Berufsbildungsbericht: Zu viele Ausbildungsplätze, zu wenige Bewerber

Berlin - Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz sind für Jugendliche nach Angaben der Bundesregierung „so gut wie nie“. Auf 100 Schulabgänger, die einen Ausbildungsplatz suchten, kamen im vergangenen Jahr statistisch gesehen 104,2 Angebote. So steht es im Berufsbildungsbericht, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat.

Das klingt aus Bewerbersicht zunächst einmal gut. Gleichzeitig bedeutet es aber: Viele Betriebe haben Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. Während 520.300 Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden, sind 43.500 unbesetzte Ausbildungsplätze bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet – ein neuer Höchststand.

Mehr Stellen als Bewerber

Woran liegt das? Gibt es zu viele Studenten und zu wenige junge Menschen, die noch Lehrling sein wollen? Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagt bei der Vorstellung des Berichts in Berlin, sie finde den Trend zum Abitur „sehr okay“. „Ich bin aber der festen Meinung, dass nicht jeder, der ein Abitur hat, auch studieren muss“, fügt sie hinzu. „Es gibt keine Anzeichen für Überakademisierung“, stellt allerdings Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, fest. Das heißt: Der Arbeitsmarkt braucht die Akademiker. Wer studiert, profitiert nicht zuletzt durch ein geringes Risiko, später arbeitslos zu werden.

Es kann also nicht darum gehen, junge Menschen, die zum Studium befähigt sind, von einem solchen abzuhalten. Vielmehr ist auffällig, dass es – wie Ministerin Wanka sagt – ein „Passungsproblem“ gibt. Denn den 43.500 unbesetzten Ausbildungsstellen stehen immerhin 20.600 komplett unversorgte Bewerber gegenüber. Hinzu kommen noch 60.000 junge Menschen, die eine Alternative zur Ausbildung begonnen haben, aber unabhängig davon weiter nach einer Ausbildungsstelle suchen und eine entsprechende Vermittlung durch die Arbeitsagentur wünschen. Die Alternative zur Ausbildung kann zum Beispiel eine berufsvorbereitende Maßnahme oder ein Praktikum sein.

Arbeitgeberverbände beklagen oft eine fehlende Eignung, aber auch mangelnde Flexibilität von jungen Menschen. Kritiker werfen Arbeitgebern hingegen vor, überhöhte Anforderungen zu stellen – etwa, wenn Betriebe keine Hauptschüler ausbilden wollen.

Berufe mit Image-Problemen

Gleichzeitig liegt es natürlich auch an den einzelnen Branchen zu überlegen, ob ihre Angebote an die jungen Menschen attraktiv sind. Großer Mangel herrscht insbesondere in der Hotellerie, aber auch, was angehende Fachverkäufer im Lebensmittelhandel angeht. Bei den oft fehlenden Auszubildenden in Fleischerei-Betrieben ist es vielleicht auch ein Image-Problem des Berufs.

Außerdem gilt: Es gibt große regionale Unterschiede. Während in einigen Ballungsräumen des Westens viele nicht die gewünschte Ausbildung erhalten, finden sich in ländlichen Regionen im Süden, aber teils auch im Osten oft nicht genug Bewerber. Klar ist: Der demografische Wandel wird es Unternehmen auch in Zukunft nicht leichter machen, ihre Wunschkandidaten zu finden.

10.000 Flüchtlinge sollen Handwerksausbildung erhalten

Die Bildungsintegration von Flüchtlingen, die eine Bleibeperspektive haben, sei „Herausforderung und Chance zugleich“, sagt Ministerin Wanka in diesem Zusammenhang. Mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks hat sie die Initiative „Wege in die Ausbildung für Flüchtlinge“ gestartet. Das Ziel: 10.000 Flüchtlinge, die jünger als 25 Jahre sind, sollen innerhalb von zwei Jahren eine Ausbildung im Handwerk erhalten. Doch die Herausforderung, Flüchtlinge in großer Zahl in den Arbeitsmarkt zu integrieren, steht erst noch bevor.