Wie sich Sprache anfühlt

Wörter lösen Gefühle aus. Wenn vom "Zahnarzt" die Rede ist oder von der anstehenden "Matheklausur", erzeugt allein die Erwähnung dieser Begriffe bei vielen Menschen Angst. Doch nicht nur offensichtlich negativ besetzte Begriffe tragen einen Gefühlsgehalt in sich, viele Wörter haben neben ihrer eigentlichen Bedeutung, der Denotation, noch eine subjektive Nebenbedeutung, eine Konnotation, die bewusste oder unbewusste Gefühle hervorrufen. So wird etwa der Begriff des Managers in Deutschland als mächtig und ziemlich negativ empfunden. Er löst ähnliche Gefühle aus wie die Begriffe Ehebrecher, Metzger oder Krimineller.Das ist eines der ersten Ergebnisse, die Tobias Schröder, Diplom-Psychologe an der Humboldt-Universität, in einer Studie ermittelt hat. Gemeinsam mit der Indiana University arbeitet er in seinem Dissertationsprojekt an dem ersten deutschen Lexikon der gefühlten Sprache. David Heise von der Indiana University hat ein solches Lexikon für die Vereinigten Staaten bereits erstellt. Auch in Kanada und Japan liegen vergleichbare Arbeiten vor. In Polen ist ein ähnliches Projekt in Vorbereitung. Je mehr Vergleichsdaten vorliegen, desto besser kann man die Auswirkungen der gefühlten Sprache auf die interkulturelle Kommunikation untersuchen. Denn in verschiedenen Sprachkulturen sind auch die Konnotationen der Wörter oft unterschiedlich. So ist etwa der Begriff Manager in den Vereinigten Staaten keineswegs so negativ besetzt wie in Deutschland. Er fällt in den USA eher in die Kategorie des Richters, der zwar als mächtig aber ebenso als beruhigend empfunden wird.Aber fühlt denn nicht jeder etwas anderes bei bestimmten Wörtern? Natürlich gäbe es individuelle Gefühle, erläutert Tobias Schröder, aber trotzdem sei die statistische Übereinstimmung erstaunlich hoch. So stimmen in der Regel ungefähr die Hälfte der Befragten in ihren Antworten überein. Die gefühlte Bedeutung von Sprache ist stark kulturell gesteuert und lässt sich messen.Schröder benutzt dabei eine Messmethode, die der Psychologe Charles E. Osgood entwickelt hat. Er erforschte in den 50er und 60er Jahren die Konnotationen in mehr als 40 verschiedenen Sprachen. Bei allen untersuchten Kulturen fand Osgood dieselben drei Dimensionen des Fühlens: Valenz, Macht und Aktiviertheit. Die Testpersonen müssen also angeben, ob sie ein Wort als angenehm oder abstoßend empfinden, ob es auf sie groß und kraftvoll oder eher klein und zart wirkt. Unter dem Aspekt der Aktiviertheit bewerten die Testpersonen, wie viel Erregung sie mit einem Wort verbinden. So wird "Zufriedenheit" in der Regel als etwas Entspanntes wahrgenommen, während "Begeisterung" mit Energie verbunden ist.Auf diese Weise will Tobias Schröder 1 500 Begriffe bewerten lassen. Das Ganze findet im Internet statt. Auf der Webseite projekt-magellan.de kann sich jeder Deutsch Sprechende an dieser Studie beteiligen. Der Gefühlsgehalt von 60 Begriffen wird abgefragt, die Beantwortung dauert nicht länger als 20 bis 30 Minuten. Etwa 1 500 bis 2 000 Teilnehmer benötigt Tobias Schröder, um die Studie auf ein ausreichend breites Datenfundament stützen zu können. Daher bietet sich das Internet als gute Möglichkeit an, viele und verschiedene Leute zur Teilnahme an der Studie zu gewinnen.Ein wesentlich kleineres Projekt wurde schon einmal im Rahmen einer Di- plomarbeit 1988 durchgeführt. Damals wurden Mannheimer Gymnasiasten zu Konnotationen von 500 Wörtern befragt. Obzwar die Datensammlung viel geringer ausfiel als in der aktuellen Studie, nutzt Tobias Schröder diese Daten um zu vergleichen, wie sich die Gefühle, die mit Worten verbunden werden, im Laufe der Zeit verändern. Am erstaunlichsten sei für ihn gewesen, berichtet Schröder, wie stabil die Konnotationen seien. So habe sich in den vergangenen 20 Jahren kaum etwas an den gefühlten Bedeutungen verändert. Eine Ausnahme gibt es aber doch. Der Begriff Homosexualität ist heute wesentlich weniger emotional konnotiert als vor 20 Jahren.Jan SteegerUnter www.projekt-magellan.de kann man sich an der Studie beteiligen. Zur langen Nacht der Wissenschaften am 9. Juni wird der Psychologe Tobias Schröder sein Projekt im Institut für Psychologie ausführlich vorstellen. Der genaue Termin wird im Programm zur langen Nacht der Wissenschaften bekannt gegeben. Das Programm ist ab dem 2. Mai im Internet abrufbar unter www.langenachtderwissenschaften.de.