Schockwelle nach Crash: Wie sicher ist das Geld auf der Bank?
Die Pleite von zwei US-Banken sendet Schockwellen durch die Finanzwelt. Erleben wir den nächsten Lehman-Moment?

Zwei Banken-Pleiten in den USA sorgen für Unruhe auf den Finanzmärkten: Nach der Silicon Valley Bank (SVB) erwischte es am Wochenende auch die Signature Bank in New York. Daraufhin sind Bank-Aktien weltweit abgestürzt. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat am Wochenende in einer Krisensitzung beschlossen, alle Anleger in einer umfangreichen Bailout (Rettungsaktion) vollständig zu entschädigen. Dieses Versprechen kann nur eingelöst werden, wenn die Fed zusätzlich Geld druckt – womit die Inflation weiter angeheizt werden wird. Denn Teil des Gelddruckens ist, dass die Fed ihr Zinserhöhungsprogramm revidieren müsste. Jan Hatzius von Goldman Sachs geht davon aus, dass die geplanten Zinserhöhungen gestoppt würden und dass die weitere Strategie der Fed völlig unklar sei.
Das Grundproblem ist jedoch, dass viele Banken während der Zeit der niedrigen Zinsen in ihren Büchern getrickst haben. So hatte die SVB US-Staatsanleihen und Mortgage Backed Securities (MBS) in ihrer Bilanz, die durch die jüngsten Zinserhöhungen massiv an Wert verloren hatten, sogenannte unrealized losses. Um diese auszugleichen, gab die Bank am 8. März bekannt, alle liquiden Assets zu verkaufen. Es handelte sich um 21 Milliarden US-Staatsanleihen und MBS zu einem Buchverlust von 1,8 Milliarden Dollar nach Steuern. Doch der Abverkauf reichte nicht: Zusätzlich meldete die Bank einen weiteren Kapitalbedarf von 2,25 Milliarden Dollar an, der über eine Kapitalerhöhung von 1,25 Milliarden gedeckt werden sollte. Die Anleger durchschauten die Aktion und erkannten, dass die Bank am Ende war. Investor Peter Thiel riet seinen Portfolio-Unternehmen, ihre Depots bei der SVB aufzulösen, ein Bank-Run folgte. Die Täuschung der Anleger war deshalb möglich, weil die Banken die Buchverluste in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung optimistischer bewerten können als in der Bilanz. Diese Gewinn und Verlustrechnung ist in der Regel eine entscheidende Größe für die Ermittlung der Bonus-Zahlungen an das Management. Es ist davon auszugehen, dass andere Banken ähnlich vorgegangen sind wie die SVB, weshalb weitere Schieflagen nicht ausgeschlossen werden. Am Montag stürzten die Aktienkurse von US-Regionalbanken ab. Auch die Kurse von europäischen Aktien fielen teils extrem.
Wie groß die Panik sein muss, lässt sich an den politischen Reaktionen erkennen: Am Montag versuchte US-Präsident Joe Biden, den Amerikanern zu versichern, dass ihr Geld sicher ist, und versprach, „alles Erforderliche“ zu tun, um Bankeinlagen zu schützen. Die US-Regierung beschloss in einer Notaktion einen umfassenden Bailout. Die Einlagensicherung FDIC teilt in der Nacht zum Monat mit, sie werde alle Einlagen schützen – also auch jene der schwerreichen Anleger. Eigentlich sind in den USA nur Bankeinlagen bis 250.000 Dollar von der Einlagensicherung gedeckt, finanzstärkeren Anlegern wurde – in der Theorie – zugemutet, dass sie den Sachverstand hätten, um die Finanzlage ihrer Bank zu beurteilen. Die überraschende pauschale Zusage deutet darauf hin, dass sich die US-Regierung auf eine längere Bankenkrise vorbereitet.
In Deutschland sind Einlagen von bis zu 100.000 Euro durch die Einlagensicherung gedeckt. In der Regel reicht ein politisches Versprechen, wie es bei der Finanzkrise Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Bundeskanzlerin Angela Merkel abgegeben hatten. Allerdings ist nicht klar, wie weit das Vertrauen des Marktes geht. In jedem Fall steht dem massiven neuen Geld zunächst eine Entwertung in Form von Inflation gegenüber. Für den Staat kann eine Banken-Rettung trotzdem lukrativ sein, wenn es nämlich gelingt, die Assets mit Gewinn zu verkaufen. Diese Gewinne kommen jedoch nur indirekt den Steuerzahlern zugute. Unklar ist, wie sich die Investoren in Finanzwerte verhalten werden: Sie profitieren von den jüngsten Rettungsaktionen nicht und könnten daher aus Finanzwerten aussteigen.
Die Bundesbank reagierte auf Medienberichte, wonach der Krisenstab der Notenbank sich am Montag mit möglichen Auswirkungen des Zusammenbruchs der SVB in den USA auf den deutschen Finanzmarkt befasst hat, mit einer schriftlichen Stellungnahme: „Im Rahmen ihres Finanzstabilitätsmandats gehört es zur laufenden Arbeit der Bundesbank, aktuelle Marktentwicklungen zu beobachten und deren Auswirkungen auf das Finanzsystem zu analysieren. Dabei steht die Bundesbank in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht aktuell keine größeren Risiken für die Finanzstabilität in Deutschland und Europa. Die US-Regierung und die Finanzinstitutionen hätten „entschlossen gehandelt“, sagte Lindner am Montag vor Beratungen der Euro-Länder in Brüssel. Die deutschen wie europäischen Finanzaufsichtsbehörden beobachteten die Lage genau. „An der Stabilität haben diese Institutionen keinen Zweifel gelassen“, sagte Lindner.
Auch EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni mahnte zur Ruhe: „Ich glaube nicht, dass wir im Moment ein echtes Ansteckungsrisiko in Europa haben“, sagte der Italiener in Brüssel auf die Frage, ob nun erneut eine Finanzkrise wie 2008 drohe. Die EU-Kommission werde aber die Möglichkeit indirekter Auswirkungen in enger Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main überwachen, sagte Gentiloni. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire riet Anlegern in Brüssel: „Beruhigt euch und schaut der Realität ins Auge!“ (mit AFP)