Vor 200 Jahren wurde der Schinderhannes enthauptet: eine Räuberpistole aus dem Hunsrück: Kopf ab, Kopf weg
Sein Geburtshaus am Mühlbach in Miehlen im Taunus steht noch, die Fassaden in gemütlichem Fachwerk, ist heute die Gemeindebibliothek. Aber nichts war gemütlich hier, als um 1783 Johann Bückler geboren wurde: der Großvater Scharfrichter, der Vater Abdecker oder Schinder - "unehrliche Leute" damals, Außenseiter der Gesellschaft und ohne Aussicht, ihren sozialen Status zu ändern. Er hatte keine Chance, aber er nutzte sie. Mit 16 Räuberhauptmann. Mit 24 tot.Früh verschlug es ihn in den Hunsrück - da lebt er bis heute. Im Landgasthaus "Schinderhannes" in Sohren gibt es "Schinderhannes-Pizza" oder den stattlichen Schinderhannesteller mit Kartoffelsalat und für die Kinder "Julchens Leibgericht": Apfelpfannkuchen. Überm Stammtisch hängt das Schinderhannes-Lied, das einem noch heute eine Gänsehaut macht: "Im Soonwald, im Soonwald steht manche dunkle Tann, darunter liegt begraben so mancher Wandersmann. Das war der Schinderhannes, de Lumpehund, de Galgestrick, de Schrecken jedes Mannes und auch der Weiberstück." Hintendrauf, wie eine letzte Heimlichkeit unter Spießgesellen, eine Widmung von Carl Zuckmayer. Er war es, der dem Strauchdieb aus dem Hunsrück 1927 die höheren literarischen Weihen gab. Und Helmut Käutners Film von 1958 tat ein Übriges: Curd Jürgens als hinreißender Räuberhauptmann und Maria Schell als herzzerreißendes Julchen.Ganove von WeltrangDer Schinderhannes: Er gehört, behaupten die Leute, zum Hunsrück wie der Klabautermann zur christlichen Seefahrt und der Rübezahl zum Riesengebirge. Der Schinderhannes, einer der wenigen deutschen Ganoven von Weltrang. In den Wäldern, die ohnehin nicht geheuer waren, war er mit seinem Haufen unterwegs: der Schwarze Jonas, der Scheele Franz, der Schlechte Freier, der Butla, der Husaren-Philipp. Mit 16 hatte er den Oberbefehl über die Bande übernommen. Bald war er der "König des Soonwalds". Als ihnen allen im Großen Saal im Kurfürstlichen Schloss in Mainz der Prozess gemacht wurde, lautete die Anklage auf Straßenraub, Schutzgeld-Erpressung, nächtliche Erstürmung von Häusern mit Folterung der Bewohner. Und fünf Morde.Der Schinderhannes gesteht, was er kann - in der Hoffnung auf eine milde Strafe. Es hilft nichts. Zur Hinrichtung am 21. November 1803 war das Gedränge groß wie heute bei einem Formel-1-Rennen. 40 000 Zuschauer waren gekommen, als die Köpfe rollten. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: "Die Wo- che fängt gut an!" Und im Mainzer Stadtpark, wo er und 19 seiner Spießgesellen hingerichtet und sogleich begraben worden waren, stehen heute in letzter Symbolik 19 Pappeln im Kreis rund um eine zwanzigste.Der Schinderhannes: Ein Held? Ein Schurke? Im Hunsrück ist man sich heute noch nicht einig. Aber der halbe Hunsrück steckt noch voller Erinnerungen. Verstecke wie die Burgruine Steinkallenfels über Kirn, wo er seine letzte Nacht in Freiheit verbrachte, gehören dazu. Oder die verfallene Schmidtburg im Hahnenbachtal, seine Residenz sozusagen, wo man aus der Schlosskapelle wunderbar sehen konnte, wenn unten die Gendarmen anrückten.Spießbraten mit ÜberfallEinen Schinderhannes-Radweg gibt es entlang der alten Bahntrasse von Emmelshausen nach Simmern, 38 Kilometer lang. Schinderhannes-Wochenenden werden in Herrstein und Bad Münster am Stein veranstaltet - inklusive Spießbratenessen, Räuberprüfung und "Überfall" der Schinderhannes-Bande. Im Heimatmuseum zu Simmern sind noch Hut und Kugelbeutel aus seinem Besitz zu sehen, in Kirn ein alter Steckbrief, in der Lehrsammlung im Polizeipräsidium in Mainz das alte Fallbeil. Sein Skelett gehört der Anatomie der Uni Heidelberg. Nur sein Kopf verschwand im Zweiten Weltkrieg aus dem Senckenberg-Museum in Frankfurt auf Nimmerwiedersehen - als hätte die Schinderhannes-Bande noch ein letztes Mal zugeschlagen.Und der Schinderhannesturm in Simmern, dem Hauptstädtchen des Hunsrücks. Hier war er 1799 für ein langes halbes Jahr eingekerkert. Der Turm, der damals als ausbruchssicher galt, bis der Schinderhannes kam, ist heute freundlich geweißelt und trägt eine Wetterfahne obenauf, die den Schinderhannes darstellen soll. Zwei Beine baumeln zum Schrecken ahnungsloser Besucher aus einem Loch in der Decke - der Schinderhannes auf seiner abenteuerlichen Flucht, die mit einem Sprung sechs Meter tief in den Stadtgraben einen erfolgreichen Abschluss fand, auch wenn er sich dabei ein Bein brach.Seinen Kopf allerdings, den er längst nicht mehr hat, muss der Schinderhannes noch heute für alles Mögliche herhalten. In einer Vitrine im Schinderhannesturm sind lauter Kuriositäten zusammengetragen: Kräuterschnaps, Bier und Brot sind nach ihm benannt, ein Räuberspiel für zwei bis vier Personen, auch eine Rockgruppe namens "Schinderhannes" gibt es, und ihre jüngste CD trägt den frechen Titel: "In Berlin, da sind die Räuber ."Aber klammheimlich machte noch ein anderer aus seiner Bande posthum eine große Karriere: Peter Petri, der rechtzeitig untergetaucht war, aber acht Jahre später dann doch im Gefängnis landete. Hier erfand er, bevor er im Säuferwahnsinn starb, ein Kartenspiel, das bis heute seinen Spitznamen trägt: "Schwarzer Peter".SERVICE // Ausstellungen: Bis 31. 12. "Denn im Wald, da sind die Räuber. . . " im Hunsrücker Holzmuseum Morbach-Weiperath und "Schinderhannes - Realität und Mythos" im Hunsrück-Museum Simmern; bis Frühjahr 2004 Schinderhannes-Ausstellung im Heimatmuseum Bad Sobernheim.Einkehr: Landgasthaus Schinderhannes, 55487 Sohren, Tel. : 06543/20 18.Auskünfte: Hunsrück-Touristik, 54411 Deuselbach, Tel. : 06504/95 04 60; Naheland-Touristik, 55606 Kirn, Tel. : 06752/20 55.FRANZ-J. OLLER Die Geschichte des Schinderhannes - dargestellt auf einer Moritatenwand.