von Michael Mönninger, Kunsthistoriker in Berlin: Allerhöchstes Lob für Lehrer

Derzeit ärgern sich wieder viele Eltern über durchwachsene Schulzeugnisse zum Winterhalbjahr, obwohl ihre Kinder doch durchweg hochbegabt sind. Manche machen Elternabende zu Tribunalen gegen Lehrer, weil sie Zweifel hegen, dass es in den Erziehungsanstalten mit rechten Dingen zugeht. Sie können sich mit Bertolt Brecht trösten. Der schrieb einmal ein flammendes Lob auf schlechte Schulen und böse Erzieher. Denn die hätten ihn mit ihrer Willkür und Ungerechtigkeit schon von Kindesbeinen an auf die Härte des Erwachsenenlebens vorbereitet, in dem es nicht nett und harmonisch zugehe, sondern der Klassenkampf tobe.Um die Wertschätzung des Lehrerberufs steht es trotz des Pisa-Schocks nicht zum Besten. Altkanzler Schröders Wort von den "faulen Säcken" findet immer noch zustimmendes Gelächter. In der Reihe der Traumberufe ist die Pädagogenzunft ähnlich vom Mythos zur Folklore herabgesunken wie zuletzt Piloten und Stewardessen. Auch das intellektuelle Renommee von Lehrern schwächelt enorm. Lang ist es her, dass einfache Schulmeister zu Geistesgrößen aufstiegen, wie es bei den Gymnasiallehrern und späteren Welthistorikern Ranke, Droysen, Mommsen oder Spengler der Fall war.Über Lehrer also nichts Gutes? Im Gegenteil: Selbst wenn ein Gespräch über gute Pädagogen ein Schweigen über viele schlechte einschließt, so ist es höchste Zeit, diesem schweren Beruf einmal mit Pauken und Trompeten allerhöchstes Lob zu singen. Lehrer und Lehrerinnen sind Helden des Alltags, Pioniere der Lebensbewältigung, Experten für alle Daseinsfragen und Vorkämpfer für Erweckungserfahrungen.Aus der bloßen Konsumentenperspektive eigener Schulerfahrungen kann niemand ermessen, was der tägliche Nahkampf mit zwei, drei Dutzend lebendiger Wesen bedeutet, die respektiert, interessiert, angeleitet und motiviert werden müssen. Unterricht sollte man sich als die intensivste Live-Erfahrung vorstellen, für die es selbst in unserer überkommunikativen Unterhaltungskultur keinen Vergleich gibt. Nicht einmal Politiker oder Showmaster würden jeden Tag fünf bis sieben Stunden auf Sendung gehen - und das ohne den Begleitschutz von Referenten, Ghostwritern und Claqueuren.Zudem müssen Lehrer jeden Tag von Neuem das unerschütterliche Urvertrauen ins Klassenzimmer mitbringen, dass alle Menschenkinder - trotz ihrer klingelnden Handys und quadratförmigen Spielkonsolenaugen - von Natur aus gut sind und vor Neugier platzen. Wer diesen Grundoptimismus nicht hat, der wird Störmanöver und Desinteresse der Zöglinge schnell persönlich nehmen und in eine Abwärtsspirale der negativen Aufmerksamkeit gerissen, an deren Ende der Vorruhestand steht. An Frühpensionierungen für kampferprobte Polizisten und Militärs stört sich kaum jemand. Aber ausgebrannte Lehrer mit vergleichbarer Fronterfahrung gelten als Drückeberger.Man erspare sich pathetische Reden über die schicksalsbestimmende Rolle der Pädagogen, von deren Geschick es abhängt, ob Lebensgeister schon früh entflammt oder aber restlos abgetötet werden. Es genügt, beim nächsten Elternabend weniger laut Klage zu führen und neuen Grundrespekt vor den Helden des alltäglichen Klassenkampfes zu entwickeln. Wenn das auf die Kinder abfärbt, können sich vielleicht sogar die schlechten Lehrer noch bessern.