Abgezockt: Mit E-Auto-Prämien machen Händler im Ausland ein Millionengeschäft

Automobilwirtschaftsexperte schätzt den Schaden für den Steuerzahler auf mehr als eine halbe Milliarde Euro allein in den vergangenen zwei Jahren.

Das E-Auto: Strom ist sein Sprit.
Das E-Auto: Strom ist sein Sprit.Zacharie Scheurer/dpa

Mit der ersten Million Elektroautos hatte sich schon Angela Merkel vertan. Nach den Plänen der damaligen Bundesregierung sollten Autos ohne Tank und Auspuff bereits 2020 in siebenstelliger Zahl auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Tatsächlich wurde das Ziel erst Ende vorigen Jahres erreicht. Nun geht es um 15 Millionen E-Autos. Spätestens 2030 soll diese Menge in Deutschland zugelassen sein, doch wieder sind die Nachfahren der Erfinder von Otto- und Dieselmotor in Verzug.

„Bisher liegt der Absatz weit unter dem erforderlichen Soll“, konstatierte kürzlich Christian Hochfeld. Der Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswende rechnet vor: Soll das 15-Millionen-Ziel erreicht werden, müssten jeden Tag etwa 5000 E-Autos zugelassen werden. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr jedoch nur durchschnittlich 1290 neue Elektroautos pro Tag zugelassen. In diesem Februar waren es 1160 Fahrzeuge täglich.

Dabei ist offenbar selbst diesen Zulassungszahlen nicht zu trauen. „Mehr als 16 Prozent der im Jahr 2022 in Deutschland neu zugelassenen Elektrofahrzeuge sind gar nicht mehr im Land“, sagt Stefan Bratzel. Der Chef des Instituts Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach hat die Zulassungszahlen mit der Entwicklung des hiesigen Fahrbestands verglichen und beträchtliche Differenzen festgestellt.

Demnach wurden im vergangenen Jahr in Deutschland etwas mehr als 470.000 vollelektrische Autos neu zugelassen. Der Fahrzeugbestand wuchs in dieser aber nur um knapp 400.000 Fahrzeuge. Laut Bratzels Berechnungen ergibt sich eine Differenz von 76.000 Elektroautos. Auch 2021 hatte er bereits eine Lücke von nahezu 47.000 Strom-Pkw entdeckt. Bratzels Erklärung: „Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der neu zugelassenen und mit attraktiven Kaufprämien geförderten Elektro-Pkw nach der vorgeschriebenen Mindesthaltedauer von sechs Monaten als junge Gebrauchte gewinnbringend ins Ausland exportiert wurde.“

Professor Stefan Bratzel
Professor Stefan BratzelCAM

Der Trick ist tatsächlich legal. Professionelle Autohändler kaufen neue Elektroautos, lassen sie auf das eigene Unternehmen zu und kassieren dabei die Kaufprämie von bis zu 9000 Euro pro Auto, von denen je nach Fahrzeugpreis 5000 bis 6000 Euro vom Staat gezahlt werden. Einzige Bedingung: Der Käufer darf das Fahrzeug sechs Monate nach Zulassung nicht weiterveräußern. Ist die Frist abgelaufen, wird das Auto als Gebrauchtwagen beispielsweise in Dänemark oder in der Schweiz angeboten, wo sich für die Fahrzeuge angesichts großer Nachfrage und weiterhin knappem Angebot quasi Neuwagenpreise erzielen lassen. Die größtenteils aus Steuergeldern finanzierte Prämie bleibt beim Händler.

„Es gibt einige Unternehmen, die sich auf den legalen Förder-Missbrauch spezialisiert haben“, sagt Stefan Bratzel und hat den Schaden errechnet. Selbst wenn die verlorene Prämie nur mit dem geringeren 5000-Euro-Satz je E-Auto angesetzt wird, flossen für die 76.000 im Bestand fehlenden Elektrofahrzeuge staatliche Fördergelder im Umfang von etwa 380 Millionen Euro. Für 2021 taxiert der Automobilwirtschaftsexperte den Betrag auf 230 Millionen Euro. Es geht also um mehr als eine halbe Milliarde Euro, mit der, so Bratzel, „Deutschland den Markthochlauf der Elektromobilität im Ausland subventioniert hat“.

Dabei dürfte die Summe tatsächlich noch größer sein. Denn wie die Studie ebenfalls belegt, wurde der Prämien-Missbrauch vor allem mit teuren Fahrzeugen betrieben, die mit 6000 Euro gefördert wurden. So befinde sich laut Bratzel nahezu jeder dritte hierzulande verkaufte Tesla nicht mehr in der deutschen Elektroflotte. Denn während zwischen Oktober 2021 und September 2022 etwa 52.000 Tesla-Modelle beim Kraftfahrt-Bundesamt als Neuzulassungen registriert wurden, erhöhte sich der Bestand im gleichen Zeitraum nur um 36.000 Fahrzeuge. Auch bei BMW, Audi und Mercedes-Benz klaffen der Studie zufolge große Lücken zwischen Zulassungen und dem deutschen Fahrzeugbestand. Etwa jedes fünfte ursprünglich hier zugelassene Elektroauto der drei Premiummarken ist demnach aus der hiesigen Flotte verschwunden.

Seit Jahresbeginn ist das Geschäft für Händler allerdings deutlich unattraktiver. Denn zum einen wurde die Förderprämie von bis zu 9000 Euro auf höchstens 6750 Euro reduziert. Vor allem aber dürfen geförderte Autos erst nach zwölf Monaten weiterverkauft werden. „Damit dürfte der prämienbegünstigte Export batterieelektrischer Fahrzeugen deutlich sinken“, sagt Bratzel, der sich aber dennoch eine schnellere „politische Reaktionsgeschwindigkeit“ und eine noch längere Haltedauer gewünscht hätte. „Der legale Missbrauch war schließlich lange bekannt.“

Autohändlerverband für Haltedauer von vier Jahren

Tatsächlich weiß man auch beim zuständigen Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) seit mindestens einem Jahr, dass „einzelne Automobilhändler Lücken in den Förderbedingungen“ ausnutzen. Eigenen Angaben zufolge habe man sich aber zugleich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dafür eingesetzt, die Lücke zu schließen und eine Mindesthaltedauer von 48 Monaten oder eine anteilige Rückzahlungsverpflichtung bei früherem Verkauf vorgeschlagen. „Dieser Vorschlag wurde aber nicht in die Neuregelung des Umweltbonus übernommen“, sagt ZDK-Sprecher Ulrich Köster.

Laut Auskunft des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wurden Förderanträge für Elektroautos bislang übrigens mehrheitlich von Unternehmen gestellt. Privatpersonen kommen auf einen Anteil von nur 40 Prozent.