Das Schöne am Pessimismus ist bekanntlich, dass man später einmal weniger enttäuscht ist. Die Netzgemeinde suhlt sich gerade im wunderbarsten Schwarzsehen, weil mit Alexander Dobrindt doch künftig ein Minister für das Digitale zuständig sei, der nicht einmal über einen Twitter-Account verfüge, geschweige denn sich in der Vergangenheit über netzpolitische Dinge irgendwie sinnvoll geäußert habe.
Das ist natürlich gemein. Denn mit der gleichen Berechtigung könnte man Hermann Gröhe als Fehlbesetzung des Gesundheitsministeriums, Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister, Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin und Barbara Hendricks als Umweltministerin schon verdammen, bevor sie den Amtseid abgelegt haben.
Ein Minister, so viel Volkshochschule muss sein, ist in erster Linie ein Generalist an der Spitze eines Beamten-Apparats, der per definitionem aus sich heraus, geführt von beamteten Staatssekretären funktionieren sollte. Als politische Spitze gibt der Minister dann Richtungen vor, setzt Prioritäten und sorgt für die politische Unterstützung dieser Vorhaben. Dafür steht ihm eine gewisse Einarbeitungszeit zu. Allgemein gewährte man einer neuen Regierung mindestens 100 Tage, in denen sie sich finden darf.
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Soweit das Abstrakte. Konkret steht Alexander Dobrindt mit der CSU-Vize-Generalsekretärin Dorothea Bär eine der einschlägisten Twitterinnen des Bundestags als neue Parlamentarische Staatssekretärin zur Seite, für die das Internet längst nicht mehr Neuland, sondern Habitat ist. Bär wird vielleicht auch als eine der ersten bemerken, wie wenig das Verkehrsministerium in digitalen Fragen zu sagen haben wird: Denn es soll ausschließlich für die Netz-Infrastruktur und deren Ausbau zuständig werden, also die Versorgung der Republik mit Breitbandanschlüssen.
Die wirklich zentralen Fragen wie die Netzneutralität, die Sicherheit des Datenverkehrs, den Schutz der Verbraucher und urheberrechtliche Fragen, wie sie die Netzgemeinde viel stärker bewegt als der Netzausbau, werden weiterhin im Bundeswirtschaftsministerium, dem Bundesinnenministerium und dem Justizressort geklärt. Die Koalitionäre scheuten davor zurück, ein echtes Internetministerium zu gründen. Stattdessen behielten sie lieber das längst überholte Entwicklungsressort bei. Ob das jetzt eine gute oder weniger gute Nachricht ist, darüber darf die Netzgemeinde jetzt trefflich streiten. Und wird es auch in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung tun.