Air Berlin: Lufthansa-Chef rechnet mit Lücken im Flugplan
Berlin/Frankfurt - Mit dem Ende von Air Berlin entstehen deutliche Lücken in den deutschen Flugplänen, die nach Ansicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht so schnell zu schließen sein werden. Von rund 140 Air-Berlin-Maschinen blieben ab Samstag 80 bis 90 am Boden, erklärte der Vorstandsvorsitzende am Mittwoch in Frankfurt. „Das kann niemand kompensieren, auch die Lufthansa nicht.“ Air Berlin stellt an diesem Freitag den Flugbetrieb ein.
Auswirkungen der Pleite ein Jahr lang spürbar
Der Flugverkehr werde daher in den kommenden Monaten deutlich „ruckeln“, kündigte Spohr an. Eine Stabilisierung sei erst zum Sommer möglich, eine Optimierung gar erst im Winter 2018/2019. Sämtliche Fluggesellschaften des Kranich-Konzerns – neben der Kernmarke Lufthansa und Eurowings sind das Swiss und Austrian – setzten in nächster Zeit auf den Strecken vor allem nach Berlin und Düsseldorf größere Flugzeuge ein, um die Nachfrage zu befriedigen, sagte Spohr.
Die frei werdenden Start- und Landerechte von Air Berlin sollen nach Spohrs Worten im November auf der regelmäßigen Slot-Konferenz der Internationalen Airline-Organisation IATA abgestimmt werden und zum kommenden Sommerflugplan ab Ende März in Kraft treten.
Experte erwartet Ansturm auf freiwerdende Slots
Nach dem Ende der Air Berlin wird nach Einschätzung eines Experten ein Ansturm auf frei werdende Zeitfenster für Starts und Landungen einsetzen. Die freiwerdenden Slots dürften auf größtes Interesse vor allem bei Billig-Fluggesellschaften stoßen, sagte der Luftverkehrs-Fachmann Jörg Schwingeler von der Beratungsgesellschaft Prologis Strategy. Auch der Lufthansa-Konzern, der sich bereits die Air-Berlin-Töchter LGW und Niki mit umfangreichen Verkehrsrechten gesichert hat, könnte sich um weitere attraktive Slots für die Tochter Eurowings bewerben.
Wachstumspotenzial in Deutschland
„Deutschland gilt als vergleichsweise schwach entwickelter Low-cost-Markt in Europa. Hier ist einfach das größte Potenzial für Wachstum“, erklärte Schwingeler. Besonders großes Interesse vermutet der Berater bei der britischen Easyjet, die immer noch in Verhandlungen um verbliebene Unternehmensteile der Air Berlin steht. Schon wegen der Brexit-Problematik brauche Easyjet dringend einen weiteren starken Markt in Europa. Auch innerdeutsche Flüge passten in das Portfolio der Londoner.
Easyjet will profitieren
Bis zu 25 Flugzeuge wollen die Briten samt Start- und Landerechten aus der Insolvenzmasse von Air Berlin übernehmen, wenn der Preis stimmt. Unüberwindbare Hürden sieht Schwingeler dafür nicht: „Es ist aus meiner Sicht rechtlich möglich, einen Teil der Operation aus der Air Berlin herauszulösen.“ Dann käme es darauf an, ob der Flughafenkoordinator der Bundesrepublik Easyjet als Nachfolgerin der Air Berlin anerkennt und ihr die Rechte an den Slots zuspricht.
Doch selbst bei einem Scheitern der Verkaufsgespräche wäre Easyjet nicht aus dem Rennen, sondern könnte sich wie die versammelte Konkurrenz um die frei gewordenen Zeiten bewerben. „Das ist für jede Gesellschaft attraktiv, zumal man kein Geld auf den Tisch legen muss“, so Schwingeler. Eine genaue Zahl der in Berlin oder Düsseldorf frei werdenden Slots kennt er nach eigenem Bekunden zwar nicht – weist aber darauf hin, dass beispielsweise Tegel bislang zu den Randzeiten morgens und abends „komplett dicht“ ist.
Flughafenkoordinator verteilt Slots
Nicht genutzte Zeitfenster fallen mit Fristen in einen Slot-Pool zurück und werden vom Koordinator nach feststehenden Regularien neu verteilt. Das geschehe aber keinesfalls im Rahmen einer Konferenz, erklärt eine Sprecherin der Behörde in Frankfurt, die dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist.
„Die Hälfte der Slots sind für Gesellschaften vorgesehen, die neu im Berliner Flughafensystem aus Tegel und Schönefeld antreten. Die andere Hälfte ist für die Bestandskunden offen“, schildert Schwingeler das grundsätzliche Vorgehen.
Es sei für Billigflieger kein Problem, in einem Großraum mehrere Flughäfen anzusteuern, erläuterte der Prologis-Experte. „Sie haben wenige oder gar keine eigenen Leute vor Ort und kaufen die notwendigen Abfertigungsleistungen nur ein.“ Easyjet bediene beispielsweise jeweils zwei Flughäfen in Rom und Paris, der Konkurrent Ryanair steuere gleich drei Flughäfen in und um Barcelona an. Lufthansa hat hingegen einen Doppelbetrieb in Tegel und Schönefeld ausgeschlossen.
Der Lufthansa-Konzern könne sich auch um weitere Slots bewerben, die möglicherweise in attraktiveren Tageszeiten liegen als die bereits gesicherten, sagte Schwingeler. Durchaus üblich seien auch Tauschgeschäfte mit anderen Airlines, die sich jeweils einen für sie optimalen Flugplan zusammenstellen wollen. (dpa)