Unterstützung einer KZ-Aufseherin brachte Verein ins Zwielicht / Faust verteidigt Mitarbeit von Sekten-Aktivisten: Renger sieht ihren Namen durch Gedenkbibliothek mißbraucht
Die Berliner Gedenkbibliothek, die die Entschädigung einer KZ-Aufseherin beförderte, kämpft um ihre finanzielle Existenz. Das Abgeordnetenhaus will den Verein nicht länger fördern. Leiterin Ursula Popiolek sammelt nun Unterschriften mit einer Referenz von Bundestagspräsidentin a. D. Annemarie Renger. Doch die fühlt sich mißbraucht.Per Fax und Post flattert den "lieben Mitgliedern und Freunden" der Berliner Gedenkbibliothek derzeit ein Schriftstück der früheren Bundestagspräsidentin Annemarie Renger ins Haus. Frau Renger lobt darin die Aufbauarbeit der "Initiatorin Ursula Popiolek" und würdigt die Bibliothek als "Veranstaltungsort ersten Ranges für politische Bildung". Sie halte es "für dringend geboten, die Gedenkbibliothek weiter durch Mittel des Landes Berlin zu unterstützen". Absender ist allerdings nicht Frau Renger, sondern die Gedenkbibliothek in Person ihrer derzeit einzigen Mitarbeiterin und Leiterin Ursula Popiolek. In einem Anschreiben verweist sie auf die "Kampagne", die derzeit mit "kleinkarierter Gehässigkeit und Erbärmlichkeit" gegen die Bibliothek betrieben werde. "Wenn Sie wie Frau Renger für die weitere Förderung eintreten, erklären Sie dies bitte durch ihre Unterschrift", fordert sie die Adressaten auf. Unterschriften-Aktion Mit dieser Unterschriften-Aktion versucht Popiolek, "ihre" Bibliothek zu retten, die unlängst erst wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Der Grund: Die ehemalige KZ-Aufseherin Margot Pietzner, die 1992 als Opfer des Stalinismus anerkannt und mit 64 350 Mark aus Bundesmitteln entschädigt worden war, muß die Entschädigung zurückzahlen, nachdem Einzelheiten der NS-Tätigkeit bekannt wurden. Die Rehabilitierung als Stalinismusopfer hatten seinerzeit Leiterin Ursula Popiolek und Siegmar Faust, heute Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in Sachsen, befördert. Für "persönliche Hilfeleistungen" hatte Margot Pietzner Popiolek 20 000 Mark geschenkt, Faust erhielt 7 000 Mark. Annemarie Renger, die den Verein vor Jahren "einmal besucht" hatte, habe auf die schriftliche Bitte Frau Popioleks hin "guten Glaubens ein freundliches Schreiben" gesandt, sagte sie der Berliner Zeitung. "Öffentliche Vorwürfe" gegen die Bibliothek seien ihr nicht bekannt gewesen. Für die Verbreitung ihres Briefs als Rundschreiben "hat Frau Popiolek von mir keine Erlaubnis". "Das ist ein nicht zu fassender Mißbrauch meines Namens", empört sich die Ex-Bundestagspräsidentin.Mißbraucht fühlen sich auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler wie Jürgen Fuchs, Bärbel Bohley, Katja Havemann und Wolfgang Templin Vorwurf des Mißbrauchs "Wir als Vorstandsmitglieder haben Frau Popiolek mit unseren Namen die Türen für ihre Aufarbeitungs-Arbeit geöffnet", sagt Jürgen Fuchs. Doch den Fall Pietzner habe sie "hinter unserem Rücken" auf den Weg gebracht. Als bekannt wurde, daß eine KZ-Aufseherin entschädigt worden war, hatten die Bürgerrechtler den Verein verlassen. Im Sommer 1995 sperrte der Berliner Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen vorübergehend die Gelder. Im März dieses Jahres sprach sich das Abgeordnetenhaus gegen eine weitere Förderung aus.Das Parlament wird demnächst erneut über die Förderung des umstrittenen Vereins beraten. Zu einer Entscheidung maßgeblich beitragen wird ein Bericht Martin Gutzeits, der den Verein kritisch sieht.Zu weiterer Kritik war es im vergangenen Jahr gekommen, als im Bestand der Bibliothek Schriften mit rechtsextremistischem Inhalt entdeckt wurden, die auch verliehen worden waren. Daß die Bibliothek zunehmend zum Sammelbecken "orientierungsloser Rechtsextremisten" werden könne, befürchtet der Evangelische Sektenbeauftragte Thomas Gandow. Nach seinen Informationen engagierten sich Aktivisten der Psycho-Sekten "VPM" und "Mun" im Verein. Das bestätigt Vereinsmitglied Siegmar Faust, der darin einen "Ausdruck von demokratischem Pluralismus" sieht. "Wir sind doch keine Gesinnungspolizei", meint er. "Nur wer MfS-Angestellter oder IM war, muß das angeben", sagt Faust. Schließlich seien "VPM und Mun doch nicht verboten". +++