Christine Lagarde: IWF droht Angela Merkel mit Ausstieg aus der Griechenland-Rettung
Berlin - Der Ärger mit Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich gelegt, bis auf Weiteres jedenfalls. Da droht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ungemach mit einem viel mächtigeren Gegner. Der Internationale Währungsfonds (IWF) macht immer deutlicher, dass er die Griechenland-Rettung so nicht mehr mittragen möchte und wird. Ohne einen Schuldenschnitt will er sich am dritten Hilfspaket nicht mehr beteiligen. Das stellte ein IWF-Vertreter in einer Telefonkonferenz klar. Zuvor hatte bereits die Chefin Christine Lagarde in einer Pressekonferenz die Forderung an die europäischen Länder untermauert, Athen einen beträchtlichen Teil der Kredite zu erlassen.
Damit steckt Merkel mit ihrer Europolitik, kaum dass sie das Schlimmste im Ringen mit Tsipras überstanden hat, erneut in einem Dilemma. Den Schuldenschnitt lehnt sie kategorisch ab, weil dann offenbar würde, wie viel Milliarden die deutschen Steuerzahler durch die von ihr durchgesetzten Rettungsprogramme verlieren. Zugleich pocht sie darauf, dass der IWF mit an Bord bleibt und finanzielle und technische Unterstützung leistet. Das ist ihr aus sachlichen Gründen wichtig, weil der IWF härter und kompromissloser auftreten kann als die Europäer.
Ein Ausstieg des Fonds wäre für Merkel aber auch ein schwerer politischer Schlag. Gerade die Union hat immer wieder betont, dass sie im Bundestag Gelder für Griechenland nur bewilligen kann, wenn der Fonds sich weiter engagiert. Wie sollte Merkel den Abgeordneten erklären, dass sie noch einmal einem Hilfspaket zustimmen sollen, wenn doch Lagarde die Voraussetzungen für frische Kredite nicht mehr gegeben sieht?
Keine Beteiligung an einem Schuldenschnitt
Und so wächst der Druck auf Merkel, den Widerstand gegen einen Schuldenschnitt aufzugeben. Bereits in ihrer Erklärung zum Euro-Gipfel haben die Euro-Partner die Bereitschaft angedeutet, darüber zu reden. Für den IWF ist klar: Die Lage in Griechenland ist so desaströs, dass eine Seite allein das Problem nicht lösen kann. Nach seinen Regeln darf der Fonds Darlehen nur vergeben, wenn absehbar ist, dass der Staat am Ende der Laufzeit die Beträge zurückzahlen kann. Technisch gesprochen heißt dies, dass die Schuldentragfähigkeit gegeben sein muss. Nach einer Faustregel darf dafür die Schuldenlast einer Nation höchstens 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Griechenland aber steuert eher auf 200 Prozent zu denn auf diesen Grenzwert.
Daher ließ der IWF-Offizielle in der Telefonkonferenz keine Zweifel aufkommen: Alle müssen sich bewegen, sonst steigt der Fonds aus. Selbst muss Athen die verlangten Strukturreformen voll umsetzen, um die Wirtschaft zurück auf einen Wachstumskurs zu bringen. Zugleich aber müssen die Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten. Der IWF allerdings wird sich an einem Schuldenschnitt nicht beteiligen, da ihm dies nach seinen Statuten nicht erlaubt ist. Den Verzicht müssen die Euro-Länder allein leisten. Sie können ihre Ansprüche gleich zu einem Teil abschreiben oder aber noch einmal Laufzeiten des Darlehens verlängern und die Zinsen senken.
Voraussichtlich im Herbst wird sich Merkel entscheiden müssen, ob sie Pest oder Cholera wählt. Entweder sie akzeptiert den Schuldenschnitt oder sie verliert den IWF.