Tilman Morgeneyer baut mit Lehm, Holz, Stroh und Pferdemist für seine Familie ein eigenes Heim: Ein Haus aus lauter "Abfall"

Das halbfertige Gebäude auf dem Grundstück Nummer 71 paßt so gar nicht ins Bild der Mahlsdorfer Linderhofstraße. Seit zweieinhalb Jahren baut der 26jährige Tilman Morgeneyer für sich und seine Familie ein zweistöckiges Fachwerkhaus aus Lehm, Holz, Stroh und Pferdemist.Kollegen hatten den Bautischler auf die Idee gebracht, mit Lehm zu bauen. Morgeneyer studierte Lehmbau-Bücher, wandte sich an den Verein "Lehmbaukontor Berlin-Brandenburg", sprach mit Bauherren in Eberswalde und Hannover. Er kündigte seine sichere Arbeitsstelle, lieh sich von seinen Eltern 350 000 Mark und begann. Die Errichtung der Lehmwände organisierte er selbst, Fachwerk, Dach, Technik und Sanitär übernahmen professionelle Firmen.60 Kubikmeter Lehm holte sich Morgeneyer bei einem Bekannten, der für den eigenen Hausbau eine Grube aushob und den "Abfall" loswerden wollte. Zwei Lkw-Ladungen Holzhackschnitzel stammten aus einem Sägewerk bei Berlin. "So muß das vor hundert Jahren gewesen sein, als die Leute noch Baustoffe benutzten, die sie in unmittelbarer Nähe fanden." 40 Stunden pro Woche mischte, stampfte und preßte Morgeneyer Lehm. Freunde und sein Vater halfen. Selbst die Kinder konnten sich beteiligen, denn anders als beim Bau mit Kalk besteht bei Lehm keine Gesundheitsgefahr. Morgeneyer ist sicher, daß man beim Lehmbau nicht viel falsch machen kann. "Lehm wird nicht so schnell fest. Man kann immer wieder korrigieren."Als er sich sieben Badewannen in den Garten stellte, um darin den Lehm "einsumpfen" zu lassen, waren die Nachbarn sehr verwundert. Morgeneyer weiß, daß manche den Kopf über ihn schütteln. Obwohl ökologische Erwägungen bei der Entscheidung für sein Haus eine Rolle spielten, möchte er nicht als "ökologischer Dogmatiker" gelten. Morgeneyer ist überzeugt vom Lehmbau: "Die Vorteile gegenüber Fertighäusern überwiegen." Das sogenannte Holzleichtlehmhaus garantiere ein gesundes Wohnklima ohne Belastungen durch chemische Baustoffe. Auch die Wärmedämmung und -speicherung seien ideal.Damit die Fassade seines Lehmhauses nicht beim ersten großen Regen in sich zusammensinkt, verputzte Morgeneyer das Haus mit Pferdemist und Stroh. Beides holte sich der Baumeister kostenlos im Reiterhof Hönow ab. Drei Tage blieb der Pferdedung im Garten liegen. Dann roch er nicht mehr und konnte verwendet werden. Auch gegen feuchten Boden ist das Haus gesichert. Das Eigenheim schwebt auf 87 Betonpfeilern 30 Zentimeter über der Erde. Zusätzlich schützt ein weit überhängendes Dach vor Nässe.Das Erdgeschoß ist fast fertiggestellt. Demnächst wird der Umzug organisiert. Dabei denkt Morgeneyer schon jetzt an das Ende seines Hauses: "Wenn es irgendwann abgerissen wird, dann kann es umweltfreundlich entsorgt werden. Der Lehm wird einfach in eine Baugrube gekippt."