Analystin erwartet Schock: „Krieg heizt Inflation an“
Die Folgen eines globalen Wirtschaftskriegs könnten in Europa eine deutlich steigende Inflation, höhere Energiepreise und Staatspleiten sein.

Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income, sieht die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine in einem Schock für die europäische Wirtschaft. Sie schreibt:
„Die Tragweite ist für den Euroraum eine ganz andere als die für die USA. Was Europa betrifft, so stellen die Ereignisse der letzten Tage einen eindeutig negativen Angebotsschock für die Region dar, der die Konjunktur dämpft und die Inflation in die Höhe treibt und die politischen Entscheidungsträger vor ein Dilemma stellt.
Die jüngsten politischen Entwicklungen wirken sich auf unterschiedliche Weise auf die Region aus, wobei der Energiesektor und die damit verbundene Beeinträchtigung des Vertrauens besonders ins Gewicht fallen. Weitere negative Auswirkungen ergeben sich aus den Handels- und Finanzbeziehungen, auch wenn die makroökonomischen Auswirkungen im Vergleich dazu begrenzt sind.
Obwohl es sich bei der Eskalation um einen allgemeinen Schock handelt, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Auswirkungen in der gesamten Region asymmetrisch sind. So sind große Länder des Euroraums wie Deutschland und Italien am stärksten betroffen, da sie stärker von russischer Energie abhängig sind als z. B. Frankreich.
Ein derartiger negativer Schock bringt die EZB eindeutig in eine schwierige Lage, da die Aussicht auf höhere und anhaltende Energiepreissteigerungen die Inflation anheizen und gleichzeitig die Haushalte und Unternehmen unter Druck setzen könnte. Schocks mit asymmetrischen regionalen Auswirkungen erhöhen auch die Aussicht auf eine Fragmentierung des Euroraums, wobei zu befürchten ist, dass Volkswirtschaften wie Italien nicht in der Lage sein werden, ihren Schuldenstand zu finanzieren. Das mögliche Risiko einer Fragmentierung des Euro stellt eine weitere Herausforderung für die EZB dar.
In Anbetracht des unbeständigen und schwierigen Umfelds erwarten wir, dass die EZB sich ihre Optionen offen hält und ihre im Dezember angekündigte, vergleichsweise restriktive Haltung in Bezug auf eine allmähliche Reduzierung der Ankäufe von Vermögenswerten im Laufe dieses Jahres bekräftigt. Die jüngsten Ereignisse bieten der EZB auch die Gelegenheit, die Kontrolle über die Inflation zurückzuerlangen: Höher als erwartet ausgefallene Inflationszahlen sind eindeutig auf einen externen Schock zurückzuführen und entziehen sich der Kontrolle der Zentralbank. Eine solche verbale Intervention könnte die Märkte beruhigen. Darüber hinaus erwarten wir, dass die EZB die Flexibilität, die sie während der Pandemie an den Tag gelegt hat, in Echtzeit nutzen wird, um günstige Finanzierungsbedingungen zu gewährleisten und eine Ausweitung der Spreads von Staatsanleihen zu verhindern.“
Zur Lage schreibt die AFP:
Die Europäische Zentralbank (EZB) beobachtet die Lage in der Ukraine nach eigenen Angaben genau. Bei der nächsten Sitzung des EZB-Rats im März werde die Zentralbank „eine umfassende Bestandsaufnahme des wirtschaftlichen Ausblicks“ erstellen, erklärte die EZB am Donnerstag auf Anfrage. Dabei würden auch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen berücksichtigt.
Über etwaige Sanktionen würden die Europäische Union und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten entscheiden. „Das Eurosystem wird diese implementieren“, erklärte die EZB weiter.
Die EZB fährt derzeit ihr Anleihenprogramm schrittweise zurück, das sie in der Corona-Pandemie nochmals aufgestockt hatte. Angesichts der hohen Inflation in der Eurozone ist der Druck auf die Zentralbank gestiegen, diese Schritte zu beschleunigen und auch eine Leitzinserhöhung in Aussicht zu stellen.
Die Inflation in der Eurozone betrug im Januar 5,1 Prozent. Grund waren zum großen Teil die hohen Energiepreise.
Alastair Reynolds, Portfolio Manager bei Martin Currie, Teil von Franklin Templeton, zu der Invasion von Russland in der Ukraine und den Auswirkungen auf die Schwellenländer:
„Russland stellt einen kleinen, aber sehr bedeutenden Teil bei den Schwellenländern dar. Als Anlagemöglichkeit ist es von politischen Risiken geprägt, da der Aktienmarkt von staatlichen Unternehmen wie Gazprom, Rosneft und Sberbank dominiert wird. Der politische Aspekt des russischen Marktes wird durch die Tatsache verschärft, dass ein Großteil der politischen Auffassungen Russlands im Widerspruch zu der der USA, Großbritanniens und der EU steht. Im Rahmen unserer Global Emerging Markets Strategy versuchen wir, das Portfoliorisiko auf aktienspezifische Faktoren und nicht auf makroökonomische Faktoren zu verteilen. Makroökonomische und andere Top-down-Faktoren werden für unsere Strategie als Risiko- und nicht als Alphaquelle gesehen.
Trotz seiner geopolitischen Herausforderungen verfügt Russland über einige hochprofitable und gut geführte Unternehmen, die angesichts der allgegenwärtigen politischen Risiken zu wesentlich niedrigeren Kursen gehandelt werden als ihre globalen Wettbewerber.
Betrachtet man die Streuung der Wertentwicklung des MSCI Russia im Vergleich zum MSCI Emerging Markets Index seit 2014, als Russland die Krim besetzte, so lag die Abweichung auf absoluter Basis bei durchschnittlich 35 % pro Jahr. Im selben Zeitraum ist die Standardabweichung der monatlichen Renditen des MSCI Russia Index mit 7,8 % fast doppelt so hoch wie die des MSCI Emerging Markets Index mit 4,7 %. Dies markierte einen Wendepunkt für russische Aktien hinsichtlich der Marktvolatilität.
Wir haben einen zurückhaltenden Kurs aufgrund der Situation zwischen Russland und der Ukraine gewählt, indem wir unser Gesamtengagement in der Region begrenzt haben. Wir sind der Ansicht, dass die staatlich gelenkten Unternehmen in Russland am stärksten von Sanktionen am Aktienmarkt betroffen sind.“