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Jetzt hat er seine eigene Partei, der Volksbühne-Regisseur Christoph Schlingensief am Freitag abend gründete er in einem Zirkuszelt auf dem Gelände der Volksbühne-Dependance "Prater" seine "Chance 2000". Eine Partei, die in den Bundestag einziehen will, als Sprachrohr für Arbeitslose und Behinderte. Die Losung des Abends gab ein Schlingensief in Zirkusuniform aus: "Werdet vom Zuschauer zum Macher." Seine Akteure, darunter Schauspieler Martin Wuttke, bezwingen Trapeze und springen auf ungesattelte Pferde auf. "Werdet mutiger", rufen sie in den Zuschauerraum, der mit 400 Personen bis auf den letzten Platz ausgefüllt ist. Weiterere Darbietungen: Eine Ziege springt über eine "Fünf-Prozent-Hürde", und Kanzler Kohl wird lautstark aufgefordert, seinen "Führerschein" abzugeben.Schon mittags hatte der Countdown für das Spektakel begonnen: In der Zirkuskuppel werden Transparente mit der Aufschrift "Beweis, daß es Dich noch gibt!" aufgehängt. Mitglieder einer Arbeitsloseninitiative verteilen T-Shirts mit dem Partei-Logo. In der Praterkantine sitzt Regieassistent Robert Koall und wartet auf seinen Chef Schlingensief. "In der Politik ist doch alles möglich", sagt Koall. "Deshalb gehen bei uns echte Pferde und Ziegen eine große Koalition ein." Der Zirkus, in dem das alles stattfindet, gehört den Sperlichs. Und die machen auch kräftig mit. Seit sechs Jahren steht das Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen für Zirkus der etwas anderen Art: In ihrem Zelt gibt s integrative Rollenspiele mit Behinderten und politisch-satirischen Witz. Nachmittags wird im Prater noch ein gemieteter BVG-Doppeldecker mit Plakaten beklebt, dann geht s noch schnell auf Werbetour nach Kreuzberg. Schlingensief begrüßt seine Darsteller von der Arbeitsloseninitiative: "Das sind die Stars!" Viele Leute bedrängen ihn, wollen noch Karten für die Premiere, aber es gibt keine mehr. Schlingensief weiß Rat: "Wir verteilen Luftballons am Eingang, damit kommt ihr als meine Komparsen rein." Und so geschah es dann auch.