Bilanz nach einem Jahr: Energieausweis ist nur ein bunter Papiertiger

Berlin - Eigentlich ist die Sache recht einfach. Seit dem 1. Mai 2014 müssen Vermieter oder Verkäufer von Immobilien den Interessenten ungefragt mitteilen, wie energieeffizient das angebotene Objekt ist. Dafür gibt es den Energieausweis. Er funktioniert im Prinzip wie die Verbrauchskennzeichnung von Kühlschränken oder Autos: Auf einer grün-gelb-roten Farbskala wird festgehalten, ob das Wohnhaus viel oder wenig Energie benötigt. Bei neueren Ausweisen wird die Skala durch so genannte Effizienzklassen ergänzt, wobei die Spanne von A+ (weniger als 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr) bis H (mehr als 250) reicht.

Wer eine Immobilien-Anzeige in Zeitungen oder im Internet schaltet, muss seit knapp einem Jahr darin den Energiekennwert nennen. So sieht es die erneuerte Energieeinsparverordnung vor. Kommt es zu einem Besichtigungstermin, ist der Anbieter sogar dazu verpflichtet, dem Interessenten von sich aus den Energieausweis vorzulegen. Das soll mehr Transparenz in den Immobilienmarkt bringen und den Verbrauchern die Entscheidung für oder gegen ein Objekt erleichtern. Denn oft entpuppt sich ein vermeintliches Schnäppchen später als teure Angelegenheit, weil überdurchschnittlich viel Geld für Heizung und Warmwasser fällig wird. So weit die Theorie.

Verordnungen werden nicht umgesetzt

In der Praxis allerdings stellt sich die Sache ganz anders dar, wie  die Deutsche Umwelthilfe und der Deutsche Mieterbund am Montag in Berlin berichteten. Demnach denkt ein Großteil der Immobilien-Anbieter gar nicht daran, den gesetzlichen Informationspflichten nachzukommen.  Den Behörden scheint das weitgehend egal zu sein.

So legten bei Stichproben der Mietervereine Berlin, München, Hannover und Stuttgart drei Viertel der Anbieter bei Wohnungsbesichtigungen den Energieausweis nicht wie vorgeschrieben vor. Fragten die Tester nach, zeigte nur ein Viertel der Vermieter beziehungsweise Makler das Dokument. Die Hälfte konnte auch auf Nachfrage keine Angaben zur Energieeffizienz machen. „Der Energieausweis ist und bleibt ein Papiertiger“, sagte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz.

Nicht besser sieht es bei Immobilienanzeigen aus: Die Umwelthilfe wertete mehr als 3.500 Annoncen  aus. Bei den gewerblichen Anbietern gaben immerhin zwei Drittel den Energiekennwert an. Bei den privaten Anbietern aber enthielten nur 14 Prozent der Anzeigen die vorgeschriebenen Angaben. Oft reden sich Anbieter damit heraus, dass der Energieausweis gerade erstellt werde und deshalb noch nicht vorliegt. Eine Umfrage der Umwelthilfe unter den Bundesländern ergab überdies, dass nirgendwo systematisch die Vorlage des Ausweises kontrolliert wird und es auch keine Stichprobenkontrollen gibt. Legt ein Anbieter den Ausweis nicht vor, ist dies im Grundsatz eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden könnte.

So wird vermutlich noch einige Zeit vergehen, bis sich der Energieausweis tatsächlich durchsetzt und seine Vorlage bei Immobilien-Geschäften zur Selbstverständlichkeit wird. Mieter und Käufer sitzen am kürzeren Hebel: Vielerorts sind die Wohnungsmärkte dermaßen angespannt, dass die Verbraucher im Hinblick auf die Energieeffizienz zu Kompromissen bereits sein dürften und sich auch mehrfach überlegen werden, ob es sinnvoll ist, die Anbieter mit lästigen Nachfragen zu nerven.