Kriegsverbrechen: „Keine doppelten Standards“

Die Linke-Abgeordnete Dagdelen fragt nach der Mitwirkung der Bundeswehr an einem US-Luftschlag, bei dem in Syrien 60 Zivilisten starben.

Sevim Dagdelen im Deutschen Bundestag.
Sevim Dagdelen im Deutschen Bundestag.Foto: dpa

Die Bundesregierung bestätigt, an beiden Tagen vor dem Luftangriff des US-Militärs am 18. März 2019 im syrischen Baghus, bei dem laut Recherchen der New York Times 60 Zivilisten starben, Einsatzflüge in der Region durchgeführt zu haben. Die durch deutsche Tornados generierten Aufklärungsprodukte wurden im Rahmen der Operation Inherent Resolve den USA zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung will jedoch keine Kenntnisse darüber haben, ob der Luftangriff auf Grundlage der deutschen Aufklärungsdaten erfolgt war. Das geht aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen und anderer Abgeordneter der Linkspartei durch das Auswärtige Amt hervor. Bei der Anfrage mit dem Titel „Die zivilen Opfer bei US-geführten Luftangriffen und die Rolle der Bundesregierung“ wollte Dagdelen erfahren, inwieweit die Bundeswehr an der Militäroperation mitgewirkt hatte.

Es ist unklar, ob es sich bei der Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den Amerikanern um dasselbe Prozedere gehandelt hat wie 2017: Damals hatte der Spiegel im Zusammenhang mit einer kleinen Anfrage der Grünen über einen ähnlichen Fall berichtet, als Tornado-Luftaufnahmen bei einem US-Luftangriff in Mansura mit 30 toten Zivilisten verwendet wurden. Bei dem lange vertuschten Luftangriff auf Baghus handelt es sich um einen der Angriffe mit den meisten zivilen Opfern im Kampf gegen den IS.

Dagdelen fragte weiter: „Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der nach Berichten ,systematisch in Kauf genommenen Tötung von Zivilisten‘ bei US-Drohnenangriffen hinsichtlich der Nutzung der Militärbasis in Ramstein durch die USA, vor dem Hintergrund, dass sie bislang von der Völkerrechtskonformität der Drohneneinsätze ausgegangen war?“ Die Antwort der Bundesregierung lautet: „Die USA haben der Bundesregierung wiederholt zugesichert, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgen. Die Bundesregierung steht zur Frage des Einsatzes von Drohnen und der Rolle des US-Stützpunktes Ramstein mit ihren amerikanischen Partnern in einem vertrauensvollen Dialog und wird diesen auch in Zukunft weiter fortsetzen.“

Dagdelen, die auch Obfrau im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages ist, sagte der Berliner Zeitung: „Bei der Ahndung von Kriegsverbrechen darf es keine doppelten Standards geben. Es ist beschämend, dass die Tötung von Zivilisten durch die US-Luftwaffe in Syrien weiter ungesühnt bleibt. Es ist höchste Zeit, die Mitverantwortung der Bundeswehr für die US-Kriegsverbrechen aufzuklären. Die Bundesregierung darf sich hier nicht weiter wegducken.“

In ihrer Vorbemerkung schreiben die Fragesteller: „Einem Bericht der New York Times (NYT) zufolge haben die USA bei ihrem Drohnenkrieg im Nahen Osten verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung in Kauf. Vertrauliche Regierungsdokumente mit mehr als 1.300 Berichten über zivile Opfer zeigen demnach, dass bei 50.000 Luftangriffen in Syrien, Afghanistan und dem Irak weit mehr Zivilisten getötet wurden als vom US-Militär eingeräumt. Während die USA ihren Luftkrieg gegen den Islamischen Staat (IS) als präziseste und humanste Bombardements in ihrer Geschichte darstellten, sei dieser von mangelhafter Aufklärung, übereilten und ungenauen Raketenabschüssen und dem Tod Tausender Zivilisten, darunter viele Kinder, geprägt gewesen.“

Und weiter: „Die Transparenzversprechen aus der Zeit von Barack Obama, der als erster US-Präsident Drohnenangriffe bevorzugte, um das Leben von US-Soldaten zu schonen, seien durch Undurchsichtigkeit und ein System der Straffreiheit ersetzt worden. Die offiziellen Zahlen des US-Pentagons, laut denen seit 2014 bei Luftangriffen in Syrien und im Irak 1.417 Zivilisten und in Afghanistan 188 Zivilisten versehentlich getötet wurden, seien angesichts der Civilian Casualty Files deutlich untertrieben. Bereits im Jahr 2010 hatten der Journalist Julian Assange und die Internetplattform WikiLeaks im Zuge der Veröffentlichung der Afghan War Diary und der Iraq war logs, in Zusammenarbeit mit Medien wie der New York Times, dem Guardian oder dem Spiegel Tausende Dokumente veröffentlicht, die Kriegsverbrechen der USA im Irak und Afghanistan belegen sollen. Während keiner der Verantwortlichen der mutmaßlichen US-Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen wurde, wird Julian Assange in den USA wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten nach dem Espionage Act von 1917 strafrechtlich verfolgt.“

In London droht Assange aktuell die Auslieferung an die USA, seine Anwältin Jennifer Robinson sagte der Berliner Zeitung, Assange würde die Auslieferung nicht überleben.