höhepunkt der Neuen Sachlichkeit in Berlin".Wenn Max Dudler über das Gebäude am Oranienplatz spricht, gerät er leicht ins Schwärmen. "Das sind noch die Original-Fenster, nur aufgearbeitet und mit Isolierglas versehen - fantastisch!" Terrassen bieten Ausblicke in alle Richtungen: In die Mietskasernenstadt Kreuzberg und auf die Neubauten an der Leipziger Straße. Auch Filmregisseur Wim Wenders lebte und arbeitete bis vor etwa einem Jahr in dem Haus. Schon immer lockte das Gebäude die Kreativen an. In den vergangenen Jahren haben sich vor allem Architekten eingemietet. Dudler fühlt sich der Tradition Max Tauts verbunden. Auch seine Gebäude sind streng und karg. So wie der Neubau für das Bau- und Verkehrsministerium an der Invalidenstraße in Mitte. "Reduzierung auf das Wesentliche", sagt Dudler dazu. Wenn ihm Kritiker vorhalten, seine Architektur sei langweilig, entgegnet er: "Am Markusplatz gibt es auch nur ein Fensterformat." Die Stadt brauche Ruhe, damit sich Sinnlichkeit in ihr entfalten könne.AUSSTELLUNG Heute Filmprogramm // Ansichten des Taut-Hauses sind in der Ausstellung "Stadt der Architektur - Architektur der Stadt. Berlin 1900-2000" im Neuen Museum zu sehen. Sie läuft bis zum 3. September und ist außer mittwochs täglich von zehn bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: 10 Mark.Am heutigen Freitag werden im Lichthof des Museums die Filme "Markt in Berlin" (1929) und "Berlin Alexanderplatz" (1931) gezeigt. Beginn: 18. 30 Uhr, Eintritt: acht Mark.Weitere Informationen im Internet: www. berlin1900-2000. de // AUSSTELLUNGSARCHIV Sieht heute (fast) so aus wie hier nach der Fertigstellung 1932: Tauts Haus. // BERLINER ZEITUNG/MIKE FRÖHLING Fühlt sich der Tradition Max Tauts verbunden: Architekt Max Dudler.