Über zwei Wochen nach dem Fährunglück im Roten Meer wird noch immer nach den Schuldigen gesucht: Die Heimat der Seelenverkäufer

BERLIN. Auch in Luxor und Assuan sind die Menschen empört über die Mohammed-Karikaturen. Auch in Kairo und Alexandria werden europäische Fahnen verbrannt. Doch dass sich der Protest in Ägypten bislang eher in Grenzen hielt, hat auch mit einem korrupten Reeder zu tun und seinen Gönnern in der Regierung. "Im Moment trauern wir um die Toten der Fähre im Roten Meer. Wir müssen wissen, wer an dem Unglück Schuld ist. Erst dann kommen die Dänen dran", sagt der Student Ahmed Sami.Nähe zur MachtEs ist nicht nur Trauer um die 956 Opfer der Katastrophe. Es ist Wut und Empörung über deren Hintergründe. Gerade wurde der Untersuchungsbericht im ägyptischen Parlament vorgelegt: "Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit und Korruption" werden darin als Ursache für den Untergang der Personenfähre "Salam Boccaccio 98" Anfang Februar genannt. Vor allem gegen Mamdouh Ismael, den Reeder des Unglücksschiffes, richtet sich der Volkszorn. Er gilt als einer, der weiß, wem man wie viel Geld anbieten muss, um etwas zu erreichen. Zudem gehört er zum engeren Zirkel um Präsident Mubarak. Seine Freundschaft zum Chef des Präsidentenbüros hat dem Reeder beispielsweise einen Platz in der zweiten Kammer des Parlamentes eingebracht - und damit Immunität. Und die Nähe zur Macht hat Mamdouh Ismael innerhalb weniger Jahre zu einem reichen Mann gemacht.Dass gerade sein Schiff versank, ist eher Zufall. Es hätte auch jede andere der maroden Fähren treffen können. Das Rote Meer ist die Heimat der Seelenverkäufer. "Weil es hier billig ist, Menschen umzubringen", sagt Andreas Haberbeck, Seerechtsanwalt bei der führenden saudischen Kanzlei "The Alliance" in Dschidda. Nach ägyptischem Recht stehen den Hinterbliebenen gut 26 000 Dollar pro Opfer zu. Auch in Saudi Arabien und dem Sudan gelten ähnliche Sätze. Die international gültige Konvention von Athen sieht hingegen 67 000 Dollar vor. "Der Eigner der ,Salam Boccaccio 98' hat in den vergangenen drei Jahren schon zwei andere Schiffe verloren. Trotzdem bekommt er weiterhin sehr günstige Konditionen bei den Versicherungen, eben weil der Preis für ein Leben so gering ist", so Haberbeck. Wenn sich die Anrainer des Roten Meeres auf die international üblichen Entschädigungen einigen, müssten die Versicherungen selbst auf bessere Sicherheitsstandards drängen.Gerade in den Dörfern am Niltal und in den ärmeren Stadtteilen von Kairo ist die Trauer um die Opfer des Unglücks zu spüren. Die Familien fühlen sich hilflos. Viele der Toten waren einfache Menschen aus Ägypten, die sich einmal einen Traum erfüllt hatten: Sie waren auf dem Rückweg von der Pilgerfahrt. Andere, so wie Angehörige der Familie von Andreas Haberbeck, waren aus Dschidda unterwegs in die Ferien nach Ägypten. Da sie ihr Auto dabei haben wollte, nahm die saudische Familie die Fähre.Tarik Nagadi, seine Frau und drei Kinder überlebten die Katastrophe. Anders als die Mehrzahl der Passagiere hatten sie sich unmittelbar vor dem Untergang des Schiffes an Deck befunden. Als die Crew den Leuten sagte, sie bräuchten keine Schwimmwesten, weil alles unter Kontrolle sei, kam das dem 14-jährigen Seif verdächtig vor. Er beschaffte auf eigene Faust Schwimmwesten für sich und seine Familie. Das rettete ihnen das Leben. Wie durch ein Wunder wurden alle fünf nach Stunden aus dem Wasser gezogen. Andere Passagiere hatten keine Chance. Die Besatzung hatte die Türen zu den unteren Decks verschlossen und ihnen so den Fluchtweg abgeschnitten.In den Schilderungen des Reeders Mamdouh Ismael hört sich das alles ganz anders an. Ihn treffe nicht die geringste Schuld, beteuert er. Doch am Wochenende sollte die inzwischen aufgespürte "Black Box" der Fähre aus 800 Meter Tiefe geborgen werden. "Die mysteriöse Ursache für das Kentern des Schiffes" werde nun ans Tageslicht kommen, sagte Ägyptens Transportminister. Keine gute Nachricht für den Reeder Mamdouh Ismael.------------------------------Foto: Die Trauer der Angehörigen ist zur Wut auf die Verantwortlichen geworden.