Wie die Triathleten mit dem Thema Doping umgehen: Erwachen aus jungfräulichem Schlaf
LEIPZIG, 14. Oktober. Es war vor einem Jahr, als Kurt Denk den Anruf bekam, der seine Sicht auf die Dinge änderte. Am Telefon war Triathletin Nina Kraft. Verstört sei sie gewesen, sagt der Veranstalter des Ironman in Frankfurt, als dessen Protegé die Braunschweiger Sportlerin galt. Ein paar Sätze später war klar, dass Kraft, die Siegerin des Hawaii-Triathlons 2004, keine Siegerin mehr war, sondern eine Dopingsünderin. Mit dem Epo-Fall Kraft, der beim bedeutendsten aller Triathlon-Rennen über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen auf Hawaii aufflog, ist Triathlon aus seinem jungfräulichen Schlaf erwacht.Der Elite-PassIm Jahr eins nach dem spektakulären Fall, das auch das Jahr eins nach dem Hawaii-Sieg des Mannheimer Triathleten Normann Stadler ist, starten die Profis am Sonnabend nun mit gemischten Gefühlen am Pier von Kailua Kona. Zum einen, weil sich seither die Dopingfälle häuften. Zum anderen, weil es bisher kein einheitliches Kontrollsystem für die Langdistanz gibt. Stattdessen streiten sich der Triathlon Weltverband ITU und die World Triathlon Corporation (WTC) als kommerzieller Veranstalter der weltweit populären Ironman-Rennen um gegenseitige Anerkennung. Es könnte sein, dass die Langdistanz-Profis bald komplett aus dem Kontrollnetz nationaler Verbände fallen. Die nämlich investieren lieber in die olympische Kurzdistanz.Die Deutsche Triathlon Union (DTU) passte ihre veralteten Anti-Doping-Regeln erst dem aktuellen Code der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada an, als kurz zuvor Katja Schumacher, die zweitbeste Deutsche, durch erhöhte Testosteron-werte aufgefallen war. Im Januar 2005 führte die DTU den Elite-Pass für Profis ein. Er kostet jeden Athleten 250 Euro und sieht für die 74 deutschen Inhaber regelmäßige Dopingkontrollen vor. Tatsächlich wurden aber Profis wie etwa Normann Stadler in diesem Jahr in Deutschland nur einmal im Training kontrolliert. "Eine einmalige Kontrolle ist viel zu wenig. Das muss regelmäßig und unangemeldet geschehen", sagt Kurt Denk.Für Kritik aus dem Athletenkreis sorgt der Hawaii-Start von Rutger Beke. Der Belgier belegte dort im vorigen Jahr Rang fünf, obwohl sein Urin einen Monat zuvor bei einem Wettkampf erhöhte Epo-Werte aufwies. Seine 18-monatige Sperre wurde im August aufgehoben, weil Bekes Körper angeblich Eiweißstoffe bildet, die Einfluss auf die Tests gehabt haben sollen. Beke will nun die Wada und die Labors in Köln und Gent auf 125 000 Euro Schadenersatz verklagen. Ebenso fragwürdig bleibt der Fall von Virginia Berasategui und Iban Martinez. Die Spanier wurden kürzlich vom Verdacht des Epo-Dopings beim Ironman Lanzarote 2005 frei gesprochen, weil die Wada empfohlen hatte, ihre Proben nicht zu werten, da Transport und Lagerung die Ergebnisse verfälscht hätten. Beide starten nun ebenfalls auf Hawaii.Inzwischen sehen die Ironman-Veranstalter ihr Produkt gefährdet. Auf Denks Initiative gründete sich im Februar die Global Tri Group (GTG), "eine Organisation ehemaliger Profi-Triathleten, die sich um etwa Versicherung, Kampfrichterausbildung und Dopingkontrollen kümmert", wie er sagt.Das bedeutet, dass die WTC und ihre Ironman-Lizenznehmer nun die Wada mit Kontrollen beauftragen und diese bezahlen. Bisher werden allerdings nur 20 Topathleten weltweit überwacht. Tatsächlich klopften die Kontrolleure der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada in den Monaten vor Hawaii bisher zweimal an Stadlers Tür im Trainingsquartier in San Diego. Trotzdem ist Kurt Denk nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Realist genug, um zu wissen, dass diese Bemühungen nur ein erster Schritt sein können. Aus dem Fall Kraft hat er gelernt, "für keinen Athleten mehr die Hand ins Feuer" zu legen.------------------------------Foto : Titelverteidiger in Hawaii: Triathlet Normann Stadler.