BBU-Chefin rät von Kipplüftung ab: Energieverbrauch explodiert um 600 Prozent

Wie ist es, 2022 in Brandenburg zu wohnen? Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen antwortet – und gibt Tipps fürs Energiesparen.

Lüften: lieber kurz und richtig.
Lüften: lieber kurz und richtig.imago/McPHOTO

Günstige Kaltmieten, stabile warme Betriebskosten – die Wohnungslage in Brandenburg war im Vergleich zu Berlin alles andere als angespannt. Die Kaltmieten sind 2021 nur um 1,7 Prozent und warme Betriebskosten nur um 3,6 Prozent gestiegen, während die Bruttoeinkommen sich durchschnittlich um 4,5 Prozent erhöht haben: Ist das nicht ein Vorteil, wenn man bedenkt, dass die Baukosten für die Instandhaltung jetzt um 11,5 Prozent höher ausfallen?

Die Investitionen der Privatwirtschaft in den Neubau steigen auch und sollten nach Angaben des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) dieses Jahr 856 Millionen Euro betragen – plus 36 Prozent zum Vorjahr.

„Heizkosten steigen wenigstens um 50 Prozent“

Doch die alten Zeiten sind vorbei. Wegen des Ukraine-Krieges müssten die Mieter jetzt mit enormen Auswirkungen rechnen, sagt die BBU-Chefin Maren Kern auf der Jahrespressekonferenz 2022 der Wohnungswirtschaft in Brandenburg. Die „Zeitenwende“ sei gekommen.

Was bedeutet das konkret? Die Baupreise seien im Mai 2022 im Vergleich zum Vorjahr bereits explodiert, sagt die BBU-Chefin: Da die Ukraine ein ausschlaggebender Stahlimporteur Deutschlands sei, liege die Verteuerungsrate beim Betonstahl in Stäben jetzt bei 72 Prozent. Auch andere Baumaterialien wie Flachglas oder Furnierholz seien jetzt im Durchschnitt um 50 Prozent teurer.

Das liege allerdings nicht nur am Krieg, denn schon in den ersten zwei Monaten 2022 seien die Baupreise in Brandenburg um weitere rund elf Prozent gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2021 gestiegen. Das war noch vor dem Krieg. Das liege auch daran, so Maren Kern, dass die Zinsen für ein Baudarlehen sich mit 3,39 Prozent seit Anfang 2022 mehr als verdreifacht hätten – obwohl die Europäische Zentralbank den Leitzins noch nicht angepasst habe.

„Vor allem die Heizkosten werden 2022 wenigstens um 50 Prozent steigen“, sagt die BBU-Chefin weiter. Ist auch klar: Rund 74 Prozent der Mietwohnungen in Brandenburg heizen mit Fernwärme, die eben mit Gas produziert wird, und 19 Prozent direkt mit Gas. Lag die Vorauszahlung 2021 mit 1,13 pro Quadratmeter bei rund 814 Euro im Jahr, sollen dieses Jahr noch weitere 410 Euro dazukommen – und 2023 noch mehr, so die BBU-Prognose.

Es liege also einerseits an der Wohnungswirtschaft, energetische Modernisierungen sowie die Heizanlagenoptimierung durchzuführen. Der Staat müsse dabei schnelle und unbürokratische Hilfe bei Härtefällen leisten. Aber andererseits müssten die Mieter nun verstärkt Energie sparen, eine „Energierücklage“ für Nachzahlungen vorbereiten sowie energiebewusstes Heizen und Lüften praktizieren.

„Wissen Sie, wie viel Energie man verschwendet, wenn man etwa im Winter frische Luft durch Kipplüften statt Stoßlüften kriegt?“, fragt Maren Kern zurück. „Der Unterschied liegt bei 400 bis 600 Prozent, denn bei der Stoßlüftung öffnen Sie die Fenster für etwa fünf oder maximal zehn Minuten, und bei der Kipplüftung werden die Fenster im Grunde genommen für mehrere Stunden offen gelassen. Und das führt zum deutlich höheren Energieaufwand bei Strom und Wärme.“

Das habe Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus von der Hochschule Ruhr-West berechnet. Generell empfiehlt Maren Kern den Mietern, die Heiztemperaturen in der Wohnung bei 20 bis 22 Grad zu halten. Die Vorschläge von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), diese auf 18 bis 19 Grad zu reduzieren, wolle sie nicht unbedingt unterstützen.

„Abrisse müssen weitergehen“

Im Grunde genommen bleibt der Leerstand ein großes Problem in Brandenburg: Die Anzahl der leer stehenden Wohnungen im sogenannten Metropolenraum weit weg von Berlin und Potsdam steigt weiter und lag 2011 durchschnittlich bei elf Prozent, weil halt nicht jeder in Prignitz, Spree-Neiße oder Brandenburg an der Havel wohnen möchte. Da die Wohnungen seit Jahren leer stehen und langsam verfallen, werden sie im großen Stil abgerissen.

Allein in Frankfurt an der Oder wurden seit 2002 10.723 Wohnungen abgerissen, in Cottbus 10.089 und in Schwedt 5127 Wohnungen. Ohne Abrisse stünde heute fast jede vierte Wohnung in Brandenburg leer, sagt die BBU-Chefin und bekräftigt: „Abrisse müssen weitergehen.“ Langfristig sollen nach dem aktuellen Plan ab 2022 rund 5400 Wohnungen abgerissen werden.

Dafür sollen bis 2026 rund 6400 neue Wohnungen entstehen – allerdings in Potsdam und im Berliner Umland. Eine Besonderheit dabei: Rund 60 Prozent dieser neuen Wohnungen werden von den Bauunternehmen mit Sitz in Berlin gebaut.