Coworking-Manager : „Die Start-up-Philosophie breitet sich in ländlichen Regionen aus“
Die Digitalisierung hat zu massiven Veränderungen in der Arbeitswelt geführt. Großraum-Büro, Einzelzimmer, Home-Office oder Coworking-Space – es gibt viele Möglichkeiten, sein Geld zu verdienen. In Berlin gehörte das St. Oberholz am Rosenthaler Platz zu den ersten Anbietern von flexiblen Arbeitsmöglichkeiten. Ein Gespräch mit dem Coworking-Manager Tobias Kremkau über das Arbeiten der Zukunft, die Orte, an denen das passiert und was in Frankfurt (Oder) passieren soll.
Herr Kremkau, bei Coworking-Spaces denkt man eigentlich an boomende Start-up-Orte wie Tel Aviv, London, Paris und Berlin. Warum schaffen Sie diese Arbeitsmöglichkeiten jetzt in Frankfurt (Oder)?
Viele Menschen leben in Deutschland im ländlichen Raum, damit meine ich Mittelzentren wie Cottbus, Stendal und auch Frankfurt (Oder). Die Einwohner fühlen sich dort wohl, das war der Ausgangspunkt. Was diese Orte charakterisiert: Sie haben einen Anschluss an die Metropole Berlin, von Stendal ist man auch schnell in Großstädten wie Hamburg oder Hannover. Viele Menschen leben da und und viele von ihnen pendeln in die Großstädte.
So ist das seit Jahren.
Vermutlich gehen die meisten Pendler allerdings einer Arbeit nach, die man inzwischen auch ortsunabhängig erledigen könnte. Vielleicht reichte es ja, an zwei oder drei Tagen nach Berlin zu fahren, der Rest ließe sich dann im Coworking-Space erledigen. Wenn die Pendler in ihrem gewohnten Umfeld bleiben könnten, hätte das den Vorteil, dass der Weg zur Arbeit dadurch verkürzt würde. Es bliebe Zeit, die Kinder morgens in die Schule zu bringen statt im Auto oder in der Bahn zu sitzen.
So etwas ist auch mit Home-Office möglich, aber selbst da fremdeln noch viele Arbeitgeber. Auch Angestellte sind unsicher.
Was ich auch verstehen kann. Aus Studentenzeiten weiß man ja, dass es manchmal schwerfällt, sich zu Hause auf die Arbeit zu konzentrieren. Stattdessen wird dann der Abwasch erledigt oder die Schmutzwäsche in die Waschmaschine gepackt. Aber mir ist das eigentlich zu sehr Schwarz-Weiß-Denken.
Warum?
Weil die Menschen schon immer Möglichkeiten gesucht haben, um so zu arbeiten, wie es zu ihnen passt. Nochmal zurück zu den Studenten: Es gab auch Kommilitonen, die sind in die Bibliothek geflüchtet. Das ist ein Ort, der dem Lernen gewidmet ist, an dem man aber nicht alleine ist. Andere mögen dagegen das Arbeiten zu Hause, weil es ihnen die Freiheit gibt, selbst zu bestimmen. Andere bevorzugen das Büro, das der Arbeit eine gewisse Struktur gibt. Morgens fangen alle zu ähnlichen Zeiten an, und wenn man nach Hause geht, kann man die Arbeit hinter sich lassen. Andere bevorzugen das Café, weil sie dort interessante Leute, oft aus der Nachbarschaft, treffen, was ihre Produktivität steigern kann. Und in Coworking-Spaces lässt sich die Café-Atmosphäre mit der digitalen Professionalität verbinden. Deshalb sollten man den Menschen die Form des Arbeitens ermöglichen, die zu ihnen passt.
Welcher Arbeitstyyp sind Sie?
Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn es zu leise ist. Zu Hause benutze ich eine App, die mir die Geräuchskulisse eines Cafés vermittelt. Wenn man verstanden hat, wie man am besten arbeiten kann, und die Freiheit des Arbeitgebers bekommt, dann kann man gezielt den Ort zum Arbeiten finden, der zu einem passt. In Deutschland sind 40 Prozent der Coworking-Spaces allerdings noch kein Jahr alt. Aber es geht voran, das lässt sich in Städten wie Erfurt, Chemnitz oder Kiel beobachten. Was noch dazu kommt: Die Start-up-Philosophie breitet sich auch in ländlichen Regionen aus.
Wo haben Sie das beobachtet?
In der Altmark im vergangenen Jahr. Da gab es erstaunliche Ideen, die würden zur Torstraße passen. Beispielsweise eine Milchtankstelle – am Prenzlauer Berg würde man sich darum bestimmt reißen.
Kann es nicht auch sein, dass Sie nach Möglichkeiten der Expansion auf dem Land suchen, weil der Wettbewerb in Berlin immer größer wird?
Nein, das sehe ich nicht so. Es gibt genügend unterschiedliche Geschäftsmodelle, die nebeneinander bestehen können. Und auf die Idee mit Frankfurt (Oder) hat uns die SpardaBank Berlin gebracht, die dort ein neues Geschäftsmodell ausprobieren will. Weil ich den Gedanken, aufs Land zu gehen, schon länger spannend finde, machen wir mit. Mir geht es generell um den Zugang zu neuen Ideen fürs Arbeiten. Und anderen offensichtlich auch, selbst in der Eifel gibt es in der Verbandsgemeinde Prüm ein Coworking-Konzept. Das zeigt, es ist Dynamik in die Arbeitswelt gekommen.