Von der Leyen kann China nicht zur Umkehr bewegen

Peking balanciert zwischen der EU und Russland und will vor allem eines: wieder ungestört Handel mit allen betreiben.

Das Treffen der EU mit China am 1. April
Das Treffen der EU mit China am 1. AprilAP/Xinhua

Die EU musste ihre Mission, China zu einer Ablehnung des russischen Krieges zu bewegen, offenbar aufgeben: Die EU konnte China lediglich vor einer Unterstützung Russlands bei der Umgehung westlicher Sanktionen warnen: „Wir haben deutlich gemacht, dass China sich zumindest nicht in die Sanktionen einmischen sollte“, die die EU nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gegen Moskau verhängt hatte. „Der Wirtschaftssektor beobachtet die Ereignisse sehr genau und bewertet, wie sich die Länder positionieren“, warnte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Welche Haltung Peking in dem Konflikt einnehme, berühre „natürlich langfristige Investitionsentscheidungen“.

Chinas Präsident Xi erklärte nach dem Gipfeltreffen laut chinesischen Staatsmedien, Peking und Brüssel müssten „eine konstruktive Rolle in wichtigen Fragen des Weltfriedens und der Entwicklung spielen und stabilisierende Faktoren in eine turbulente Welt einbringen“. Der Krieg in der Ukraine wurde in Xis Stellungnahme nur am Rande als „Krise“ erwähnt.

Ministerpräsident Li Keqiang sagte auf dem EU-China-Videogipfel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Freitag, China wolle „auf seine eigene Weise“ Friedensgespräche führen. Sein Land arbeite mit der EU und der Welt zusammen und wolle „eine konstruktive Rolle spielen, um die Lage zu entspannen, die Feindseligkeiten einzustellen, eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Frieden bald zurückkehren zu lassen“. China setze sich für Souveränität und territoriale Integrität, grundlegende Normen in internationalen Beziehungen und die Lösung von Konflikten „durch Dialog und Verhandlungen ein“, wurde Li Keqiang vom chinesischen Außenministerium laut dpa zitiert.

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Die von der EU erhoffte Distanzierung zu Russland und dessen Angriffskrieg kam nicht. Bereits zu Beginn des Gipfels sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian, es sei unklug, den Konflikt durch simple Freund-Feind-Schemata lösen zu wollen. Zhao kritisierte die Sanktionen und sagte, die Sanktionen und nicht deren Umgehung seien das Problem, weil der normale Handelsaustausch mit Russland „unnötigerweise“ geschädigt werde.

Allerdings verzichtete Li darauf, den Westen und die Nato als verantwortlich für die Eskalation zu benennen – eine Lesart, die seitens Peking im Vorfeld des Gipfels von Außenminister Wang Yi präsentiert wurde und bei den EU-Staaten für Irritation und Verärgerung gesorgt hatte. EU-Offizielle hatten laut Al Jazeera im Vorfeld des Gipfels gesagt, weder die EU noch China hätten ein Interesse. Allerdings ist beiden an einer Wiederherstellung des normalen Handelsverkehrs gelegen. Die USA und die EU machen 25 Prozent des chinesischen Handelsvolumens aus, Russland dagegen nur 2,4 Prozent.

Russland und China versuchen wegen des grundsätzlichen Konflikts mit dem Westen, eine Gegen-Allianz in Asien zu etablieren. Zu dieser soll in jedem Fall Indien gehören, die größte Demokratie der Welt und ein Land, das enge Beziehungen mit Russland unterhält. Das Verhältnis zu China ist gespannt, könnte sich jedoch nach einem kürzlich erfolgten überraschenden Besuch des chinesischen Außenministers in Neu-Delhi positiv entwickeln. Dazu wollen die Russen beitragen: Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat bei seinem ersten Besuch in Indien seit Beginn des Ukraine-Kriegs die neutrale Haltung Indiens gelobt. Die indische Außenpolitik sei unabhängig und habe legitime eigene Interessen, sagte er am Freitag in Neu-Delhi. Lawrow betonte auch das Interesse an intensiven Handelsbeziehungen: Russland werde Indien alle Güter liefern, die es kaufen möchte. Indien will unter anderem seinen Import russischen Öls ausbauen und hat seit Kriegsbeginn bereits mehrere Millionen Barrel davon gekauft.

Indien, Russland und China sind an stabilen Verhältnissen aktuell besonders interessiert: Der Premierminister der Atommacht Pakistan, Imran Khan, droht zu stürzen, wodurch das fragile Gleichgewicht auf dem Subkontinent gestört würde. Khan warf am Freitag laut der Zeitung The Hindu der US-Regierung vor, einen Putsch gegen ihn lanciert zu haben und einen „Regime Change“ in Pakistan herbeiführen zu wollen.