Verkäuferin Irmgard Klette setzte den Görlitzer Park durch - jetzt bekommt sie dafür einen Orden: Ein Verdienstkreuz für den Ämterschreck
Das ist Irmgard Klette: Sie haftet sich an Menschen und lässt sie nicht wieder los, ehe sie nicht Ja sagen. Manche tun das dann nur, um ihre Ruhe zu haben. Wer Irmgard Klette, eine 66-jährige Rentnerin aus der Görlitzer Straße, kennen gelernt hat, weiß, dass sie eine Nervensäge sein kann. Regierende Bürgermeister, Staatssekretäre, Baustadträte und kleine Beamte haben diese leidvolle Erfahrung gemacht. Irmgard Klettes Aufdringlichkeit ist es aber zu verdanken, dass es heute den Görlitzer Park gibt. Dafür bekommt sie am 1. Dezember von Sozialsenatorin Beate Hübner das "Bundesverdienstkreuz am Bande des Bundesverdienstordens". Diese Auszeichnung gibt es für Leute, die viel Zeit für ehrenamtliche Arbeit opfern. Kaufen kann sie sich für diese Auszeichnung zwar nichts, und eigentlich findet die ehemalige Verkäuferin Irmgard Klette das Verdienstkreuz auch als "zu hoch angesetzt". Aber vielleicht werden einige Bürokraten mit den Zähnen knirschen, hofft sie. Jene, die sie immer wieder ausgelacht haben, seit sie für einen künftigen Görlitzer Park in den Kampf zog. Schon in den Fünfzigern hatte der damalige Kreuzberger Bürgermeister die Idee für einen Park auf dem früheren Gelände des Görlitzer Bahnhofs der Grund, weshalb Irmgard Klette und ihr Mann an die Görlitzer Straße zogen. Die Pläne für den Park verschwanden in Schreibtischschubladen. Das Ehepaar blickte aus seinem Wohnzimmerfenster weiter auf einen Platz voller Gerümpel. Auf dem vermüllten Gelände, das der DDR-Reichsbahn gehörte, standen Schuppen und eine Schrottpresse. Irmgard Klette und der "Aktionskreis Südost" wollten, dass die Schrottpresse verschwindet und das Gelände ein Park wird. Doch Senat und Bezirk schreckten davor zurück, das Gebiet umzugestalten, aus Angst, dass die DDR dafür Millionen verlangen könnte. Irgendein Problem gab es immerDer Weg der Irmgard Klette durch die Behörden begann 1978. Sie gründete den Verein Görlitzer Park mit, telefonierte, agitierte und blieb stundenlang in einem Vorzimmer sitzen, bis sie dran kam. Sie sprach in mehr als 230 Ämtern und Institutionen vor, bis zum US-Stadtkommandanten. Sie reichte Gestaltungsvorschläge ein, organisierte einen Ingenieur, der gratis einen Spielplatz geplant hätte. Doch immer wieder blitzte sie im Bezirksamt ab. "Geht nicht", hieß es. Oder "zu teuer". Irgendein Problem gab es immer. Ja, sie rede ein bisschen schnell, gibt sie zu. Aber sie habe sich das wegen des Parks angewöhnen müssen. "Die Beamten haben immer nur zehn Minuten Zeit gehabt, da musste ich schnell sein."Vor zehn Jahren hatte sie einen Nervenzusammenbruch. "Ich war mal so weit, dass ich fast Brandbomben geworfen hätte." Heute fühlt sie sich ausgelaugt. Baustadtrat Matthias Stefke hält Irmgard Klette für eine "sehr aktive Frau" und vermutet: "Auf mich ist sie wahrscheinlich nicht so gut zu sprechen. Ich habe unsere Kontakte immer ein bisschen gestrafft." Stimmt. Auf das Bezirksamt ist sie am schlechtesten zu sprechen. "Die Kleinen in den Behörden", hat sie gemerkt, "hören einen nicht. Man muss zu den Großen gehen, den Senatoren und Staatssekretären." Gartenamtsleiter Hilmar Schädel, den Irmgard Klette für "einen ganz Lieben" hält, bescheinigt ihr "Penetranz im positiven Sinne". Ohne Frau Klette gäbe es den Görlitzer Park heute möglicherweise nicht. "Wäre sie nicht so anstrengend gewesen, dann wären die Politiker zur Tagesordnung übergegangen."Wenn man sich in eine Sache verbissen hat, gibt es oft kein Zurück. Sie machte immer weiter. Das erklärt sie damit, dass sie nie Kinder hatte. "Ich wollte aber welche, und wenn es nur hier im Park ist. Für so etwas entwickle ich ungeahnte Kräfte", sagt Irmgard Klette. "Wenn ich heute aus dem Fenster gucke, ist das schöner als ein Bundesverdienstkreuz." Offiziellen Dank hat sie bisher kaum erhalten. Zur Einweihung des Pamukkale-Brunnens 1998 im Park bekam sie vom Baustadtrat eine Einladung und einen Gutschein für ein Freigetränk. Irmgard Klette fuhr lieber in den Urlaub. Zu ihrer Auszeichnungsfeier am 1. Dezember sollen jene kommen, die ihr geholfen haben. "Der Bürgermeister ist der Einzige aus dem Rathaus", erzählt sie. "Aber ich habe dem gesagt: ,Bringen Sie ja keinen vom Bezirksamt mit .""Die Kleinen in den Behörden hören einen gar nicht. Man muss zu den Großen gehen. " "Nervensäge" Irmgard Klette