Vor zehn Jahren begann die Operation Wüstensturm gegen die irakische Besetzung Kuweits: Der vergessene Krieg
Die Schlacht beginnt am 16. Januar 1991, um 19.00 Uhr Washingtoner Zeit. Es ist "prime time", die beste Sendezeit im amerikanischen Fernsehen. Zwei Stunden vorher war der Botschafter von Kuweit ins State Department, das amerikanische Außenministerium, bestellt worden, wo er offiziell Bescheid erhielt, dass die Operation "Wüstensturm" zur Befreiung seines Heimatlandes anläuft. Botschafter Bandar telefonierte daraufhin mit König Fahd von Saudi-Arabien und übermittelte das vereinbarte Signal: "Unser alter Freund Suleiman kommt um drei Uhr morgens." Am 17. Januar, 03.00 Uhr morgens Ortszeit am Persischen Golf, das ist der 16. Januar, 19.00 Uhr Washingtoner Zeit, fliegen amerikanische Spezial-Einheiten in Apache-Hubschraubern den ersten Angriff auf acht Radaranlagen an der irakischen Grenze. Das Oberkommando in Bagdad aktiviert daraufhin das Luftverteidigungssystem. Der Nachrichtensender CNN überträgt live aus der irakischen Hauptstadt, zum ersten Mal in der Geschichte werden die ersten Salven eines Krieges in Echtzeit im Fernsehen gezeigt. Zu erkennen ist trotz des Einsatzes modernster Nachtsichtgeräte kaum etwas. Sirenen heulen auf und am nächtlichen Himmel explodieren die Geschosse der Luftabwehr, ohne irgendeine erkennbare Wirkung zu erzielen. Die Kommandeure der US Air Force im saudi-arabischen Dhahran warten gespannt auf die neunte Minute der CNN-Übertragung. Mit Hilfe neuentwickelter Waffen für die elektronische Kriegführung soll die gesamte Kommunikation über dem Irak ausgeschaltet werden. Es funktioniert wie geplant, der Bildschirm wird schwarz. Erst jetzt beginnt die eigentliche Attacke. Stealth-Bomber vom Typ F-117 greifen unterstützt von cruise missiles, die von Schiffen im Golf abgefeuert werden, die drei wichtigsten Anlagen der Luftverteidigung und Bagdad an. Der Oberkommandierende der Operation, US-General H. Norman Schwarzkopf, wird später erklären, es habe nur eine Stunde gedauert, um die 45 Schlüsselziele in der irakischen Hauptstadt zu treffen. 56 Flugzeuge seien in der ersten Welle ausgesandt worden, 56 zurückgekehrt. Insgesamt waren in dieser Nacht 400 Kampfflugzeuge in der Luft, dazu 160 Tankflugzeuge und fliegende Kommandozentralen. Alles sei ganz hervorragend synchronisiert gewesen, lobt der Vier-Sterne-General seine Leute. Heute nennt man das technische System, das diese Koordinierung ermöglicht hat, "internet". Was zu dieser Stunde seinen Anfang nimmt, erklärt der irakische Diktator Saddam Hussein zur "Mutter aller Schlachten". Auch amerikanische Autoren können sich des Pathos nicht enthalten. "Im Jahr 1991 geschah am Nachthimmel und im Wüstensand des Nahen Ostens etwas, das die Welt seit dreihundert Jahren nicht mehr erlebt hatte: die Geburt einer neuen Form der Kriegführung", schreiben Alvin und Heidi Toffler in ihrem Buch "Überleben im 21. Jahrhundert", das zwei Jahre später erscheint. Dies sei zwar noch nicht der "Krieg der Sterne", aber er ähnle ihm bereits, ein "brutales Experiment für den Krieg der Zukunft", meint der Franzose Paul Virilio in seiner Analyse "Krieg und Fernsehen".Obwohl ihm seinerzeit diese Bedeutung zugeschrieben wurde, war der Golfkrieg von 1991 weitgehend vergessen. Das ändert sich gerade ein wenig. Nicht unbedingt wegen des Jahrestages. Ein zehnter ist beinahe so beliebig wie jeder andere. Doch plötzlich tauchen zwei der Protagonisten von damals wieder auf der politischen Bühne auf: Dick Cheney, damals US-Verteidigungsminister, heute Vizepräsident, und Colin Powell, damals Stabschef und heute designierter Außenminister. Ihr heutiger Chef ist der Sohn des Präsidenten von damals. Sie alle tun in öffentlichen Auftritten so, als hätten sie noch eine Rechnung offen. Ein geschichtlicher, mindestens militärgeschichtlicher Wendepunkt schien gelöscht. Wie konnte das geschehen? "Der Haken an diesem Krieg war, dass er so verdammt schnell vorbei war", glaubt der damalige Chefredakteur der "Washington Post", Benjamin Bradlee. Das scheint auf den ersten Blick richtig: Der Luftkrieg dauerte 26 Tage, die darauf folgende Bodenoperation zur Befreiung Kuweits exakt 100 Stunden. Aber allein die geringe zeitliche Dauer ist keine Erklärung dafür, warum der vergessen ist. Dafür muss man vielmehr ein ganzes Bündel von Gründen anführen.Im Vorfeld der Kampfhandlungen war die Legitimität einer Militäraktion gegen Saddam Hussein nie ernsthaft umstritten. Der Irak hatte im August 1990 unter völlig fadenscheinigen Begründungen Kuweit überfallen und annektiert. Der klassische Fall einer Aggression. Es galt, die Souveränität und territoriale Integrität eines Staates, zu verteidigen. Dies ist eines der wichtigsten Prinzipien der internationalen Beziehungen. Geradezu lehrbuchhaft eröffnete sich die Rechtfertigung für einen "gerechten Krieg", sowohl im christlich-abendländischen wie auch in einem strikt völkerrechtlichen Sinne. Die Argumentation wird zu diesem Zeitpunkt im UN-Sicherheitsrat von der Veto-Macht China toleriert und von der Sowjetunion sogar geteilt. Der Krieg hat, über viele Stufen ausgehandelt, ein offizielles Mandat: Die Resolution 678 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Sie forderte ultimativ den Rückzug des Irak aus Kuweit. Bei Zuwiderhandlung werden "alle erforderlichen Maßnahmen" angedroht, um diesen Rückzug zu erzwingen.Die rechtliche Grundlage für die militärische Operation ist eindeutig, die Motivation der Öffentlichkeit für diesen Krieg aber doch ein Problem. Warum wird gerade gegenüber Irak auf eine Einhaltung der UN-Charta und des Aggressionsverbotes gedrungen? Warum hat der Westen zuvor Syriens Einmischung im Libanon, die türkische Okkupation Nordzyperns, den indonesischen Einmarsch in Ost-Timor und die israelische Besetzung arabischen Territoriums toleriert? In Kuweit herrscht ein anachronistisches Feudalregime. Es lässt sich schlecht behaupten, gerade dort stünden die westliche Demokratie und westliche Werte auf dem Spiel. Dies wird dennoch zu einer der entscheidenden Argumentationslinien der amerikanischen Administration. US-Präsident George Bush erinnert mehrmals an das Scheitern der Appeasement-Politik, die Ende der 30er-Jahre Hitler eindämmen sollte und letztlich in den Weltkrieg führte. Eine gewaltige "Saddam-ist-Hitler"-Propagandawelle läuft an, choreografiert von der Werbeagentur Hill and Knowlton (H&K). H&K, eine der größten Public-Relations-Firmen in den USA, schlachtet auch die Idee mit den "verkauften Babys" aus. Im September 1990 war erstmals die Behauptung aufgetaucht, in der Frühgeburten-Abteilung des Krankenhauses von Kuweit-City würden Babys aus ihren Brutkästen genommen und verkauft oder getötet. H&K schickt ein 15-jähriges Mädchen namens "Nayirah" als Zeugin in den Ausschuss des amerikanischen Parlaments, der die grausigen Vorfälle untersuchen soll. "Nayirah" behauptet unter Tränen, sie habe als Freiwillige in dem Al Addan-Hospital Dienst getan und alles mit ansehen müssen, bevor ihr die Flucht gelungen sei. Diese Behauptungen spielen die Schlüsselrolle für die moralische Begründung des Krieges gegen den grausamen Schlächter Saddam Hussein. Erst nach der Beendigung der Kampfhandlungen sollte sich herausstellen, dass die Geschichte von vorn bis hinten erlogen war. Die angebliche Krankenschwester "Nayirah" wird entlarvt als die Tochter von Saud Al Sabah, des kuweitischen Botschafters in Washington. Ihr fließendes, fast akzentfreies Englisch hatte in der Anhörung keinerlei Verdacht erregt.Der Krieg am Golf ist möglicherweise vor allem deshalb in Vergessenheit geraten, weil all die apokalyptischen Voraussagen seiner Gegner falsch waren. Die Angst vor einer Ost-West-Konfrontation oder vor einer Eskalation des Konfliktes zwischen der arabischen Welt und dem Westen war schon im Vorfeld weitgehend ausgeräumt worden. Gorbatschows Sowjetunion hatte der UN-Resolution zugestimmt und zur Koalition gegen Saddam gehörte sogar Syrien. Gefahr für den Zusammenhalt der Koalition bestand nur in einem Falle: Hätte sich Israel in den Krieg hineinziehen lassen, wären wohl einige arabische Staaten ausgeschert. Doch der jüdische Staat ertrug die provokativen Angriffe mit Scud-Raketen. Es waren nicht viele, manche versagten schon im Flug. Bei den restlichen funktionierten die von den USA gelieferten Patriot-Batterien. Zusätzlich honorierte Washington das Stillhalten Israels mit Milliarden von Dollar als Militärhilfe.Einige Experten hatten gewarnt, islamische Terrorgruppen würden sich mit Saddam solidarisieren, sollte das Regime angegriffen werden. Die Palästinensergruppe von Abu Nidal, so hieß es, habe ihre Kommandozentrale nach Bagdad verlegt. Geheimdienste schickten alarmierende Dossiers über die Vorbereitung von Anschlägen. Doch dies alles erwies sich als falscher Alarm. Die offizielle Statistik des State Department weist für den Beginn des Jahres 1991 weltweit 275 Anschläge aus. "Das einzige Mal, dass der Terrorismus die Vereinigten Staaten erreichte, war, als einige Meilen nordwestlich der Marinebasis Norfolk sechs Rohrbomben gefunden wurden, die an einem Öltank befestigt waren. Später stellte sich heraus, dass dies Teil eines Versicherungsbetruges war", schreiben Lawrence Freedman und Efraim Karsh in ihrer Geschichte des Golfkrieges.Den entscheidenden Einwand gegen einen Krieg brachte die Friedensbewegung in die Diskussion. Ihr Protest unter dem Motto "Kein Blut für Öl", sollte das letzte Aufflammen der einstigen Massenbewegung werden, die vorläufig letzte wirkungsvolle Einmischung zivilgesellschaftlicher Strukturen in die internationale Politik. Die heutigen Krawalle von Globalisierungsgegnern am Rande von Wirtschaftsgipfeln sind noch ein schwacher Nachhall. Trotz anfänglich eindrucksvoller Demonstrationen scheiterte die Kampagne gegen den Golfkrieg letztlich, weil ihre Ausgangsbehauptung dem Verlauf des Krieges augenscheinlich zu widersprechen schien. Zunächst erwiesen sich die Warnungen vor den Auswirkungen einer "ökologischen Kriegführung" durch den Irak als völlig überzogen. Der erste, begrenzte Einsatz der "Ölwaffe" erfolgte bereits einen Tag vor dem Ausbruch des Krieges, als irakische Artillerie einen Tank in der saudi-arabischen Grenzstadt Khafji in Brand setzte. Drei Tage später wurden die Ventile der Leitungen auf dem Ölterminal von Kuweit City geöffnet, so dass geschätzt 200 000 Barrel Öl in den Persischen Golf ausliefen und sich ein Ölfilm von mehr als 500 Quadratkilometern bildete. Zwei weitere Tage später setzten irakische Soldaten die Wafrah-Ölfelder und Lager in Brand, wodurch sich eine schwarze Wolkendecke über weiten Teilen Kuweits bildete. Eine ökologische Katastrophe, sicherlich. Insgesamt bestand jedoch niemals die Gefahr, das brennende Öl könne - wie von einigen befürchtet - den Effekt eines "nuklearen Winters", eines weltweiten Temperatursturzes, hervorrufen. Die Umweltkatastrophe blieb lokal begrenzt. Selbst der Preis des Öls gab keinerlei Anlass zur Sorge. Unmittelbar vor Kriegsbeginn lag der Preis pro Barrel bei 26 Dollar. Es war befürchtet worden, er könne sich wegen kriegsbedingter Einschränkungen der Produktion in Saudi-Arabien verdoppeln. Doch diese hatten, wie auch die Vereinigten Staaten, große Mengen Öl außerhalb der Kriegszone gelagert. Nach dem Auslaufen des UN-Ultimatums stieg der Preis für Rohöl tatsächlich auf 30 Dollar und dann noch einmal um weitere fünf Dollar. Doch die Situation änderte sich schnell und dramatisch: Der Ölpreis sank zeitweise sogar auf unter 20 Dollar.Das waren jedoch ohnehin nicht die Befürchtungen, die die Friedensbewegung umtrieben. Sie zweifelte vielmehr, dass der Krieg durch die überlegene Technologie des Westens und mit geringen Opfern gewonnen werden könne. Sie nahm die Angst der Öffentlichkeit vor einer großen Zahl von Verlusten unter den Soldaten und vor allem der Zivilbevölkerung auf. Auch ausgewiesene Militärexperten nährten diese Befürchtungen. Sie meinten, die elektronisierten Waffensysteme könnten nicht funktionieren, da sie viel zu wenig erprobt, zu kompliziert und anfällig seien. Gleichzeitig habe Irak ein halbes Jahr Zeit gehabt, die Verteidigung vorzubereiten: Sich einzugraben, Wälle und Befestigungen zu bauen und Minenfelder anzulegen. Man ging im Westen davon aus, dass die irakischen Streitkräfte aus gut ausgebildeten, modern ausgerüsteten Soldaten bestehen, die bis tief ins Hinterland gestaffelt stünden. Also erschienen hohe Verluste unausweichlich. Saddam Hussein brauchte offenbar nur zu warten, bis die Fernsehbilder mit den Zinksärgen über die Bildschirme flimmerten und bis die täglichen Beerdigungen auf den Soldatenfriedhöfen im Westen eine Stimmung gegen den Krieg erzeugen würden. Tatsächlich fielen auf Seiten der Anti-Saddam-Koalition 340 Mann. Die Zahl der irakischen Opfer ist nicht exakt zu bestimmen, weil Bagdad mit den Zahlen spielt. Am 5. Februar 1991 spricht Außenminister Tarik Aziz von 428 Todesopfern und 650 Verletzten. Glaubwürdigere irakische Quellen gehen von rund 2 300 Toten unter der Zivilbevölkerung und knapp 6 000 Verwundeten aus. Auf jeden Fall scheint es, als hätten die Präzisionswaffen, deren Wirkungsweise General Schwarzkopf bei seinen täglichen Pressekonferenzen so gern mit Videoaufnahmen vorführte, wenigstens annähernd so genau funktioniert, wie vorher versprochen. Wirklich erkennen konnte der Laie auf den Bildern aus den Cockpits der angreifenden Jets jedoch nichts. Die größte Kontroverse während der Kriegswochen wurde von dem Angriff auf einen Bunker in Amiriya ausgelöst, einem Vorort von Bagdad. Zwei lasergesteuerte Raketen waren über Lüftungsschächte in die weitläufige Anlage unter einem Supermarkt eingedrungen. Erste Berichte sprachen von 500 Toten, die meisten davon Frauen und Kinder. Später wurden die Zahlen nach unten korrigiert. Das Bagdader Informationsministerium karrte sehr schnell ausländische Journalisten an den Ort des Geschehens. Die amerikanischen Presseoffiziere gerieten kurz in einen Erklärungsnotstand. Dies war kein Unfall, die Waffen hatten tadellos funktioniert. Es habe sich trotz der zivilen Opfer um ein "legitimes Ziel" gehandelt, hieß die offiziell verbreitete Version. Saddam habe mutwillig Zivilisten in den Bunker gelassen, um eine militärische Kommandozentrale mit einem menschlichen Schutzschild zu decken. Weder dies noch das Gegenteil konnte je durch unabhängige Untersuchung bewiesen werden. In diesem Zusammenhang tauchte übrigens zum ersten Mal der Begriff vom Kollateralschaden auf. Der von dem Fernsehsender ABC als Ko-Moderator des Krieges angeheuerte frühere Pentagon-Mitarbeiter Anthony Cordesman benutzt ihn als Erster in der Öffentlichkeit. Überhaupt hielt sich jede TV-Station ein aktiven oder abgedankten Militär als Kriegserklärer.Hier nähern wir uns einem weiteren wesentlichen Grund dafür, warum dieser Krieg in Vergessenheit geraten ist. Niemand, vor allem nicht die mehr als 1 200 Journalisten am Ort, hätten das wirkliche Geschehen zu dokumentieren vermocht, schreibt John R. MacArthur in seiner Analyse "Die Schlacht der Lügen". Dieses erhellende Buch über "Zensur und Propaganda im Golfkrieg", wie es im englischen Untertitel heißt, hätte übrigens während des Kosovo-Krieges eine Nachauflage verdient gehabt. Der Autor deckt mit unzähligen Beispielen und Interviews die Kollaboration zwischen Militärs und Medien auf, die schon vor dem Krieg begann und sich danach fortsetzte. Die Konzentration der Reporter in so genannten Pools führte laut MacArthur zwangsläufig dazu, "dass kaum einer in diesem Krieg etwas wirklich bedeutsames gesehen hat". Noch deutlicher schrieb Tony Clifton am 11. Februar 1991 im Nachrichtenmagazin "Newsweek": "Jetzt weiß ich, warum ich keine Kinder habe. Ich möchte nicht, dass ein Kind mich später einmal arglos fragt: ,Papa, was hast Du im Golfkrieg gemacht? Denn ich müsste ihm antworten: ,Kind, ich habe in Dhahran, Saudi-Arabien, in einem großen Hotel in einem Lehnstuhl gesessen und ihn mir auf CNN angeguckt."Alle waren auf die täglichen Pressekonferenzen von General H. Norman Schwarzkopf angewiesen. Und der inszenierte diese Auftritte. Er jonglierte mit einem Wust von Zahlen und Daten: Nummern von Einheiten, Typenbezeichnungen der Waffen und Munition, Beschreibungen der militärischen Taktik. Auf jede Frage folgte ein neues Feuerwerk an vermeintlichen Informationen oder die Vorführung der für Laien nicht zu deutenden Bilder aus den Zielkameras. Selbst die "Washington Post" war hingerissen: "Er gab eine Vorstellung, die so fesselnd war, wie nur ein erstklassiger ,Hamlet sein kann." Und doch war es nur ein ganz altes Verfahren der Kriegspropaganda: Desinformation durch Überinformation. Doch das Fernsehen ging sogar noch weiter. MacArthur kommt in seinem Buch zu dem Schluss: "Nie zuvor war die Berichterstattung über einen Konflikt dermaßen von sorgfältig gestylten elektronischen Bildern dominiert." In den dokumentarischen Filmen über den Vietnamkrieg war noch richtig gekämpft worden. Das Sterben von Individuen war in Großaufnahmen zu sehen. Das Sterben im Golfkrieg ist nur auf einem einzigen Bild zu sehen: Ein halb verkohlter irakischer Soldat liegt in der Wüste neben der Straße nach Basra. Er ist das Opfer eines Luftangriffs der Alliierten auf seine nach Irak fliehende Einheit. Sonst gibt es keine Aufnahmen vom Leiden und vom Tod. Am eindringlichsten ist noch der endlose Zug von Fahrzeugen, die die irakischen Streitkräfte bei ihrem panikartigen Rückzug zurückließen. Die Stilisierung der Vorgänge zu Bildern ohne Emotionen und dies schon in der Echtzeit ist möglicherweise der Grund dafür, dass sich kaum ein Künstler später mit dem Golfkrieg auseinander gesetzt hat. Einmal abgesehen von Frederick Forsyths Spionageroman "Die Faust Gottes" und den filmischen Parodien von Lesley Nielson oder den "Three Kings". Selbst die offiziellen Schlachtenmaler ihrer britischen Majestät malen keine Schlachten, sondern trivialisieren die Tragödie.Letztlich erinnert sich auch deshalb kaum noch jemand an den Golfkrieg, weil er politisch völlig folgenlos blieb. Saddam Hussein ist immer noch da. Zehn Jahre Sanktionen haben ihm nichts anhaben können, wohl aber seinem Volk. Es ist verarmt und hungert. Kuweit bekam nach seiner Befreiung sein unverändert anachronistisches Feudalregime wieder, das ohne Rücksicht auf die Verteidiger des demokratischen westlichen Wertesystems in einer seiner ersten Aktionen alle palästinensischen Flüchtlinge deportierte, weil deren politischer Führer Yasser Arafat sich mit Saddam Hussein solidarisiert hatte. Die Balance im Nahen und Mittleren Osten hatte sich lediglich zeitweise verschoben, zu Gunsten Irans und Syriens, aber nicht grundsätzlich verändert. Die politischen Strukturen blieben überall unangetastet und sie sind es bis heute. Der so genannte islamische Fundamentalismus blieb weiter stark. Und auch die Vorstellung, dass fürderhin die Vereinten Nationen gestärkt und Prinzipien des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen bestimmend würden, erwies sich schnell als Illusion.Ein halbes Jahr später beginnt mit dem Augustputsch in Moskau der Zerfall der Sowjetunion. Er hat die Welt wesentlich stärker erschüttert als der Golfkrieg. Zum einjährigen Jubiläum macht das Nachrichtenmagazin U.S. News&World Report noch einmal eine Titelgeschichte. Sie trägt die Überschrift: "Triumph ohne Sieg". Jahre später klagen Veteranen des Golfkrieges über Konzentrationsschwächen, Gedächtnisschwund, Depressionen und Verdauungsprobleme. Krebserkrankungen treten überdurchschnittlich auf. Das Krankheitsbild wird "Golfkriegs-Syndrom" genannt. Das Parlament in Washington setzt einen Ausschuss ein, der in seinem Abschlussbericht feststellt, diese vielfältigen Symptome ließen sich nicht eindeutig auf eine gemeinsame Ursache zurückführen. Es wird für möglich gehalten, dass Bodentruppen mit dem Nervengas Sarin in Verbindung gekommen sind, oder dass sie den gegen das Giftgas verabreichten Medikamenten-Cocktail nicht vertragen haben. Krebs erregend soll die Uran-Munition wirken, die gegen Panzer eingesetzt worden war. Dieser Zusammenhang wird von einer Expertengruppe, die das Pentagon einsetzt, bestritten. Die US-Armee setzt die Munition in Bosnien und im Kosovo und wahrscheinlich auch in Serbien ohne die geringsten Bedenken erneut ein.Dies sei zwar noch nicht der "Krieg der Sterne", aber er ähnle ihm bereits, ein "brutales Experiment für den Krieg der Zukunft" REX/PETER BROOKER Der Fernsehkrieg, Soldaten vor dem Bildschirm. Gemälde des offiziellen britischen Golfkrieg-Malers John Keane.CORBIS/PETER TURNLEY Seltenes Foto aus dem Golfkrieg: Ein verbrannter irakischer Soldat in der Wüste. Bilder von den Opfern des Krieges gab es in den amerikanischen Medien so gut wie keine.AP/Dominique Mollard Der Nachrichtensender CNN überträgt live aus der irakischen Hauptstadt - zum ersten Mal in der Geschichte werden die ersten Salven eines Krieges in Echtzeit im Fernsehen gezeigt.