„Überwachung total“ von Peter Schaar: Panzerung und Artillerie

Peter Schaar war bis Dezember 2013 Bundesbeauftragter für Datenschutz und die Informationsfreiheit. Der damalige Bundesinnenminister stellte sich gegen eine Verlängerung seins Vertrages. Schaar hatte zum Beispiel Anstoß daran genommen, dass Hans-Peter Friedrich im August 2013 erklärt hatte: „Fest steht: Es gab keine massenhaften Grundrechtsverletzungen amerikanischer Geheimdienste auf deutschem Boden, wie behauptet wurde.“ Eine Lüge. Oder auch keine. Denn was heißt „deutscher Boden“, wenn von Internetaktivitäten die Rede ist? Peter Schaars neuestes Buch ist eine glänzende Zusammenfassung der IT-Sicherheitslage eines jeden von uns und der verschiedenen Systeme.

Wer zum Beispiel die Seiten liest über die zahlreichen Kooperationen zwischen privaten Computerdiensten, zwischen privaten Sicherheitsfirmen und staatlichen Ausspäh-Institutionen, dem werden alle Illusionen darüber, dass allein der Staat die hoheitsrechtlichen Befugnisse ausübt, genommen. Der permanente Personalaustausch zwischen öffentlich und privat trägt auch nicht gerade zur Markierung der Trennung der Sphären bei. Das gilt in beide Richtungen. Wenn der Sicherheitschef von Facebook zur NSA wechselt, hat er seine Kenntnisse sicher nicht vor der neuen Bürotür abgelegt.

Deutsche Überwachungssysteme sind Exportschlager nach zum Beispiel Syrien, Libyen, Bahrain und Ägypten. Sie werden dort zur Überwachung von regierungsunabhängigen Demokratiebewegungen eingesetzt. Gleichzeitig erklärt das Außenministerium der BRD, man wolle die demokratischen Entwicklungen in der Region stärken. Auch in Deutschland begibt sich der Staat in die Abhängigkeit der privaten Sicherheitsindustrie. Das BKA kauft die Software eines Trojaners zur Telekommunikationsüberwachung. Als der Datenschutzbeauftragte nachforscht, stellt sich heraus, dass das BKA das System nicht kannte. Es konnte nicht ausschließen, dass der Trojaner neben den gekauften Funktionen noch zu ganz Anderem fähig war. Vielleicht wurde das BKA damit ausspioniert?

Das letzte Fünftel des Buches widmet sich der Frage, wie wir in Zukunft unsere Daten schützen. Pins und Passwörter jeweils nur für eine Aufgabe und sie häufig ändern. Zum Schutz der Identität Anonymisierungsnetzwerke verwenden. Mit Blick auf Friedrichs Bemerkung darauf achten, wo die Daten gespeichert werden und welcher Rechtsordnung sie unterliegen. Die Standorte der Server eruieren. Sagt ein Cloud-Anbieter darüber nichts – Finger weg davon. Die eigenen Daten auf mehrere Anbieter verteilen, sie verschlüsseln. „Bei Web-angeboten ist darauf zu achten, dass die Verbindung mittels ’https:’ und nicht mittels ’http:’ aufgebaut wird.“ Usw. Usw. Es wird klar: Es wird keine Datensicherheit geben. Nur den Kampf zwischen Ver- und Entschlüsselung. Ewig wie der zwischen Panzerung und Artillerie.

Peter Schaar, Überwachung total, Aufbau Verlag, 301 Seiten, 17,99 Euro. (Leseprobe)