Breitband-Internet in Deutschland: Von der Weltspitze weit entfernt

Frankfurt - Machen wir jetzt den ganz großen Schritt nach vorne? Immerhin im Koalitionsvertrag steht, dass die neue Regierung Deutschland an die „Weltspitze im Bereich der digitalen Infrastruktur“ hieven will. Doch die Reaktionen der Branche auf die Groko-Pläne sind verhalten. Noch nie war ein derart entschiedenes „Ja, aber“ zu hören. Experten fordern nun vor allem mutige Schritte bei der Förderung des Breitbandausbaus auf dem Land.

Das Thema hat lange geschlummert. Erst nach der Bundestagswahl nahm die Diskussion Fahrt auf, als plötzlich alle darüber diskutierten, dass fehlende Anschlüsse ans schnelle Internet für Verdruss bei Bürgern führten und dass dies einer der Gründe für die Erfolge der AfD war. Schließlich waren die Rechts-Populisten da besonders stark, wo die Breitbandversorgung besonders schmal ist. Hinzu kommen immer neue Studien, die belegen, dass Deutschland beim schnellen Internet im europäischen Vergleich bestenfalls mittelmäßig ist.

Breitband-Versprechen nicht eingelöst

Wortreich sind nun die Ausführungen in der schwarz-roten Vereinbarung. Bei genauerer Betrachtung wird aber erkennbar, dass es – wohlmeinend formuliert – jede Menge Interpretationsspielraum gibt. Es ist die Rede davon, dass man den „Netzinfrastrukturwechsel zur Glasfaser“ wolle und dass es 2025 einen „rechtlich abgesicherten Anspruch“ auf schnelles Internet für alle Bürgerinnen und Bürger geben soll. Doch was schnelles Internet ist, wird nicht definiert. Und eine Glasfaser-Infrastruktur wird längst allenthalben ausgebaut. Also doch nur ein „Weiter so“, das hinter wohlklingenden Formulierungen versteckt wird?

Vorläuferregierungen jedenfalls haben ihre Breitband-Versprechen mit großer Verlässlichkeit nicht eingelöst. So wurde 2013 angekündigt, dass bis Ende 2018 flächendeckend Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen sollen. Im Schnitt werden es tatsächlich etwa 30 Megabit sein – wobei damit eine Nutzerfamilie mehrere Spielfilme in hochaufgelöster Qualität gleichzeitig aus dem Internet abrufen kann.

Wer bremst da? Eine Studie der Bertelmann-Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung kommt zu folgendem Urteil: Es liege an „zu niedrig gesteckten Zielen, einer fehlenden gesamtstaatlichen Strategie, unkoordinierten Förderprogrammen und fehlendem Mut, konsequent auf Glasfasertechnologien zu setzen“. Immerhin heißt es nun im Groko-Vertrag, dass man den Ausbau der Netze erleichtern und dafür neue Anreize schaffen wolle. Doch konkretisiert wird das nicht.

Soll am Ende doch wieder die Telekom klammheimlich unterstützt werden? Schließlich gehört das Unternehmen noch immer zu einem Drittel dem Staat. Das Problem des Bonner Konzerns: Er hat ein gigantisches Netz, indem jährlich aber rund 30.000 Kilometer neue Glasfaserleitungen verbaut werden. Aber: Das letzte Stück zum Hausanschluss ist bei der Telekom nach wie vor ein Kupferkabel, das derzeit für maximal 100 Megabit taugt. T-Rivalen wollen aber Glasfaserleitungen bis zum Haus ziehen, was 1000 Megabit bringt. Selbiges ist auch mit aufgebohrten TV-Kabeln möglich. Bei einer massiven Förderung der T-Konkurrenz würde der halbstaatliche Konzern also ziemlich alt aussehen. Die zögerlichen Ausbaubemühungen der Bundesregierung der vergangenen Jahre lassen also wie Stützungsaktionen für die Bonner lesen.

Hoffnung auf Schwarz-Rote Kurs-Korrektur

Immerhin wächst jetzt aber in der Branche, die Hoffnung, dass Schwarz-Rot seinen Kurs zumindest um ein paar Grad korrigieren will. Und diese Hoffnung beruht auf vor allem einer Formulierung in der Koalitionsvereinbarung: Man wolle den „flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025“ erreichen. Ein Gigabit sind 1000 Megabit. Jürgen Grützner sieht darin „eine klare strategische Neuausrichtung“. Grützner ist Geschäftsführer des VATM – in dem Verband haben sich T-Rivalen organisiert. Allerdings wird im Lager der alternativen Anbieter bemängelt, dass es an Konzepten zur Umsetzung mangele.

Bei Grützner und vielen seiner Kollegen von der T-Konkurrenz jedenfalls erfreut sich ein neues Fördermodell großer Beliebtheit. Gutscheine sollen in den dünner besiedelten Regionen verteilt werden, wo Netzbetreiber bislang den Ausbau scheuen. Die Gutscheine sollen für die Nutzer der künftigen Gigabitleitungen bestimmt sein. Bis zu 1500 Euro pro Haushalt könnten es werden. Das soll Nachfrage und damit einen Wettbewerb aller Anbieter um die Kunden erzeugen. „Es kommt jetzt alles darauf an, wie der neue Infrastrukturminister die guten Vorsätze umgestaltet“, sagt ein Insider.

Indes: Das Geld für die Subventionen – bis zu zwölf Milliarden Euro – soll ausgerechnet aus der Branche selbst kommen sollen. Nämlich aus den Erlösen der anstehenden Versteigerung von Lizenzen für die neue 5G-Mobilfunktechnik. „Hohe Auktionserlöse entziehen den Unternehmen aber gerade dringend benötigte Investitionsmittel“, so Grützner. Fatal dabei könnte werden, dass die Telekom selbst mitsteigert und damit die Preise auch für die Wettbewerber Vodafone und Telefonica/O2 in die Höhe treiben könnte. Zugleich könnte die Festnetzsparte der Telekom mit ihrem Riesennetz Hauptprofiteur der Ausbau-Subventionen werden: Letztlich liefe die Auktion auf eine Umverteilung zu Gunsten des Bonner Konzerns hinaus.