Armageddon der Weltwirtschaft? Der Streit um das Staatsdefizit der USA ist ökonomischer Unsinn

Republikaner und Demokraten streiten über die Höhe der Staatsverschuldung. Es geht um politische Macht, nicht um wirtschaftliche Vernunft. Ein Kommentar.

Lange Nächte im Kapitol: Die Verhandlungen über die Höhe der Staatsausgaben dauern an. 
Lange Nächte im Kapitol: Die Verhandlungen über die Höhe der Staatsausgaben dauern an. J. Scott ApplewhiteAP

Die Haushaltssaison in den USA ist eröffnet. Immer wieder führen dort die beiden großen Parteien ein großes Drama auf, wenn es um die Einhaltung der gesetzten Staatsverschuldung geht.

Die Republikaner sind nur dazu bereit, die staatliche Kreditaufnahme auszuweiten, wenn dafür im Gegenzug Sozialausgaben in Milliardenhöhe für die Ärmsten gestrichen werden. Betroffen wären Bildungseinrichtungen, Essensprogramme und das Gesundheitswesen.

Der Demokrat im Weißen Haus, Präsident Joe Biden, hat entgegnet, die Höhe der Ausgaben für die nächsten Jahre einfrieren und staatliche Mehreinnahmen durch höhere Steuern für Reiche und Unternehmen sichern zu wollen.

Weltwirtschaft basiert auf steigender Verschuldung der USA

Der Streit ist völlig absurd. Schließlich sind die USA der größte Schuldner der Welt. Die Staatsverschuldung liegt mittlerweile bei 31,4 Billionen US-Dollar. Die kapitalistische Weltwirtschaft basiert seit der Auflösung der Dollar-Gold-Bindung Anfang der 1970er-Jahre darauf, dass die Vereinigten Staaten so viel Kredit an den Finanzmärkten aufnehmen, wie nötig ist, um Waren aus aller Welt zu konsumieren. Da in naher Zukunft nicht von diesem globalen Wirtschaftsmodell abgerückt werden wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die USA auch die nächste Schuldenobergrenze reißen.

Dennoch haben Crashpropheten in solchen Zeiten Hochkonjunktur. Der „Tag X“ rücke gefährlich nahe, dann drohe der Zahlungsausfall der USA, dies wiederum werde die Autorität des US-Dollars untergraben und die Weltwirtschaft an den Abgrund führen – rauscht es in diesen Tagen durch den Wirtschaftsblätterwald.

Dabei ist die Aufregung völlig unnötig. Denn auch wenn die Schuldenobergrenze gesetzlich verankert ist, so gilt das auch für staatliche Bildungs- und Sozialleistungen. Wenn die Regierung diesen Verpflichtungen nicht nachkommt, wird der Gerichtshof sie dazu anhalten. Joe Biden könnte den Popanz auch einfach beenden. Wenn er den 14. Zusatzartikel der Verfassung ziehen würde, der das Land dazu verpflichtet, laufende Schulden zu bedienen, könnte der Präsident die Schuldenobergrenze anheben, ohne die Zustimmung des Kongresses einholen zu müssen.

Beim Streit um die Schuldenhöhe geht es um politische Interessen

Wie sähe eine Zahlungsunfähigkeit der USA aus? Wenn das Finanzministerium die Zinsen für Staatsanleihen nicht bedienen würde, blieben die Staatsschulden weiterhin bestehen und die Zinsen würden trotzdem anfallen. Würden keine neuen Schulden ausgegeben, würde der Preis der alten Schulden steigen und die Zinssätze sinken lassen. So ist es bei der Aufführung des Dramas während der Amtszeit von Präsident Barack Obama 2011 geschehen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte die Kreditwürdigkeit der USA herab. Mancher Banker konnte sich damals ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das Armageddon ließ jedenfalls auf sich warten.  

Und gesetzt den Fall, dass wider Erwarten die beiden Seiten nicht wie gewohnt ein Happy End aufführen, könnte Finanzministerin Janet Yellen noch in die Trickkiste greifen. Nach dem von der republikanischen Mehrheit im Kongress 1997 verabschiedeten Gesetz verfügt die Finanzministerin über das Recht, die Prägung einer Eine-Billion-Dollar-Münze zu verfügen, mit der die Regierung den Rückkauf von Staatsschulden bei der amerikanischen Notenbank anordnen kann.

Die Verhandlungen um die Schuldenobergrenze werden nicht aus ökonomischer Not geführt. Es geht vielmehr um eiskalte politische Interessen. Das verdeutlicht der Umstand, dass der Verhandlungsführer der Republikaner, Kevin McCarthy, in der Nacht zu Dienstag härtere Einwanderungsregeln für Migranten zur Bedingung gemacht haben soll.