CETA: Aktivisten kündigen neue Proteste an - und haben eine Riesenwut auf Habeck

Wirtschaftsminister Habeck versucht aktuell, das CETA zur Ratifizierung zu peitschen. Habeck ist unter Druck, weil er LNG aus Kanada braucht.

29.06.2022, Brandenburg, Schwedt/Oder: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht auf der Demonstration des Bürgerbündnisses «Zukunft Schwedt».
29.06.2022, Brandenburg, Schwedt/Oder: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht auf der Demonstration des Bürgerbündnisses «Zukunft Schwedt».dpa

Robert Habeck entfremdet sich weiter von der grünen Basis: Nach Kohlekraft und Waffenexporten hat der Wirtschaftsminister nun die Kritiker des Freihandels gegen sich aufgebracht. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs fühlen sich von Habeck ausgebremst: Am Dienstag, um 8.22 Uhr, verschickte das Referat VA1 in Habecks Ministerium den „Gesetzesentwurf zur Ratifizierung von CETA“ an die Verbände mit der Bitte: „Sofern Sie zu diesem Gesetzesentwurf eine Stellungnahme abgeben möchten, bitten wir um Übersendung bis Mittwoch, den 29. Juni 2022, 09:00 Uhr.“ Die E-Mail liegt der Berliner Zeitung vor. Die Verbände toben, weil sie die kurze Frist für völlig unzulässig halten: „Es kann nicht sein, dass NGOs weniger als 24 Stunden Zeit gegeben wird, um eine Stellungnahme abzugeben. Das ist nicht gerade demokratiefördernd“, sagte Isolde Albrecht, Aktivistin bei Attac, der Berliner Zeitung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) protestiert: „Derart kurze Fristen entziehen der Funktion einer Verbändeanhörung im demokratischen Gesetzgebungsprozess die Grundlage.“

Konkret geht es um das Abkommen CETA aus dem Jahr 2016, durch welches zahlreiche Handelsbeschränkungen zwischen Kanada und der EU aufgehoben werden sollen. Das Abkommen ist seit 2017 vorläufig in Kraft, einige wichtige Punkte fehlen noch, es braucht eine Einigung – erst dann kann der Bundestag das Abkommen ratifizieren. Die erste Lesung ist für Anfang Juli anberaumt. Allerdings muss das Habeck-Ministerium einräumen, „dass der Gesetzentwurf noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt ist“.

Die Abstimmung könnte sich bei Grünen und SPD noch schwierig gestalten. Denn durch CETA werden ökologische und soziale Vorgaben für Investoren leichter zu umgehen sein. Diese Bedenken äußerten die Verbände in den nun eilig gezimmerten Stellungnahmen. Besondere Sorgen äußern die NGOs wegen der geplanten Schiedsgerichte, die nun eingeführt werden sollen. Der DGB moniert, dass die Schiedsgerichte keinen angemessen Fokus auf die Pflichten von Investoren legen, sondern nur deren Rechte schützen. An den Schiedsgerichten hatte sich auch das Bundesverfassungsgericht gestoßen, welches die vorläufige Anwendung von CETA zwar für zulässig erklärt hatte, in seinen Anmerkungen jedoch auf die Problematik einer eignen Gerichtsbarkeit für Investoren stieß. In seinen Anmerkungen machte Karlsruhe klar, dass gegen die Schiedsgerichte, wenn sie eingeführt werden, auch Klagen möglich sein werden.

Transparency International kritisiert ebenfalls die Schiedsgerichte, weist aber vor allem auf eine Aushöhlung der demokratischen Mitwirkungsverfahren hin: Alle wichtigen Veränderungen sollen durch CETA-Ausschüsse vorgenommen werden, bei denen die subsidiäre Mitwirkung in den einzelnen Staaten, Regionen oder Gemeinden faktisch ausgeschlossen ist. Auch der Verein Demokratie Jetzt kritisiert, dass die von der Bundesregierung versprochene breite Mitwirkung des Bundestags in keiner Weise gewährleistet sei.

Auch die ökologischen Themen kommen zu kurz: Die nun vorgenommen Anpassungen seien nur Feigenblatt, sagte die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock, am Freitag in Berlin. Der Schutz von Umwelt und Klima sei untergeordnet. Isolde Albrecht: „Bei CETA ist kein einziges Nachhaltigkeitsziel, das auf UN-Ebene beschlossen wurde, auch nicht das Pariser Klimaabkommen durch Sanktionen bewehrt.“

Die Hektik der Beschlussfassung vor dem Sommer könnte ihren Grund im Energie-Notstand der EU wegen des Russland-Krieges in der Ukraine haben. Kanada hat angeboten, zuletzt mit großem Pathos in Elmau gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz, die EU mit Flüssiggas (LNG) zu versorgen, welches Kanada durch das in Deutschland verbotene Fracking erzeugt und exportiert. Damit das LNG aber nach Europa kommt, müssen erst spezialisierte Häfen gebaut werden. Umweltschützer haben bereits Klagen angekündigt. Mit der Einführung der Sondergerichtsbarkeit durch Schiedsgerichte könnte den Investoren die Sicherheit gegeben werden, dass ihre Investments nicht an ökologischen Bedenken scheitern.

Wegen des akuten Gas-Mangels steht Robert Habeck unter enormen Zeitdruck. Er dürfte daher die Entfremdung der grünen NGOs in Kauf nehmen, um irgendeine Lösung für das sich abzeichnende Gas-Desaster präsentieren zu wollen. Doch die Aktivisten wollen nicht klein beigeben: „Wir werden massive Proteste gegen CETA in die Wege leiten“, sagt Isolde Albrecht: „Wir werden schon kommende Woche in Berlin protestieren, um bei der ersten Lesung klarzumachen, dass die Gesetzgebung so nicht durchgehen darf.“