Tagesverlust von 15 Prozent: Wer brachte die Deutsche Bank ins Wanken?
Die undurchsichtigen Geschäfte auf den Kapitalmärkten rufen Shortseller auf den Plan. Die G20-Finanzaufsicht soll den dubiosen Sektor überwachen.

Bankenkrisen sind gefundene Fressen für Spekulanten. Mit Wetten auf Kursverluste lassen sich für Shortseller (deutsch: Leerverkäufer) hohe Gewinne erzielen.
Die Investoren gehen gezielt vor: Zunächst leihen sie sich Aktien, sinken die Kurse in der Folge, kaufen sie die Papiere zu einem günstigeren Preis zurück. Die Differenz ist ihr Gewinn.
Das derzeitige Debakel an den Finanzmärkten, angefangen mit dem Crash der Silicon Valley Bank in den USA bis zur Pleite der Schweizer Credit Suisse lockt Leerverkäufer in Scharen an. Am Freitag stand die Deutsche Bank auf dem Speiseplan, die Aktie verlor zwischenzeitlich 15 Prozent an Wert.
Finanzhaie tauchen auf
Nun haben sich die Profiteure geoutet. Der britische Hedgefonds Marshall Wace hatte am Freitag eine Wette gegen die Deutsche Bank platziert, bei der er mit einem Anteil von 0,61 Prozent der Aktien spielte. Ab einem Anteil von 0,5 Prozent müssen Investoren ihre Positionen im Bundesanzeiger veröffentlichen. Marshall Wace ist bislang der erste Fonds, der das Limit gesprengt hat. Die Deutsche Bank musste aber auch darüber hinaus Federn lassen. In der vergangenen Woche hatte der Finanzdienstleister Ortex aus London gemeldet, dass Shortseller in den beiden Vorwochen mit Leerverkäufen gegen die Deutsche-Bank-Aktie mehr als 100 Millionen Dollar Gewinn erzielt hätten. Und die Shortseller legen noch einen drauf. Am Freitag wurden Ortex zufolge rund 2,3 Prozent der frei handelbaren Aktien gegen die Deutsche Bank gesetzt. Am Montag seien es etwa 3,3 Prozent der Anteile gewesen. Das entspreche einem Zuwachs von rund 57 Millionen Aktien, berichtete das Manager Magazin am Dienstag. Wer dahinter steckt, weiß man nicht. Bis auf Marshall Wace agieren die Fonds bislang im Verborgenen.
Auch Marshall Wace hält sich bedeckt. Auf Anfrage der Berliner Zeitung erklärte der Hedgefonds, der rund 62 Milliarden US-Dollar verwaltet, man äußere sich grundsätzlich nicht zu einzelnen Anlagepositionen. „Etwa die Hälfte dieser Zahl entfällt auf systematische, computergesteuerte Fonds“, ließ Marshall Wace wissen.
Hohe Risiken im Finanzsystem
Stellt sich die Frage, ob Shortseller mit ihren Wetten wirtschaftlichen Schaden anrichten? „Über den Mehrwert von Leerverkäufen lässt sich trefflich streiten“, sagte der ehemalige Bundestagsabgeordnete und heutige Sprecher der Bürgerinitiative Finanzwende, Gerhard Schick, der Berliner Zeitung. „Vorrangiges Ziel sollte es jetzt sein, Banken so stabil aufzustellen, dass sie gar nicht so stark in den Fokus von Spekulanten geraten können.“ Größere Kapitalpuffer für Banken sollten eingeführt, die Bankenunion in der EU vollendet sowie die Trennung des Investmentbanking vom Kredit- und Einlagengeschäft vorangetrieben werden. „Statt Beschwichtigungen brauchen wir bessere Regeln für Banken, dies sollte jetzt die oberste Priorität genießen“, stellte Schick klar. „Die Diskussionen über Leerverkäufe sind wichtig, dürfen aber von der eigentlichen Ursache der Probleme nicht ablenken: der Instabilität von Banken.“
Schließlich treten Shortseller immer dann auf den Plan, wenn sie Überbewertungen an den Aktienmärkten wittern. Das ständige Auf und Ab der Kurse zeigt, dass zu viel spekulatives Kapital im Umlauf ist. Der Chef der EZB-Bankenaufsicht Andrea Enria warnte zuletzt vor der Größe des „undurchsichtigen und illiquiden“ Markts für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS). Mit dem Einsatz weniger Millionen Euro am Kreditderivatemarkt könne man die Aktie einer Bank mit einer Billionen-Bilanzsumme beeinflussen. Das beunruhige ihn, sagte Enria auf einer Konferenz des Handelsblatts am Dienstag. Mit Kreditausfallversicherungen können sich Anleger gegen den Zahlungsausfall eines Unternehmens absichern. Man kann aber auch in diese Derivate investieren, wenn man auf eine negative Entwicklung bei einem Institut spekulieren will. Bei der Deutschen Bank waren die CDS-Preise in der vergangenen Woche stark angestiegen. Danach war die Aktie des größten deutschen Geldhauses abgerutscht. Enria forderte mehr Transparenz auf den Märkten. Die globale Finanzmarktaufsicht der G20, das Financial Stability Board, solle Licht in den undurchsichtigen Sektor bringen.