Kann Mario Draghi zum Retter Europas werden?

Der frühere Goldman-Banker und EZB-Chef plant einen letzten Versuch, mit Wladimir Putin zu sprechen. Doch wann könnte das sein?

Mario Draghi auf einer Pressekonferenz in Rom am 12. Februar
Mario Draghi auf einer Pressekonferenz in Rom am 12. FebruarANSA

Nach der Absage des Treffens zwischen US-Außenminister Anthony Blinken und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow ruhen die Hoffnungen des Westens auf eine Vermittlung im Ukraine-Konflikt auf Mario Draghi: Italiens Ministerpräsident sollte ursprünglich diese Woche nach Moskau fahren, um sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Wie der Corriere della Sera am Mittwoch berichtet, ist der Termin noch nicht abgesagt. Das kann zwar kurzfristig noch geschehen, doch Draghi sieht Gefahr im Verzug: Eine Explosion der Energiepreise ist keinesfalls wünschenswert. Am Freitag erst hatte Draghi ein acht Milliarden Euro schweres Rettungspaket für die Italiener angekündigt, um ihnen bei den Heizkosten zu helfen und die Autoindustrie vor einer neuen Krise zu schützen.

Italien bezieht über 80 Prozent seines Gases aus Russland, die italienische Wirtschaft ist so eng mit der russischen vernetzt wie keine andere in Europa. Erst kürzlich hatte Putin zugesagt, die italienischen Unternehmen unterstützen zu wollen, das war allerdings vor der Anerkennung der Donbass-Republiken. Probleme im Energiesektor kann die italienische Wirtschaft am allerwenigsten gebrauchen. Draghi warnte vergangene Woche jedoch auch davor, dass eine weitere Eskalation zu schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten führen dürfte.

Der frühere EZB-Chef und Goldman-Banker kennt wie kein anderer die Mechanismen von Spekulation, Attacken und Endspielen an den Märkten. Dies allein dürfte ihn für Putin zu einem sehr wertvollen Gesprächspartner machen. Draghi sprach am Dienstag ausführlich mit Emmanuel Macron über die Lage: Der französische Staatspräsident war früher bei Rothschild und hat wie Draghi ein perfektes Verständnis von der Dynamik der Finanzmärkte, insbesondere der City of London. Die russische Führung wiederum ist wegen der Rohstoffmärkte in der globalen Finanzszene gut vernetzt und spricht daher auch bei Meinungsverschiedenheiten dieselbe Sprache wie ihre wichtigsten europäischen Politiker.

Ob es zu dem Treffen kommen wird, war am Mittwochabend unklar: Italiens Außenminister Luigi Di Maio will keine Moskau-Reise des Ministerpräsidenten. Er sagte laut dpa vor dem Senat: „Heute Morgen haben wir uns mit Ministerpräsident Draghi über die nächsten zu unternehmenden Schritte abgestimmt, um eine diplomatische Lösung zu begünstigen. Trotzdem glauben wir, dass es keine neuen bilateralen Treffen mit der russischen Führung geben kann, solange es keine Signale einer Lockerung der Spannungen gibt.“

Was das allerdings genau bedeutet, weiß niemand in Rom. Am Mittwoch erklärte Draghi in Florenz, die Ereignisse in der Ukraine veranlassten dazu, zu wiederholen, dass Machtmissbrauch und Übergriffe nicht toleriert werden können.