Unter Rot-Grün wurden brisante Datenbestände der Bundeswehr gelöscht: Geheimberichte verschwunden

BERLIN. Unter dem damaligen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck sind 2004 wesentliche Datenbestände der Bundeswehr über Auslandseinsätze verloren gegangen. Wie das ARD-Magazin "Report Mainz" und tagesschau.de gestern berichteten, sei auch eine elektronische Sicherungskopie des Datenbestandes im Sommer 2005 angeblich aus technischen Gründen unwiederbringlich zerstört worden. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sprach von einem "einmaligen Skandal ungeheuren Ausmaßes".Die Datenbestände waren im "Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr" angelegt worden. Es handelte sich dabei um Geheimdienstinformationen, die das Amt - das 2002 in "Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr" (ZNBw) umbenannt wurde - zwischen 1999 bis 2003 erhalten hatte."Das riecht nach Vorsatz"Bereits vor Monaten war durchgesickert, dass Daten aus dem Jahr 2002 über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verschwunden sind. Der zu einem Untersuchungsgremium umfunktionierte Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte zuvor entsprechende Unterlagen angefordert, weil er die angebliche Misshandlung des späteren Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz durch deutsche Soldaten in einem Lager im afghanischen Kandahar aufklären wollte.In einem Schreiben an den Ausschuss hat Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert jetzt die Zerstörung der Datenbestände eingeräumt. Demzufolge seien die elektronisch gespeicherten Geheimdienstberichte bereits "Ende 2004 verloren gegangen". Einen Grund hierfür nennt der Staatssekretär in dem Schreiben nicht. Von den geheimen Unterlagen sei laut Wichert zwar eine Sicherungskopie angelegt worden. Da der Datensicherungsroboter aber einen technischen Defekt erlitten habe und die Bandkassetten auch in einem Ersatzgerät nicht gelesen werden konnten, seien die Kassetten am 4. Juli 2005 "entsprechend der gültigen Vorschriften zum Umgang mit Verschlusssachen" vernichtet worden.Aus Sicht des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom sei es nicht nötig gewesen, die beschädigte Sicherungskopie zu zerstören. "Es gibt das Bundeskriminalamt und einige hochspezialisierte Firmen, die seit langem in der Lage sind, beschädigte Datenträger zu retten und zu rekonstruieren", sagte er. Dass das ZNBw aber offenbar den Versuch unterließ, technische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei seltsam. "Das riecht nach Vorsatz."Zu den verschwundenen Datenbeständen gehören sämtliche Berichte vom BND und von den im Ausland eingesetzten deutschen Militärattachés sowie Mitteilungen ausländischer Nachrichtendienste über Länder, in denen Bundeswehreinheiten eingesetzt waren.Einem Sicherheitsexperten zufolge sind mit den vernichteten Daten aber auch Berichte verschwunden, die das ZNBw aus einem US-Geheimgefängnis im bosnischen Tuzla erhalten hatte. In Tuzla wurden vor und nach dem 11. September 2001 Terrorverdächtige festgehalten und misshandelt. Informationen, die zum Teil unter Folter von den Verdächtigen gewonnen wurden, sind damals auch dem ZNBw übermittelt worden.Von größerer Brisanz aber ist der Umstand, dass zumindest im Jahr 2001 auch Offiziere des deutschen Militärischen Abschirmdienstes (MAD) an Verhören von Terrorverdächtigen in Tuzla teilgenommen haben sollen. Das geht aus einem BND-Bericht vom Dezember 2005 hervor. Die MAD-Offiziere gehörten damals mit weiteren westlichen Militärgeheimdienstlern dem "Allied Military Intelligence Bataillon" an, das auch Verhöre in Tuzla durchführte.Der bislang weitgehend unbeachtet gebliebene Einsatz der deutschen Militärgeheimdienstler in Tuzla war zu jener Zeit jedoch ein klarer Verstoß gegen das MAD-Gesetz. Nach Meinung des Sicherheitsexperten hätte sich mit Hilfe der ZNBw-Datenbestände noch heute klären lassen, an welchen Verhören die MAD-Offiziere damals beteiligt waren und wer in der politischen Führung davon wusste. "Das die Informationen weg sind, dürfte einige Verantwortliche von damals erleichtern", sagte er.------------------------------Foto: Peter Struck, SPD, war Verteidigungsminister, als die Berichte im Jahr 2004 verloren gingen.