Die Stunde der Rache: Oligarchen attackieren Putin

Einige Oligarchen fordern ein Ende des Ukraine-Kriegs. Ganz selbstlos sind sie nicht: Sie leben im Westen und sind Erzfeinde von Präsident Putin.

Oleg Deripaska im Jahr 2006 mit Wladimir Putin in Hanoi.
Oleg Deripaska im Jahr 2006 mit Wladimir Putin in Hanoi.dpa

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben mehrere Oligarchen Kreml-Chef Wladimir Putin attackiert. Sie leben im Ausland, haben Milliarden-Vermögen angehäuft und betrachten Putin als ihren Erzfeind, weil sie bei ihm in Ungnade gefallen sind und er ihren Aufstieg gestoppt hat.

In einem am Montag veröffentlichten offenen Brief an Putin schrieb der Medienmogul Evgeny Lebedev: „Als Bürger Russlands bitte ich Sie, den Zustand zu beenden, in dem Russen ihre ukrainischen Brüder und Schwestern töten.“ Zuvor hatten auch die Milliardäre Oleg Deripaska und Oleg Tinkow deutliche Kritik am russischen Krieg in der Ukraine geübt.

Lebedev, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat und im britischen Oberhaus sitzt, veröffentlichte den offenen Brief in der Zeitung „London Evening Standard“, die ihm gehört. Europa stehe „am Rande eines weiteren Weltkrieges“ und die Welt vor einer „möglichen atomaren Katastrophe“, warnte er darin. Putin müsse die derzeitigen Verhandlungen mit Vertretern Kiews nutzen, um „diesen schrecklichen Krieg in der Ukraine zu beenden“.

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„Als britischer Bürger rufe ich Sie dazu auf, Europa vor diesem Krieg zu schützen“, schrieb Lebedev. „Als russischer Patriot bitte ich Sie, den unnötigen Tod weiterer junger russischer Soldaten zu verhindern. Als Weltbürger rufe ich Sie auf, die Welt vor der Auslöschung zu schützen.“

Den Tod „unschuldiger Menschen“ in der Ukraine prangerte am Montag auch der russische Milliardär Oleg Tinkow als „undenkbar und inakzeptabel“ an. „Staaten sollten Geld für die Behandlung von Menschen und für die Krebsforschung ausgeben und nicht für Kriege“, schrieb er auf Instagram. Tinkow lebt ebenfalls in London und schuldet dem US-Fiskus 500 Millionen Dollar. Er müsste eigentlich wegen Steuerflucht an die USA ausgeliefert werden.

Der Milliardär Oleg Deripaska forderte angesichts der gegen Moskau verhängten Wirtschaftssanktionen ein „Ende des Staatskapitalismus“ in Russland. „Das ist eine echte Krise, und wir brauchen echte Krisenmanager“, erklärte der Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal auf Telegram. Deripaska ist in Österreich und der Schweiz engagiert und wird vom FBI wegen Geldwäsche und Erpressung gesucht.

Die noch in Russland aktiven Oligrachen hatten laut Reuters am Donnerstag ein Treffen mit Putin, über dessen Inhalt jedoch nichts verlautete.

Putin kritisierte unterdessen den Westen erneut. Bei einem Treffen, an dem unter anderem Russlands Zentralbankchefin Elwira Nabiullina und Sberbank-Chef German Gref teilnahmen, bezeichnete Putin wie schon zuvor die westlichen Länder als ein „Imperium der Lügen“, das „Sanktionen gegen unser Land realisieren“ wolle. Das Wachstum Russlands solle gestoppt werden.

In Russland wird nur selten Kritik der Wirtschaftselite an der Regierung laut. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich jedoch mehrere russische Oligarchen gegen das Vorgehen von Präsident Putin gewandt.

Am Sonntag hatte auch der russische Oligarch Michail Fridman erklärt: „Krieg kann niemals die Antwort sein“. In einem Schreiben an die Mitarbeiter seiner Beteiligungsgesellschaft Letterone forderte der gebürtige Ukrainer nach Unternehmensangaben ein Ende des „Blutvergießens“.

Einer der reichsten Männer Russlands, der Oligarch Roman Abramowitsch, wurde nach Angaben einer Sprecherin von ukrainischer Seite um Hilfe gebeten. Er sei kontaktiert worden, „um bei der Suche nach einer Lösung zu helfen und bemüht sich nun zu helfen“, erklärte Sprecherin Rola Brentlin.

Die EU-Staaten, die USA, Kanada, Japan und weitere westliche Verbündete haben harte Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine beschlossen. Dazu zählen unter anderem ein Ausschluss wichtiger russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift, die Sperrung von Transaktionen der russischen Zentralbank zur Stützung der russischen Währung und Exportverbote für High-Tech-Güter. Die Strafmaßnahmen richten sich aber auch gegen Oligarchen und deren Vermögenswerte.

Russland hat Vergeltungsmaßnahmen angekündigt, bisher aber noch keine genauen Schritte benannt. Präsident Putin wollte nach Kreml-Angaben am Montag mit seinen Ministern über die Folgen der Sanktionen für die Wirtschaft seines Landes beraten. (mit AFP)