Auto für Behinderte: Das Kenguru und die Freiheit

Stacy Zoern hatte es satt. Seit Jahren wünschte sich die 33-Jährige aus Texas ein Auto, das sie selbst fahren konnte, aber es gab keines. Zoern leidet an einer Muskel- und Nervenkrankheit, sie ist auf fremde Hilfe angewiesen, um ihren 180-Kilo-Elektro-Rollstuhl ins Auto zu hieven. Ist das geschafft, muss immer noch jemand anders fahren. „Ich kann nicht spontan sein“, sagt sie. „Und ich falle anderen Leuten zur Last.“

Doch Zoern ist nicht hilflos. Unzufrieden suchte sie nach einer Lösung. Vor zwei Jahren stieß sie auf die Webseite der Firma Kenguru in Budapest. Deren kleine Elektroautos schienen perfekt. „Ich war enthusiastisch“, sagt sie. „Ich dachte, dieses Auto wird mein Leben verändern.“

Nach zwei Wochen erreichte sie Istvan Kissaroslaki, den Geschäftsführer. Aber er hatte schlechte Nachrichten: Es gab keine Finanzierung. Wegen der Finanzkrise kündigte seine Bank die Kreditzusage. Er bat Zoern, sie möge sich in vier Jahren wieder melden.

Weil Zoern nicht locker ließ, beginnt die Herstellung des Kenguru-Autos dennoch diesen Monat. Sie kündigte ihre Stelle als Rechtsanwältin und suchte nach Investoren. Mit 450.000 Dollar kam sie zurück zu Kissaroslaki, zusammen gründeten sie in der texanischen Hauptstadt Austin die Firma Community Cars. Wenn alles läuft wie geplant, rollen die ersten Kengurus bald auf den Straßen. Ab dem vierten Quartal sollen auch Bestellungen in Deutschland aufgenommen werden, falls sich bis dahin ein Vertriebspartner findet. Das Kenguru ist übrigens ein halber Berliner – die Elektronik kommt von der Weddinger Firma Digalog.

Sein Name, das ungarische Wort für Känguru, spiegelt den Zweck des Autos. „Kängurus werden im Beutel getragen, und dieses Auto ist ein bisschen ähnlich“, sagt Stacy Zoern. Das Fahrzeug gleicht dem Smart und ist bloß 2,1 Meter lang. Der Unterschied: Es gibt keine Türen, nur eine Heckklappe mit einer Rampe, über die der Fahrer ins Auto rollt. Zoern hofft, dass das Kenguru seinen Käufern mehr Teilhabe ermöglicht. „Behinderte müssen viel zu oft zu Hause bleiben, sie verpassen so vieles im Leben“, sagt sie.

Community Cars erwartet, im ersten Jahr 400 Autos zu verkaufen. Stacy Zoern allerdings muss noch warten. Das erste Kenguru-Modell wird mit einem Lenkhebel gesteuert, dafür fehlt ihr die Kraft. Ab 2015 soll es eine Version geben, die per Joystick bedient wird. Dann geht Stacy Zoerns Traum von der Freiheit auch für sie selbst in Erfüllung.