Wanderreiten ist auch in Brandenburg beliebt. Im Havelland lockt der viertägige "Uckerstern": Beim Klappern der Hufe
Der Fenchel dampft auf weißem Porzellan, dazu prasselt das Kaminfeuer. Sabine Zuckmantel serviert Reh an Kartoffelbrei und Preiselbeersauce. "Der Nachtisch wird noch nicht verraten", sagt sie. Die sechs Personen, die sich rund um den großen Esstisch versammelt haben, bringen gerade noch ein müdes Murmeln über die Lippen, bevor sie sich auf ihr Essen stürzen. "Der 30 Kilometer-Ritt heute war wirklich sportlich", gibt nun auch die Köchin zu. Selbst sie reibt sich die Augen.Jedem Reiter ein guter PartnerSabine Zuckmantel veranstaltet Wanderritte durch die Mark Brandenburg. Ihrem Gesicht sieht man an, dass sie sich fast nur im Freien aufhält. Wenn die 44-Jährige über den Hof läuft, sind ihre Bewegungen schnell und gezielt. Ihr straffer Tagesplan erfordert genaue Planung: Wenn sie nicht gerade eine Führung übernimmt, kümmert sie sich um das leibliche Wohl ihrer Gäste -und schießt das Wild, was später auf dem Teller liegt, auch gerne mal selbst. Die Verpflegung der Pferde und die Instandhaltung des renovierten Bauernhofes in Schönermark sowie die Organisation der oft tagelangen Wanderritte halten sie seit acht Jahren auf Trab.Die studierte Romanistin gab ihren gut bezahlten Bürojob auf, um sich mit ihren Pferden selbstständig zu machen. Mit dem herkömmlichen Ponyhof-Klischee hat ihre Auffassung vom Reiten nichts zu tun: "Mir geht es darum, eine interessante Gruppe um mich herum zu haben und ihr ein Gefühl für die Pferde und die Natur zu vermitteln", sagt Zuckmantel. Ihre Ausritte haben die historische Geschichte Brandenburgs oder ihre Landschaft zum Thema. Auf dem viertägigen "Uckerstern" etwa reitet die Gruppe unter Zuckmantels offiziell geprüfter Rittführung jeden Tag in eine andere Himmelsrichtung. Die Pferde -allesamt Araber-Berber aus Frankreich -tragen klangvolle Namen wie Daisy de Montjay oder Etincelle d'Arbre Mort und wecken im Reiter mehr Vertrauen als die dickköpfigen Urlaubsponys, die er sonst vielleicht gewohnt ist. Wo andere Pferde beim Anblick eines Traktors panisch in die Böschung springen, spielen die Tiere von Sabine Zuckmantel nur aufmerksam mit den Ohren. "Meistens passen meine Pferde zu ihren Reitern", sagt Zuckmantel verschmitzt, als sie einem Reiter Halfter und Putzzeug in die Hand drückt. Zur Gruppe gehören Gäste, die mit Ende vierzig zum ersten Mal auf einem Pferd sitzen, aber auch Menschen, die aussehen, als seien sie im Sattel geboren. Zuckmantel findet für jeden den richtigen "Partner".Wer Mut zum Galopp hat, bekommt Schimmel Foundling zugeteilt: Trittsicher und leichtfüßig bahnt sich die Stute ihren Weg Richtung Süden, er führt vorbei an einstöckigen Häusern mit schiefen Dächern, deren Fundamente auf große Findlingen gebaut sind. Die pastellfarbenen Fassaden der Häuser wirken wie aus dem Museum. Wenig erinnert an das einheitliche Grau direkt nach der Wende. "Die meisten Menschen in dieser Region arbeiten nebenbei als Bauern", sagt Zuckmantel. "Sie verkaufen ihr Gemüse auf den umliegenden Wochenmärkten." Wenn das Klappern der Hufe auf Asphalt zu hören ist, grüßen die Menschen in den Vorgärten. Der Anblick von Reitern ist Normalität im Havelland. So wundert es nicht, dass Tränken und ein sogenannter "Paddock" bereitstehen, als die Gruppe auf dem Viergehöft Gut Zernikow haltmacht. Den Sandplatz für Pferde hat der Gutsherr eigens für die Wanderreiter eingerichtet.Nach einem stärkenden Mittagessen führt der Weg über weite Wiesen und Wälder. Schneller Trab wechselt mit flottem Galopp. Erst mit der Dämmerung fällt der erste Blick auf die Uhr: Acht Stunden sind seit dem Aufsatteln in Schönermark vergangen. Die Truppe, die sich anfangs noch angeregt plaudernd auf den Pferden hin- und hergewendet hat, ist still geworden. Jeder ist mit sich und seinem Pferd beschäftigt, hängt seinen Gedanken nach und genießt die schwere, lauwarme Frühlingsluft, die nach Lagerfeuer riecht. "Viele heizen noch mit Holz", erklärt Zuckmantel. Plötzlich hebt sie die Hand. "Etincelle hat einen Stein im hinteren Huf." Zuckmantel steigt ab und läuft zu einem Pferd am Ende der Truppe. Später am Abend genießen die Reiter den versprochenen Nachtisch, während Zuckmantel mit einer Wanderkarte die nächste Tour erklärt. "Morgen reiten wir nach Norden. Im Granseer Hauswald haben wir ein anspruchsvolles Gelände und ganz weichen Boden. Mittags dann Pause auf dem Schloss Meseberg." Noch etwas breitbeinig, aber voller Neugierde auf den nächsten Tag zerstreut sich die Gruppe in die umliegenden Pensionen im Ort.------------------------------ReiterferienAnreiseSchönermark liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Berlin. Mit dem Auto: Am Kreuz Oranienburg wechselt man auf die B96, Richtung Stralsund. Geradeaus bis Gransee, dort Richtung Rheinsberg abbiegen und der Vorfahrtstraße folgen.AusreitenSabine Zuckmantel bietet Wanderritte im In- und Ausland von einem halben Tag bis zu sechs Wochen Länge an. Termine sind auf der Homepage einzusehen.www.wanderreiten-havelland.deUnterkunftGut Zernikow bietet seinen Gästen sowohl eine zünftige Ritterstube mit Hausmannskost an als auch Pensionen und Ferienwohnungen. Am 13. Juni findet dort das 13. Ritterfest statt.www.gut-zernikow.deSchloss MesebergGäste der Bundestagsregierung sitzen im "Schlosswirt" neben Spaziergängern. Spezialität: Wild.www.schloss-meseberg.deTourismusverbandwww.havelland-tourismus.com------------------------------Foto: (3) Vielseitig: Die Wanderführerin Sabine Zuckmantel reitet, jagt und kocht das erlegte Wild auch selbst. Gut Zernikow ist immer gut für eine Rast.