Berliner Start-Up: Online kaufen – bar zahlen
Fast jeder, der im Internet einkauft, kennt die Situation: Man hat ein Produkt ausgesucht, bestellt und alle notwendigen Daten eingegeben. Jetzt muss nur noch bezahlt werden. Doch aus irgendeinem Grund akzeptiert das System die EC- oder Kreditkarte nicht. Oder man ist nicht im Besitz der Karte, die der Anbieter für die Zahlung verlangt. Am Ende war alles für die Katz. Bestellung gescheitert.
„46 Prozent der Kaufabbrüche im Internet erfolgen bei der Auswahl der Zahlungsart“, sagt Florian Swoboda, dessen Berliner Start-up-Unternehmen eine Lösung für das Problem gefunden haben will – nämlich einfach bar bezahlen. Wie bitte? Bar bezahlen im Internet? Wie soll das denn funktionieren?
2200 stationäre Partner
Es funktioniert, wenn man bereit ist, sich vom Stuhl zu erheben: Bei der Auswahl der Zahlungsart im Internet klickt der Kunde auf „barzahlen“. Dann erhält er einen Zahlschein, den er ausdruckt und mit dem er den Betrag bei einem Händler bezahlt. Sobald er das getan hat, wird die Ware verschickt. Alternativ zum Zahlschein kann sich der Kunde auch per SMS einen Code auf sein Smartphone schicken lassen, dann entfällt das Ausdrucken eines Zahlscheins. Ob Zahlschein oder SMS-Code: Beides ist für Kunden kostenfrei.
Zu den Händlern, bei denen der Internet-Einkauf bar bezahlt werden kann, zählen derzeit bundesweit alle Geschäfte der Drogeriemarktkette dm, die Filialen der Supermarktkette Real sowie die Shops des Telekommunikationsanbieters Mobilcom/Debitel. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Geschäfte, bei denen Online-Einkäufe bezahlt werden können, in Deutschland derzeit auf rund 2 200. Tendenz steigend.
Barzahlen ist auch der Name des Berliner Start-up-Unternehmens, das hinter dieser Dienstleistung steckt. Gestartet sind Florian Swoboda und seine beiden Geschäftspartner Achim Bönsch und Sebastian Seifert damit im März vergangenen Jahres. Swoboda ist erst 25 Jahre alt, Bönch 26 und Seifert 24. Die drei kennen sich vom Betriebswirtschaftsstudium an der privaten Universität WHU in Koblenz. Aktuell hat ihre Firma, die in der Nähe des Spittelmarkts in Berlin-Mitte ihre Büros hat, bereits etwa 35 Angestellte. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Mitarbeiter auf 50 steigen. Das Unternehmen wächst rasant.
Wollen Sie mich veräppeln?
„Am Anfang war es natürlich nicht leicht“, sagt Swoboda. „Wir mussten eine Menge Überzeugungsarbeit leisten – und zwar sowohl bei den Online-Shops als auch bei den Zahlungspartnern.“ So nahmen die drei Gründer ganz zu Beginn ihrer Tätigkeit Kontakt mit der Drogeriekette dm auf und blieben dabei so hartnäckig, bis sie mit der Geschäftsführungsebene verbunden wurden. Dort gelang es ihnen, Christoph Werner, den Sohn des dm-Gründers Götz Werner für ihr Anliegen zu begeistern – mit dem Ergebnis, dass alle 34.000 dm-Mitarbeiter in den rund 1500 Filialen in Deutschland nun über das Bezahlmodell Bescheid wissen und es anwenden können.
Ein Test der Berliner Zeitung bestätigt dies. Auf das Barzahlen angesprochen, antwortet eine Kassiererin: „Natürlich können Sie bei uns bar bezahlen, wollen Sie mich veräppeln?“ „Ich will meinen Einkauf im Internet bei Ihnen bezahlen“, präzisiere ich mein Anliegen. „Ach so, natürlich, ja das geht. Haben Sie einen Zahlschein oder SMS-Code?“
Mittlerweile bieten rund 500 Online-Shops Barzahlen an. Darunter sind bekannte Firmen wie Schiesser, Expert Technomarkt und Meinfoto.de. Fast täglich werden es mehr. Denn die Marketing-Leute von Barzahlen setzen alle Hebel in Bewegung, um neue Geschäftspartner zu gewinnen.
Bundebürger wollen bar zahlen
Die Berliner bekommen von den Online-Händlern eine Provision für jeden Zahlungsvorgang, die sich in einer Größenordnung zwischen ein und drei Prozent der Rechnungssumme bewegt. Einen kleinen Teil davon leitet Barzahlen an die Geschäfte weiter, die die Zahlung entgegennehmen. „Doch die machen das nicht in erster Linie wegen der Provision, sondern, weil sie auf diese Weise neue Kunden bekommen“, sagt Swoboda. „Alle profitieren also davon: Die Kunden, die Online-Händler und stationären Partner.“
Ab 2016 soll Barzahlen profitabel sein. „Deutschland ist für unser Geschäftsmodell prädestiniert“, sagt Swoboda. „Denn anders als Amerikaner, Briten und Franzosen zahlen viele Bundesbürger nach wie vor am liebsten bar.“ Vor allem in Internet wollten viele nicht mit EC- oder Kreditkarte zahlen.
Statistiken geben ihm recht. So besitzen nach einer Umfrage der Bundesbank zwei Drittel aller erwachsenen Deutschen gar keine Kreditkarte. Nach Angaben des Bankenverbands nutzen mehr als die Hälfte der Bundesbürger Online-Banking nicht. Und laut einer Benutzer-Analyse von W3B, der größten kontinuierlichen deutschsprachigen Meinungsumfrage im Internet, hat mehr als jeder Fünfte Internet-Nutzer noch nie online eingekauft.
Das alles bildet einen idealen Nährboden für das Geschäftsmodell von Barzahlen – zumal die Berliner in Deutschland konkurrenzlos agieren. Das dürfte laut Swoboda auch so bleiben. Denn er und seine Mitstreiter haben ihr System eineinhalb Jahre entwickelt, ehe sie damit im vergangenen Jahr an den Start gingen. „Am Anfang hatten wir eine Riesenangst, dass jemand unsere Idee klaut. Doch jetzt wissen wir, dass man auch mit viel Startkapital unseren Know-how-Vorsprung nicht einfach aufholen kann“, sagt der Gründer. Auch wenn es anachronistisch klingt: Barzahlen könnte die Zukunft gehören.