Wie Putin-Freund Orbán vom Krieg profitiert
In Ungarn schwindet die Hoffnung der Opposition, Viktor Orbán von der Macht zu vertreiben. Der autokratische Politiker könnte sich als Kriegsgewinner erweisen.

In Ungarn schwindet die Hoffnung der Opposition, Viktor Orbán von der Macht zu vertreiben. Wie István Hegedüs, Vorsitzender der Hungarian Europe Society, am Donnerstag bei der einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin sagte, stehen „die Chancen der Opposition nicht so gut“, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen einen Regierungswechsel in Budapest herbeiführen zu können.
Obwohl die Opposition erstmals geeint als Block auftritt und mit dem liberal-konservativen Péter Márki-Zay einen echten Herausforderer für Orbán stellt, sind die Erwartungen auf einen Sieg nach einem überzeugenden Start in den Wahlkampf nicht mehr allzu hoch. Der Grund dafür liegt überraschenderweise im Krieg Russlands gegen die Ukraine: Orbán steht Putin in der EU zwar mit Abstand am nächsten. Doch hat es der Fidesz-Chef geschafft, den Krieg mit einer geschickten Doppelstrategie für sich zu instrumentalisieren. So habe Orbán laut Hegedüs das Konzept der „strategischen Ruhe“ ausgerufen. Demnach müsse sich Ungarn neutral verhalten. Ungarn soll „in einem Konflikt von zwei fremden Staaten“ nicht Partei ergreifen. Diese Position beruhe auf einer „speziellen Interpretation der ungarischen Geschichte“, sagt Hegedüs. „Die Großmächte haben in der Vergangenheit immer mit uns gespielt, daher wollen wir eine Großmacht nicht provozieren.“
Diese „Friedensrhetorik“ sei „moralisch nicht akzeptabel“, findet die ungarische Linke – doch sie kommt damit bei den Wählern nicht durch. Zumal Orbán es verstanden habe, den Ungarn gleichzeitig zu sagen, „dass Ungarn ohne das russische Öl, Gas und die Energie nicht auskomme“ und sich daher erneut als Stachel im Fleisch der EU habe positionieren müssen: Orbán erklärt seinen Wählern, dass er weitergehende Sanktionen gegen Russland blockiert habe – und Hegedüs ist überzeugt, dass er dies auch tun werde, selbst wenn die EU neue Sanktionen beschließen sollte. Zugleich sei es Orbán gelungen, der Opposition das wichtigste Argument aus den Händen zu schlagen, dass Orbán nämlich ein Unmensch und Flüchtlingsfeind sei: Orbán hat zu Beginn des Ukraine-Krieges erklärt, dass nun die Zeit sei, „Solidarität“ zu üben und Flüchtlinge aufzunehmen.
Hegedüs sagt, dass, ohne dies explizit zu sagen, es natürlich um „weiße europäische“ Menschen gehe, während sich die Ablehnung der Ungarn im Jahr 2015 gegen Menschen aus anderen Teilen der Welt gerichtet habe. Auch die Corona-Politik sei durch den Krieg überlagert worden. Die Orbán-Regierung habe zwar viele Fehler gemacht, wie etwa die Zulassung des „gefährlichen“ Impfstoffs aus China. Doch würden die ungarischen Wahlen nicht mit Sachthemen gewonnen, sondern vor allem auf dem Feld der Identitätspolitik. Und da habe Orbán die besten Karten. István Hegedüs: „Orbán ist erst 59 Jahre alt. Ich habe mich darauf eingestellt, dass ich keinen anderen ungarischen Ministerpräsidenten mehr erleben werde.“