Bundesbank zahlt nicht mehr: Geht Lindner jetzt das Geld aus?

Der Rechnungshof warnt die Bundesregierung vor dem finanziellen Kontrollverlust. Dazu kommt eine Hiobsbotschaft: Die Zeit der Bundesbank-Gewinne ist vorbei.

Es wird eng für Bundesfinanzminister Christian Lindner.
Es wird eng für Bundesfinanzminister Christian Lindner.Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Bundesregierung kann sich in den kommenden Jahren nicht mehr auf Bundesbank-Gewinne verlassen. Für 2022 stand wie schon in den beiden Vorjahren unter dem Strich eine Null. Um einen Verlust zu vermeiden, musste die Bundesbank rund eine Milliarde Euro aus ihrer Risikovorsorge nutzen. „Im Jahr 2022 musste die Bundesbank besondere finanzielle Belastungen tragen“, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel am Mittwoch in Frankfurt. Der Anstieg der US-Kapitalmarktzinsen sei ein Grund gewesen, er habe zu einem Wertverlust der Devisenreserven geführt. Der Anstieg der Leitzinsen im Euroraum sei ein zweiter Grund gewesen, so Nagel.

In Zukunft wird die Risikovorsorge nicht mehr reichen, um eine ausgeglichene Bilanz vorlegen zu können. „In den kommenden Jahren dürften die Belastungen in der Gewinn- und Verlustrechnung der Bundesbank deutlich zunehmen“, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel am Mittwoch in Frankfurt. Für das Geschäftsjahr 2024 könnte erstmals seit 1979 ein Verlust in der Bilanz stehen. Daniel Gros, Fellow am Thinktank des Center for European Policy Studies, schätzt laut Financial Times, dass die Deutsche Bundesbank in den nächsten zehn Jahren Verluste in Höhe von 193 Milliarden Euro durch ihre Investitionen in Staatsanleihen erleiden würde – mehr als jede andere nationale Zentralbank in der Eurozone.

Während die Risikovorsorge im laufenden Jahr noch ausreichen dürfte, um die Verluste auszugleichen, werden die Belastungen in den Folgejahren die „finanziellen Puffer aber wahrscheinlich übersteigen“, so Nagel. In diesem Fall werde die Bundesbank einen Verlustvortrag ausweisen. Nagel sagte, die Entwicklung sei „letztlich das Ergebnis der außerordentlich expansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre“. Nagels Vorgänger, Jens Weidmann, hatte diese EZB-Politik oft kritisiert, war aber immer wieder überstimmt worden. Nun sei angesichts der Inflation „eine straffe Geldpolitik erforderlich, um Preisstabilität zeitnah wiederherzustellen“, so Nagel. Wenn damit bilanzielle Belastungen verbunden seien, „müssen wir das und können wir das verkraften“. Die Bilanz der Bundesbank sei solide. Unter Ökonomen gilt eine Zentralbank so lange als solide, solange die Marktteilnehmer an die Solidität glauben. Unter den europäischen Zentralbanken gilt die Bundesbank immer noch als besonders stabil.

Im vergangenen Jahr ist die Inflation im gesamten Euroraum stark gestiegen. „In die deutsche Wirtschaftsgeschichte wird 2022 mit einer der höchsten Inflationsraten seit Bestehen der Bundesrepublik eingehen“, sagte Nagel. Gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) seien die Preise um 8,7 Prozent gestiegen. Er betonte, dass sich der Preisauftrieb schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine verstärkt habe; mit dem Krieg und seinen Folgewirkungen sei die Inflation dann erheblich angezogen. Und nach wie vor sei der zugrunde liegende Preisdruck sehr hoch, im Euroraum wie in Deutschland.

„Daher braucht es eine Geldpolitik, die entschlossen handelt und die notwendigen Schritte unternimmt, um Preisstabilität wiederherzustellen“, so Nagel. Er verwies auf die bisherigen Zinsschritte. Seit Juli 2022 hat der EZB-Rat die Leitzinsen um insgesamt 300 Basispunkte angehoben, für März hat er eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte in Aussicht gestellt. „Auch danach könnten noch weitere deutliche Zinsschritte notwendig sein“, sagte der Bundesbankpräsident. „Die Menschen sehen, dass wir entschlossen gehandelt haben. Und sie erwarten, dass wir weiter entschlossen handeln, bis wir unseren Job gemacht haben.“

Für die Bundesregierung und ihre teilweise massiven Ausgabenprogramme kommt der Wegfall dieser Einnahmequelle zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Der Schuldenberg ist mittlerweile laut Bundesrechnungshof auf 2,1 Billionen Euro angewachsen, weshalb der Rechnungshof die Bundesregierung am Mittwoch vor einem finanziellen Kontrollverlust warnte. Die Schuldendynamik drohe „die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen und damit auch die staatliche Handlungsfähigkeit ernsthaft zu gefährden“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller. Um das Heft des Handels in der Hand zu behalten, müsse die Bundesregierung alle Ausgaben neu priorisieren und den Haushalt konsequent auf die Kernaufgaben ausrichten. Es dürften keine neuen Maßnahmen mehr beschlossen werden, ohne ihre langfristige Finanzierung zu klären.

Für stabile Bundesfinanzen bedürfe es „jetzt klarer, kluger und auch schmerzhafter Entscheidungen“, so Scheller. Permanent in neue Schulden auszuweichen, ignoriere die Realität und übergehe die Interessen vor allem der jungen Generation. Unter anderem schlägt der Rechnungshof vor, dass die in den vergangenen drei Jahren aufgenommenen Kredite schneller als geplant getilgt und Sondervermögen abgewickelt werden. Diese kreditfinanzierten Töpfe neben dem regulären Haushalt umgingen die Schuldenbremse.

Regierung und Parlament hätten nun die Verantwortung, abzuwägen und auch Konflikte auszutragen, sagte Scheller. „Anstatt den einfachen Weg zu gehen und diese Entscheidungen über Schulden in die Zukunft zu verlagern.“ Denn aktuell treffe die stark angewachsene Zinslast auf einen riesigen Modernisierungsbedarf bei Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung und Klimaschutz sowie auf steigende Kosten für die Sozialversicherungen.