Aktuell noch keine russischen Truppen in Ost-Ukraine
Russland will die Sicherheit im Donbass garantieren. Noch wollen sich die „Volksrepubliken“ selbst verteidigen. Aber die russische Armee ist bereit.

Moskau werde als Garant für die Sicherheit und Integrität der beiden abtrünnigen Donbass-Republiken in Donezk und Lugansk fungieren: Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem Fernsehsender Rossiya-24 am Dienstag. Lawrow sagte, dass die beiden Regionen unabhängig sein werden. Dieser Status sei in Verträgen verankert worden, die am Montag von Russlands Präsident Wladimir Putin und den politischen Anführern der beiden selbsternannten „Volksrepubliken“, Denis Puschilin und Leonid Pasechnik, unterzeichnet wurden.
„Zwischen Russland und diesen neuen Staaten wurden Verträge über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung unterzeichnet, in denen wir versprechen, ihre Sicherheit zu gewährleisten“, sagte der Außenminister. „Ich denke, das versteht jeder“, fügte er hinzu.
Zur Bestätigung der Aussagen Lawrows hat das Oberhaus des russischen Parlaments einem möglichen Truppeneinsatz zugestimmt. Der Föderationsrat votierte am Dienstagabend einstimmig für eine entsprechende Anordnung von Präsident Wladimir Putin. Der Kremlchef bestimme die Zahl der Soldaten und die Dauer der Stationierung „im Ausland“, hieß es. Der Einsatz müsse nach den Regeln des Völkerrechts erfolgen. Außerdem müsse er im Einklang mit der russischen Verfassung stehen.
Denis Puschilin von der Volksrepublik Donezk sagte am Dienstag, dass sich seine Region zunächst auf ihre eigenen militärischen Mittel verlassen wolle. Er schloss aber nicht aus, dass er Russland um militärischen Beistand bitten könnte. Puschilin sagte laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass: „Zunächst verlassen wir uns auf uns selbst, auf unsere eigenen Kräfte. Deshalb haben wir eine Mobilisierungskampagne gestartet. Wir werden weiter sehen, wie sich die Situation entwickelt. Natürlich schließen wir es nicht aus, Russland irgendwann um Hilfe zu bitte.“ Diese Bitte würde gemäß den Bedingungen des am Montag mit Russland geschlossenen Beistandspakt ausgesprochen werden, sagte Puschilin in einem Interview mit Rossiya-24.
Es gebe weiter Beschuss von ukrainischer Seite, sagte Puschilin. Deshalb würden auch weiter die Menschen in Russland in Sicherheit gebracht. Russische Staatsmedien berichteten, dass im Donbass bereits russische Truppen seien. Im Internet wurden Videos verbreitet, die angeblich russische gepanzerte Fahrzeuge im Donbass zeigen. Deren Authentizität lässt sich jedoch nicht verifizieren. Neue ungeprüfte Meldungen oder Spekulationen über russische Truppeneinheiten im Donbass waren am Dienstag nicht weit verbreitet. Die meisten Medien berichteten lediglich über den Beistandsvertrag. Reuters berichtet, dass die Übereinkunft zwischen Russland und den Volksrepubliken die russische Armee ermächtigt, die militärische Infrastruktur im Donbass zu nutzen und Stützpunkte einzurichten.
Die dpa berichtet: „Russland darf neuen Freundschaftsverträgen mit den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk zufolge eigene Militärstützpunkte in der Ostukraine errichten und betreiben. Die Verträge wurden in der Nacht zum Dienstag auf der Internetseite der russischen Staatsduma in Moskau veröffentlicht. Darin ist zudem die Rede von einem gemeinsamen Grenzschutz. Die Vereinbarung solle zunächst über zehn Jahre Bestand haben, mit der Möglichkeit einer automatischen Verlängerung.“
Russlands Vize-Außenminister Andrej Rudenko sagte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge in Moskau: „Derzeit will niemand irgendwas irgendwohin verlegen.“ Zugleich betonte er: „Sollte es eine Bedrohung geben, dann werden wir natürlich Beistand leisten - in Einklang mit dem ratifizierten Vertrag.“
Im Westen herrscht aktuell die Sorge, dass Russland Truppen schicken und damit eine Eskalation bei den Sanktionen und unter Umständen sogar eine militärische Konfrontation auslösen könnte. Die Financial Times schrieb: „Die Entscheidung des russischen Präsidenten, militärische Unterstützung zu entsenden, nachdem er separatistische Rebellenenklaven in der ostukrainischen Donbass-Region anerkannt hatte, hat die Befürchtungen des Westens vor einer breiteren Offensive verstärkt und eine weit verbreitete internationale Verurteilung und erste Schritte zur Bestrafung Russlands ausgelöst.“
Allerdings zeigten sich am Dienstag im Donbass keine außergewöhnlichen militärischen Aktivitäten, lediglich Schusswechsel und Vorwürfe, dass die andere Seite den Waffenstillstand verletzt habe.
Der Sonderbeauftragte des Amtierenden Vorsitzenden der OSZE in der Ukraine und in der Trilateralen Kontaktgruppe (TCG), Botschafter Mikko Kinnunen, sagte in einer Erklärung, er bedauere die Entscheidung des russischen Präsidenten „zutiefst, da sie den Vereinbarungen von Minsk auf verschiedene Weise widerspricht, einschließlich des Ziels, dass bestimmte Gebiete der Regionen Donezk und Luhansk Teil der Ukraine mit einem Sonderstatus sind. Wie alle OSZE-Teilnehmerstaaten hat sich Russland verpflichtet, die Souveränität und territoriale Integrität anderer, einschließlich der Ukraine, zu respektieren.“ Es sei „von entscheidender Bedeutung, dass die heutige Entscheidung nicht zu neuen Militäraktionen und Blutvergießen führen wird“. Kinnunen weiter: „Diplomatie und Verhandlungen sind alternativlos. Als Sonderbeauftragter stehe ich weiterhin zur Verfügung, um den Dialog mit allen Teilnehmern an den Diskussionen in der Trilateralen Kontaktgruppe fortzusetzen.“