Weil in Jamlitz tausende KZ-Häftlinge starben, ist der Plan umstritten: Jugendtreff am NS-Tatort

JAMLITZ. Der Bahnhof von Jamlitz ist der Ort, an dem ausgemergelte Häftlinge aus dem nahen KZ-Außenlager für den Transport in die Gaskammern von Auschwitz verladen wurden. Tausende Gefangene kamen schon in Jamlitz ums Leben. Als die SS das Lager im Februar 1945 auflöste, wurden rund 1 500 Häftlinge auf den Todesmarsch geschickt. 1 342 Kranke blieben zurück. Sie wurden in zwei Mordaktionen von der SS erschossen. Noch heute wird in dem Ort im Landkreis Dahme-Spreewald nach einem der Massengräber mit den sterblichen Überresten von 753 zumeist ungarischen Juden gesucht.Der Bahnhof steht schon lange leer. Vor 13 Jahren fuhr der letzte Zug. Doch nun soll dem geschichtsträchtigen Ort wieder Leben eingehaucht werden. Der Berliner Sozialverein Karuna will dort eine Begegnungs- und Erholungsstätte für sozial benachteiligte Jugendliche errichten. Für 900 000 Euro sollen im Bahnhof Seminarräume, 35 Übernachtungsplätze und eine Wohnung entstehen. Auch ein aus dem Ort stammender Historiker, der die Geschichte des KZ-Lagers erforscht hat, wird dort sein Büro bekommen."Hier sollen Kinder bis zu 14 Tage lang in Workshops erleben, was Demokratie ist", sagt Karuna-Geschäftsführer Jörg Richert. Jamlitz sei gerade wegen seiner historischen Bedeutung einzigartig für die Bildungsarbeit. "Es ist der Ort, an dem jeder erleben kann, was geschieht, wenn Demokratie versagt."Karuna ist schon mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet worden - auch mit dem Bundesverdienstkreuz. Vor zwei Jahren kaufte der Verein das baufällige aber unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsensemble für 20 000 Euro von der Deutschen Bahn. Auch ein Wasserturm gehörte dazu. "Wir haben Schienen verkauft und das Geld so wieder hereinbekommen", sagt Richert. Das Dach ist bereits neu gedeckt. Das Geld stammt aus Landesmitteln für den Denkmalschutz."Der Bahnhof wurde für die zivile Nutzung gebaut. Er ist missbraucht worden - sowohl zu der Zeit, als es in Jamlitz ein KZ gab, als auch später, als sich dort ein sowjetisches Internierungslager befand. Das ist uns bewusst", sagt Richert. "Wir müssen und sollten aber mit solchen Orten arbeiten, Zeitzeugen hören, die Brücke zum Jetzt und Hier spannen."Nicht jedermann ist glücklich über das Projekt. "Jamlitz ist ein Tatort. Vom Bahnhof wurden entkräftete und halbtotgearbeitete Menschen in die Gaskammern geschickt", sagt Horst Seferens, der Sprecher der Gedenkstättenstiftung. Der Ort sei emotional zu belastet, um dort Bildung vermitteln zu können.Ortsteilbürgermeister Wilfried Götze kennt das Vorhaben von Karuna noch nicht. Der Verein wird erst im Frühjahr den Gemeindevertretern Rede und Antwort stehen. "Wir freuen uns aber, dass mit dem Bahnhof endlich wieder etwas geschieht", sagt er. Die Arbeit mit Jugendlichen hält er für wichtig. "Es ist in gewisser Weise Geschichtsaufarbeitung." Zudem soll in dem Wasserturm ein Café entstehen, dass auch von den Jamlitzern besucht werden kann.Karuna e. V. hat für das Jamlitzer Projekt eine prominente Befürworterin. Die Schauspielerin Hannelore Elsner. Sie ist zugleich Schirmherrin des Vereins. "Der Bahnhof Jamlitz als Begegnungsstätte wird ein Ort der Herzensbildung für junge Menschen werden, die sich allzu oft im Abseits unserer Gesellschaft empfinden", sagt sie. Es sei doch nur wünschenswert, wenn im Hier und Heute Kinder und Jugendliche Verantwortung in der Demokratie für sich und andere übernehmen."Ich unterstütze diese großartige Idee, weil ich gerade von den benachteiligten Mädchen und Jungen weiß, wie groß ihr Wunsch ist, aktiv am Leben in unserem Land teilnehmen zu können", sagt sie. Es sei in unserer aller Verantwortung, gerade die Orte einzubeziehen, die mit ihrer Geschichte leben müssen. "Was einen Kilometer vom Bahnhof entfernt vor und nach 1945 Schlimmes geschehen ist zeigt uns, wie schützenswert unsere Demokratie ist. Jamlitz ist eine Chance für unsere Kinder, auch gegen das Vergessen."Schon in diesem Sommer sollen die ersten Jugendlichen nach Jamlitz kommen.------------------------------"Jamlitz ist eine Chance für unsere Kinder, auch gegen das Vergessen." Hannelore Elsner, SchauspielerinFoto: Suche nach dem Massengrab, 2009: In Jamlitz sollen die sterblichen Überreste von 753 Opfern der SS ruhen.